Fieber unklarer Genese
Synonyme: Fieber unklarer Ursache, Fieber unbekannter Ursache, Fieber ungeklärter Ursache, FUU, FUG
Englisch: fever of unknown origin, FUO
Definition
Als Fieber unklarer Genese, kurz FUO, bezeichnet man ein Fieber > 38,3 °C bei mindestens zwei Messungen, das über 3 Wochen anhält, ohne dass bei mehrfacher ärztlicher Diagnostik eine Ursache gefunden werden kann.
Nomenklatur
Der Begriff "Fieber unklarer Genese" wird häufig als Verlegenheitsdiagnose verwendet, wenn initial die Ursache unklar ist. Jedoch sollte der Begriff lediglich bei Vorliegen klar definierter Kriterien verwendet werden.
Kriterien
Ein FUO wird derzeit (2020) wie folgt definiert:
- Fieber > 38,3 °C bei mindestens 2 Messungen
- Krankheitsdauer > 3 Wochen
- keine bekannte Immunschwäche
- weiterhin unklare Diagnose nach umfassender Anamnese, körperlicher Untersuchung und Bestimmung bzw. Durchführung von:
- ESR, CRP, Thrombozytenzahl, Leukozytenzahl, Differenzialblutbild
- Serumspiegel von Hämoglobin, Elektrolyten, Kreatinin, Gesamtprotein, alkalischer Phosphatase, ALT, AST, LDH, Kreatinkinase, Ferritin
- ANA und Rheumafaktor
- Serumelektrophorese
- Urinuntersuchung
- 3 Blutkulturen
- Röntgenthorax
- Abdomen-Sonografie
- Tuberkulintest (oder Gamma-Interferon-Test)
Epidemiologie
In westlichen Industrienationen machen Infektionen etwa 20 % der Fälle aus, gefolgt von nichtinfektiösen entzündlichen Erkrankungen (NIIDs) und Neoplasien.
In den restlichen Regionen sind Infektionen für 43 % der Fälle verantwortlich. Dabei liegt bei bis zu 50 % der Patienten eine Tuberkulose vor.
Ursachen
Die Ursachen von Fieber unklarer Genese sind definitionsgemäß zum Zeitpunkt der Diagnosestellung inapparent. Es kommt eine Vielzahl an möglichen Grunderkrankungen in Betracht, wobei Autoimmunerkrankungen als Ursache dominieren.[1]
Infektionen
Das FUO hat zahlreiche Ursachen, jedoch muss berücksichtigt werden, dass es eher durch atypische Manifestation einer häufigen Krankheit als durch eine seltene Krankheit entsteht. Zu den häufigeren infektiösen Ursachen zählen:
- Endokarditis
- Divertikulitis
- Osteomyelitis
- Tuberkulose
Q-Fieber ist seltener, sollte aber ggf. serologisch ausgeschlossen werden, insbesondere bei Patienten in ländlichen Gebieten mit Exposition gegenüber Tieren, mit Herzklappenerkrankung, Klappenprothesen oder Aortenaneurysma. Bei Patienten mit unklaren Symptomen des Zentralnervensystems, des Gastrointestinaltrakts oder der Gelenke kann eine PCR auf Tropheryma whipplei durchgeführt werden. Weiterhin sollte bei Reisen in tropischen Ländern an Infektionskrankheiten wie Malaria, Leishmaniose, Histoplasmose und Kokzidioidomykose gedacht werden.
Eine kulturnegative Endokarditis kann durch Bakterien wie Nutritionally-variant-Streptokokken (NVS), HACEK-Organismen, Coxiella burnetii und Bartonellen verursacht werden. Die marantische Endokarditis hat keine infektiöse Ursache und findet sich bei systemischem Lupus erythematodes, Antiphospholipid-Syndrom und paraneoplastisch bei Adenokarzinomen.
NIIDs
Unter den nichtinfektiösen entzündlichen Erkrankungen spielen die Vaskulitiden der großen Gefäße, die Polymyalgia rheumatica, die Sarkoidose, das familiäre Mittelmeerfieber und das adulte Still-Syndrom die wichtigste Rolle. Hereditäre autoinflammatorische Syndrome sind sehr selten.
systemische rheumatische und autoimmune Erkrankungen |
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Vaskulitiden | |
Granulomatosen |
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Autoinflammatorische Syndrome |
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Neoplasien
Fast alle Neoplasien können mit Fieber einhergehen, am häufigsten handelt es sich um maligne Lymphome.
Hämatologische Malignome | |
Solide Tumore | |
Benigne Tumore |
Weitere Ursachen
Weiterhin muss an ein Arzneimittelfieber (incl. DRESS-Syndrom) gedacht werden. Es geht typischerweise mit einer Eosinophilie und einer Lymphadenopathie einher. Zu den häufigen Auslösern gehören Allopurinol, Carbamazepin, Lamotrigin, Phenytoin, Thionamide wie Thiamazol, Sulfasalazin, Furosemid, Antibiotika (Sulfonamide, Vancomycin, Betalaktamantibiotika, Isoniazid), Chinidin und einige Virustatika (z.B. Nevirapin).
Zu den weiteren Ursachen des FUO zählen:
- Amyloidose
- vasookklusive Krise bei Sichelzellkrankheit
- ADEM
- Aneurysmen
- Aortendissektion
- aortoenterale Fistel
- artifizielles Fieber
- Münchhausen-Syndrom
- aseptische Meningitis (Mollaret-Syndrom)
- Caroli-Krankheit
- Cholesterinembolie
- Colitis ulcerosa
- Status epilepticus
- Erdheim-Chester-Krankheit
- exogene allergische Alveolitis
- Morbus Fabry
- Morbus Gaucher
- Hamman-Rich-Syndrom
- Hashimoto-Enzephalopathie
- Hämatom
- sekundärer Hypopituitarismus
- idiopathischer Normaldruckhydrozephalus
- inflammatorischer Pseudotumor
- Kikuchi-Krankheit
- lineare IgA-Dermatose
- Lungenembolie
- mesenteriale Fibromatose
- Metalldampffieber
- Milcheiweißallergie
- myotone Dystrophie
- Nebennierenrindeninsuffizienz
- nichtbakterielle Osteitis
- Organic Dust Toxic Syndrome
- Pannikulitis
- POEMS-Syndrom
- Polymerdampffieber
- Post-cardiac Injury Syndrome (PCIS)
- primär biliäre Zirrhose
- primärer Hyperparathyreoidismus
- Pyoderma gangraenosum
- Retroperitonealfibrose
- Rosai-Dorfman-Krankheit
- sklerosierende Mesenteritis
- Silikonembolie
- Thyreoiditis de Quervain
- Sweet-Syndrom
- Thrombose
- tubulointerstitielle-Nephritis-und-Uveitis-Syndrom (TINU)
- Vorhofmyxom
- Leberzirrhose
- zyklische Neutropenie
Temperaturregulationsstörungen
Temperaturregulationsstörungen führen eigentlich nicht zum Fieber im engeren Sinne, sondern zu einer Hyperthermie. Dazu zählen z.B.:
- Zentrale Temperaturregulationsstörungen:
- Gehirntumor
- Schlaganfall
- Enzephalitis
- hypothalamische Funktionsstörung
- Periphere Temperaturregulationsstörungen:
- Anhidrotische ektodermale Dysplasie
- belastungsbedingte Hyperthermie (Hitzschlag)
- Hyperthyreose
- Phäochromozytom
Diagnostik
Erstliniendiagnostik
Neben der ausführlichen Anamnese und einer gründlichen körperlichen Untersuchung umfasst die initiale Diagnostik des FUO die in den Kriterien genannten Basismaßnahmen. Bei der Anamneseerhebung wird nach dem Fiebermuster, der Fieberdauer, der Einnahme von Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln, dem Herkunftsland bzw. nach bestimmten Umweltexpositionen (Reisen, Hobbys, Tierkontakte) gefragt. Auch eine Familienanamnese und eine Sexualanamnese sollten erfolgen.
Bei der körperlichen Untersuchung wird v.a. auf Augen, Lymphknoten, Temporalarterien, Leber, Milz, Operationsnarben, Hautoberfläche und Schleimhäute geachtet. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass Antibiotika und Glukokortikoide, sofern möglich, vor weiteren diagnostischen Verfahren abgesetzt werden, da sonst beispielsweise Blutkulturen wenig aussagekräftig sind. Eine Manipulation des Thermometers sowie ein Arzneimittelfieber sollten ausgeschlossen werden. Wenn das Fieber über 72 Stunden nach dem Absetzen verdächtiger Substanzen persistiert, ist diese vermutlich unbeteiligt. Trotz relativ geringer Sensitivität und möglichen falsch-positiven Befunden ist eine Sonographie und eine Röntgenaufnahme des Thorax indiziert.
Weitere biochemische Untersuchungen, die nicht zu den obligatorischen Untersuchungen zählen, sind bei fehlenden Diagnosehinweisen wenig hilfreich. Die Bestimmung von Kryoglobulinen kann jedoch ein nützlicher Screeningtest sein. Die Blutkulturen müssen lang kultiviert werden, um anspruchsvolle Keime (z.B. Erreger der HACEK-Gruppe) zu identifizieren. Bei anamnestischen Hinweisen auf ungewöhnliche Erreger (z.B. Histoplasma, Legionella) müssen Spezialnährböden verwendet werden. Mehr als drei Blutkulturen oder mehr als eine Urinkultur sind nur dann sinnvoll, wenn sie während oder eine Woche nach einer Antibiotikatherapie entnommen wurden. Bei Kopfschmerzen kann eine Liquoranalyse durchgeführt werden, um z.B. Erreger wie Herpes-simplex-Virus, Cryptococcus neoformans und Mycobacterium tuberculosis zu identifizieren.
Eine mikrobiologische Serologie wird grundsätzlich ohne diagnostische Hinweise auf eine Infektion nicht empfohlen. Der Tuberkulintest kann bei Miliartuberkulose, Malnutrition oder Immunsuppression falsch-negativ ausfallen. Auch ein negativer Gamma-Interferon-Test schließt eine Tuberkulose nicht aus. Bei Verdacht auf eine Miliartuberkulose kann der mikroskopische Nachweis säurefester Stäbchen, eine Kultur und die PCR aus einer Leberbiopsie oder aus anderen Biopsaten zur Diagnose führen.
Zum Screening werden die Echokardiographie, eine radiologische oder endoskopische Untersuchung des Gastrointestinaltrakts und die Bronchoskopie nicht empfohlen. Eine Fundoskopie bei Patienten ohne potenzielle Diagnosehinweise kann in der Frühphase sinnvoll sein.
Bei rezidivierendem Fieber sollte der Patient während einer Fieberphase vorstellig werden. Besteht das rezidivierende Fieber bereits seit über 2 Jahren, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es infektiöser oder maligner Ursache ist.
Zweitliniendiagnostik
Wenn die Erstliniendiagnostik nicht zur Diagnose führt, sollte insbesondere bei beschleunigter ESR oder erhöhtem CRP eine 67Ga-Zitrat-Szintigrafie oder eine Szintigrafie mit 111In- oder 99mTc-markierten Leukozyten durchgeführt werden.
Alternativ und evtl. mit sogar höherer diagnostischer Ausbeute kann eine PET bzw. ein PET-CT durchgeführt werden. 18-Fluordesoxyglukose (FDG) akkumuliert in Geweben mit hoher Glykolyserate (maligne Zellen, aktivierte Leukozyten). Dabei muss beachtet werden, dass ein hohes physiologisches Uptake in Gehirn, Herz, Darm, Niere und Blase pathologische Herde maskieren kann. Die FDG-Aufnahme des Herzens kann durch eine kohlenhydratarme Ernährung vor der PET reduziert werden. Die Aufnahme im Knochenmark ist bei Patienten mit FUO oft unspezifisch erhöht. Die FDG-PET erbringt in 40 %, das FDG-PET-CT in 54 % der Fälle die definitive Diagnose, jedoch kaum bei Patienten mit normaler ESR und normalem CRP-Spiegel.
Ein auffälliger Befund ist der Szintigrafie oder im PET-CT sollte z.B. durch eine Biopsie oder Kultur bestätigt werden. Weiterhin können bei entsprechenden Hinweisen Biopsien z.B. der exzidierten Tonsillen, des Peritoneums, der Haut oder von Lymphknoten durchgeführt werden.
Wenn die Verdachtsdiagnose weiterhin unklar ist, kann ein Thorax- und Abdomen-CT und eine Biopsie der Arteria temporalis erwogen werden. Eine Knochenmarkdiagnostik ist ohne wegweisenden Verdacht nur selten hilfreich. Eine Leberbiopsie kommt nur bei begründetem Verdacht auf eine Lebererkrankung oder Miliartuberkulose zum Einsatz. Empfohlen sind weiterhin die wiederholte gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung sowie eine erneute Zusammenschau der Laborbefunde und der Bildgebung.
Therapie
Antibiotika und Antituberkulotika
Antibiotika oder Antituberkulotika reduzieren die Ausbeute einer diagnostischen Kultur, sodass sie nicht empirisch verabreicht werden sollten. Ausnahmen sind z.B. FUO-Patienten mit hämodynamischer Instabilität, Neutropenie sowie mit positivem Tuberkulin- oder Gamma-Interferon-Test. Sofern das Fieber nach sechswöchiger empirischer tuberkulostatischer Therapie nicht sinkt, erscheint eine Tuberkulose unwahrscheinlich.
Colchicin
Colchicin ist hilfreich bei familiärem Mittelmeerfieber, wobei ein fehlendes Ansprechen in der Akutphase möglich ist. Die Häufigkeit und Schwere der Fieberepisoden sollte sich innerhalb von Wochen bis Monaten verbessern.
NSAR
Eine supportive Therapie mit NSAR ist sinnvoll, wenn das Fieber persistiert und die Ursache trotz Zweitliniendiagnostik unbekannt ist. Insbesondere das adulte Still-Syndrom spricht sehr gut auf NSAR an.
Glukokortikoide
Glukokortikoide sind z.B. effektiv bei Riesenzellarteriitis bzw. Polymyalgia rheumatica. Sie sollten jedoch nur verabreicht werden, wenn Infektionen und maligne Lymphome weitestgehend ausgeschlossen wurden.
Anakinra
Anakinra, ein rekombinanter IL-1-Rezeptorantagonist (IL-1Ra) blockiert die Aktivität von IL-1α und IL-1β. Es ist bei vielen autoinflammatorischen Syndromen effektiv, z.B. bei familiärem Mittelmeerfieber, CAPS, Hyper-IgD-Syndrom und Schnitzler-Syndrom. Ein Therapieversuch kann bei FUO-Patienten erwogen werden, wenn die Zweitliniendiagnostik keine Hinweise ergibt.
Quellen
- ↑ Vanderschueren S et al.: From prolonged febrile illness to fever of unknown origin: the challenge continues. In: Archives of internal medicine. 9 (163) 2003, S. 1033–1041, ISSN 0003-9926 PMID 12742800
Literatur
- le Claire A, Suttorp N. Fieber unbekannter Ursache. In: Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin (ISBN 978-3-13-243524-7), 2020 ABW Wissenschaftsverlag
- Unger M et al. Fever of unknown origin (FUO) revised, Wien Klin Wochenschr. 2016; 128(21): 796–801, abgerufen am 07.06.2020
- Kaya A et al. The Management and the Diagnosis of Fever of Unknown Origin, Expert Rev Anti Infect Ther. 2013;11(8):805-815, abgerufen am 07.06.2020
- Tokmak H et al. Diagnostic Contribution of (18)F-FDG-PET/CT in Fever of Unknown Origin, Int J Infect Dis. 2014;19:53-58, abgerufen am 07.06.2020