Kryoglobulinämie
Englisch: cryoglobulinemia
Definition
Bei der Kryoglobulinämie handelt es sich um eine Form der Gefäßentzündung, die durch Ablagerungen von Immunkomplexen in den kleinen Gefäßen entsteht.
- ICD-10-Code: D89.1
Pathophysiologie
Kryoglobuline stellen Antikörper bzw. Immunglobuline dar, die bei Kälte ihre Lösungsfähigkeit vollständig verlieren. Nur ab einer höheren Temperatur können sie sich wieder im umgebenden Medium (Blut) auflösen. Man unterscheidet monoklonale Kryoglobuline und gemischte Kryoglobuline, wobei Letztere Immunkomplexe darstellen. Unter Kälteeinfluss entstehen diese Immunkomplexe (z.T. bestehend aus IgM und IgG) und lagern sich in den kleinsten Gefäßen ab, was dann schlussendlich zu einer Gefäßentzündung (Vaskulitis) führt.
siehe auch: Kryoglobulinämische Vaskulitis
Ursachen
Die Kryoglobulinämie entsteht in aller Regel als Folgeerkrankung von Infektionskrankheiten, malignen hämatologischen Erkrankungen bzw. deren Vorstufen oder Autoimmunerkrankungen. All diese Krankheitsbilder haben gemein, dass die Anzahl an Immunglobulinen im Vergleich zum Normalzustand erhöht ist. Dadurch wird ihre Ablagerung in den kleinen Gefäßen begünstigt.
Infektionskrankheiten
- Hepatitis C (häufigste Vorerkrankung)
- EBV-Infektion
- CMV-Infektion
- Borreliose
- Toxoplasmose
- Syphilis
- subakute bakterielle Endokarditis
Hämatologische Erkrankungen
Autoimmunerkrankungen
- Sjögren-Syndrom (SS)
- Rheumatoide Arthritis (RA)
- Lupus erythematodes (SLE)
- Sarkoidose
Einteilung
Die Kryoglobulinämie wird in drei Formen eingeteilt:
- Typ 1: 10-15% der Fälle. Ausgelöst durch monoklonales IgG, IgM, IgA oder deren leichte Ketten. Der Typ 1 tritt im Rahmen von malignen hämatologischen Erkrankungen auf, vor allem bei MGUS, Smoldering Myelom, Multiplem Myleom, Morbus Waldenström und CLL.
- Typ 2: 50-60% der Fälle. Ausgelöst durch monklonales IgM plus polyklonalem IgG oder selten IgA. Der Typ 2 tritt bei Infektionskrankheiten auf, vor allem bei Hepatitis C, HIV-Infektion sowie bei B-Zell-Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen
- Typ 3: 25–30% der Fälle. Polyklonales IgM plus polyklonales IgG oder IgA. Typ 3 ist am häufigsten die Folge von Autoimmunerkrankungen. Er findet sich vor allem beim Sjögren-Syndrom, seltener bei SLE oder RA. Bei einer Hepatitis C kann er ebenfalls auftreten.
Der Typ 1 wird auch als "einfache Kryoglobulinämie" bezeichnet, da nur monoklonale Antikörper involviert sind. Typ 2 und 3 werden unter dem Begriff "gemischte Kryoglobulinämien" zusammengefasst.[1]
Symptome
- Hautblutungen, besonders an den Fingern (Schädigung der Akren)
- Akrozyanose (insbesondere nach Kältebelastung)
- Nekrosen im Bereich der Akren (durch schwere Entzündungsherde)
- Gelenkschmerzen
- Myalgien (Muskelschmerzen)
- Vergrößerung der Milz und teilweise auch der Leber (Hepatosplenomegalie)
- Schwellung der Lymphknoten
- Neuropathien
- Glomerulonephritis (Blut und Proteinreste im Urin)
- Organinfarkte durch Minderdurchblutung
- Thrombosen in den Netzhautgefäßen (mögliche Erblindung)
- Retikulozytenerhöhung
- Raynaud-Syndrom
- vaskuläre Purpura
- Kälteurtikaria
Eselsbrücke
Eine Eselsbrücke für die möglichen klinischen Befunde einer Kryoglobulinämie ist das Akronym SKIN:
- Skin (engl. für Haut): kutane Manifestationen (z.B. Purpura, Raynaud-Syndrom, Akrozyanose, Livedo reticularis)
- Kidney (engl. für Niere): renale Manifestationen (z.B. Membranoproliferative Glomerulonephritis)
- Intra-articular (engl. für intraartikulär): Gelenkmanifestationen (z.B. Arthralgien)
- Nerve (engl. für Nerv): Nervale Beteiligung (z.B. Polyneuropathie)
Diagnostik
- ausführliche Anamnese
- Gefäßbiopsie
- Nachweis einer Hepatitis C-Infektion
- Blutsenkungsgeschwindigkeit bei Körpertemperatur stark beschleunigt
- Nachweis der Kryoglobuline mittels Gelelektrophorese
- fälschlicherweise positive Syphilis-Serologie
Therapie
Die Therapie fokussiert sich in erster Linie auf die Behandlung der auslösenden Grunderkrankung, um die weitere Immunglobulinbildung zu unterbinden. Darüber hinaus ist das Vorgehen abhängig von der Schwere der Symptomatik.
Asyptomatische Kryoglobulinämie
Bei asymptomatischen Verläufen, bei denen die Kryoglobulinämie sehr wahrscheinlich infektionsbedingt ist, sind meist keine Behandlungsmaßnahmen indiziert. Lässt sich die Ursache nicht sicher ermitteln und kommt es zu keiner spontanen Rückbildung, ist eine weitere Diagnostik und engmaschige Beobachtung notwendig.
Symptomatische Kryoglobulinämie
Bei schweren symptomatischen Verläufen muss therapeutisch interveniert werden, um neurologische, kardiovaskuläre oder renale Komplikationen zu verhindern. Durch eine Plasmapherese können zirkulierende Antikörper aus dem Blut entfernt werden.
Des Weiteren werden – abhängig von der Grunderkrankung – hochdosierte Kortikosteroide (z.B. Prednisolon), Chemotherapeutika (z.B. Bortezomib) und/oder Immunsuppressiva (z.B. Azathioprin) eingesetzt. Bei Hepatitis C ist eine antivirale Therapie mit Virostatika zielführend.
Symptomatisch wird ferner Ibuprofen zur Schmerzlinderung und Entzündungshemmung verwendet.
Quellen
- ↑ Desbois et al., Cryoglobulinemia: An update in 2019, Joint Bone Spine, 2019
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