Monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz
Englisch: monoclonal gammopathy of underdetermined significance
Definition
Als monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz, kurz MGUS, wird das vermehrte Vorkommen von kompletten oder inkompletten, monoklonalen Immunglobulinen (Paraproteinen) im Serum bezeichnet, ohne dass Kriterien des Multiplen Myeloms erfüllt sind.
Abgrenzung
Die Definition der MGUS beinhaltet zwar Symptomfreiheit, dennoch kann eine MGUS potentiell mit weiteren Erkrankungen einhergehen. Hier spricht man dann von einer Monoklonalen Gammopathie mit klinischer Signifikanz (MGCS):
- Verschiedene Komorbiditäten wie Osteoporose, rezidivierende Infektionen, Hämolyse und Kryoglobulinämie können auf eine MGUS zurückgeführt werden.
- AL-Amyloidose durch Ablagerungen von monoklonalen Leichtketten
- Periphere Neuropathie: Sie betrifft insbesondere die sensible Wahrnehmung. Tritt gehäuft beim IgM-MGUS auf, wobei das IgM bei fast der Hälfte der Betroffenen gegen das myelinassoziierte Glykoprotein (MAG) gerichtet ist.
- POEMS-Syndrom: MGUS meist vom Lambda-Subtyp zusammen mit einer Polyneuropathie und weiteren Symptomen wie Ödemen oder sklerotischen Knochenläsionen.
- Monoklonalen Gammopathie renaler Signifikanz (MGRS): MGUS mit Leichtketten-bedingter Nierenfunktionsstörung
- Schnitzler-Syndrom: Monoklonale IgM-Gammopathie, Fieber, chronische Urtikaria und Arthralgien
siehe auch: Monoklonale Gammopathie
Ätiologie
Die Ursache ist bisher (2024) unklar. Bei einem IgM-MGUS findet sich meist eine somatische MYD88-L265P-Mutation, wie auch beim Morbus Waldenström. Als weitere Risikofaktoren werden diskutiert:
Epidemiologie
Verlauf
Ein MGUS kann in ein Smouldering Myelom, ein multiples Myelom (MM), einen Morbus Waldenström oder ein Non-Hodgkin-Lymphom übergehen. Das Progressionsrisiko für ein MGUS mit Schwerketten-Immunglobulinen in ein MM beträgt ungefähr 1 % pro Jahr. Risikofaktoren sind:
- Monoklonales Protein über 15 g/l
- Pathologischer Quotient der freien Kappa- und Lambda-Leichtketten im Serum (Normwert 0,26 bis 1,65)
- Nicht-IgG-MGUS
Bei Vorliegen aller drei Risikofaktoren spricht man von einem Hochrisiko-MGUS. Hier liegt die Wahrscheinlichkeit einer Progression bei über 50 % nach 20 Jahren im Vergleich zu 5 % bei Fehlen der Risikofaktoren.
Für MGUS mit Leichtketten-Immunglobulinen beträgt das Progressionsrisiko 0,3 % pro Jahr.[2]
Das Risiko für akute myeloische Leukämie, myelodysplastisches Syndrom und Polycythämia vera ist um den Faktor 2 bis 8 erhöht, das eines nicht-hämatologischen Tumors um 1,5. Weiterhin besteht ein um den Faktor 2 bis 3 erhöhtes Risiko für eine tiefe Beinvenenthrombose oder Lungenarterienembolie.
Diagnostik
Ein M-Gradient als Hinweis auf ein Paraprotein wird häufig zufällig bei der Serumeiweißelektrophorese entdeckt.
Untersuchungen
Ziel der Diagnostik ist der Ausschluss von bösartigen Erkrankungen. Neben sorgfältiger Anamnese und körperlicher Untersuchung gehören zur Basisdiagnostik:
- Großes Blutbild, Elektrolyte, Retentionsparameter
- Gesamteiweiß und Serumalbumin
- quantitative Bestimmung von IgG, IgA und IgM im Blut
- quantitative Bestimmung der freien Leichtketten (κ und λ) im Serum
- qualitativer Test auf Eiweiß im Urin
Wenn die Konzentration des monoklonalen Proteins über 15 g/l liegt oder Krankheitszeichen vorliegen, sind weitergehende Untersuchungen notwendig. Zu den Krankheitszeichen zählen insbesondere die CRAB-SLiM-Kriterien wie zum Beispiel Anämie, Hyperkalzämie oder Niereninsuffizienz. Auch Knochenschmerzen, Gewichtsverlust, Sehstörungen und andere auf ein behandlungsbedürftiges Multiples Myelom hinweisende Symptome schließen ein MGUS per definitionem aus.
Die erweiterte Diagnostik umfasst:
- 24-Stunden-Sammelurin zur Messung der Eiweißausscheidung und Leichtkettenausscheidung
- LDH, GPT, GOT
- β2-Mikroglobulin im Blut
- Bildgebung: Meist in Form eines Ganzkörper-low-dose-CT oder MRT, gegebenenfalls eine Echokardiographie
- Knochenmarkpunktion oder gezielte Probeentnahme bei Verdacht auf extramedulläres, solitäres Myelom
Diagnosekriterien
Notwendig ist die Erfüllung folgender Kriterien:
- Monoklonales Protein unter 30 g/l und
- klonale Plasmazellen im Knochenmark unter 10 % und
- Fehlen von Symptomen, die auf ein Multiples Myelom (insbesondere gemäß CRAB-SLiM-Kriterien) oder ein anderes Lymphom hinweisen, es sei denn, sie können durch eine andere Ursache erklärt werden
Beim Leichtkettentyp gelten außerdem zusätzliche Kriterien:
- Monoklonales Protein im Urin unter 500 mg pro 24 Stunden und
- abnormer freier Leichtketten-Quotient
Therapie
Im Gegensatz zum Multiplen Myelom oder zur MGRS, wird eine MGUS nicht therapiert. Durch regelmäßige Kontrollen ("Watchful Waiting") kann ein Übergang in eine behandlungsbedürftige Erkrankung frühzeitig erkannt werden. Die erste Kontrolle erfolgt 3 und 6 Monate nach Erstdiagnose. Falls sich die Laborwerte in den 6 Monaten nicht verschlechtern, sind keine weiteren Kontrollen notwendig. Nur bei Hochrisikopatienten sollten alle 6 bis 24 Monate Verlaufskontrollen durchgeführt werden.
Prognose
Eine MGUS ist mit einer erhöhten Mortalität assoziiert.[3]
Literatur
- Einsele H et al. DLH MGUS
- Vercruyssen M et al. What in new in MGUS and smoldering multiple myeloma, Belgian Journal of Hematology 9: 2-7. 2018
- Onkopedia Leitlinie MGUS, Stand August 2010, abgerufen am 03.07.2019
- Onkopedia Leitlinie MM, Stand Mai 2018, abgerufen am 03.07.2019
- Van de Donk NWCJ et al. The clinical relevance and management of monoclonal gammopathy of undetermined significance and related disorders: recommendations from the European Myeloma Network, Haematologica. 2014 Jun; 99(6): 984–996, abgerufen am 03.07.2019
- Agarwal A, Ghobrial IM Monoclonal gammopathy of undetermined significance and smoldering multiple myeloma: a review of the current understanding of epidemiology, biology, risk stratification, and management of myeloma precursor disease, Clin Cancer Res. 2013 Mar 1;19(5):985-94
Quellen
- ↑ Kyle RA Prevalence of monoclonal gammopathy of undetermined significance, N Engl J Med. 2006 Mar 30;354(13):1362-9, abgerufen am 03.07.2019
- ↑ Dispenzieri A et al. Prevalence and risk of progression of light-chain monoclonal gammopathy of undetermined significance: a retrospective population-based cohort study, Lancet. 2010 May 15;375(9727):1721-8, abgerufen am 03.07.2019
- ↑ Steinhardt et al. Die Monoklonale Gammopathie (un)klarer Signifikanz; DMW 2022