Schwere-Ketten-Antikörper
Englisch: Heavy-chain-Antibodies, HCAb
Definition
Schwere-Ketten-Antikörper, kurz HCAb, sind eine einzigartige Klasse von Antikörpern, die ausschließlich in Kameliden beschrieben wurden. Sie bestehen nur aus einer schweren Kette, besitzen jedoch die vollständige Fähigkeit zur antigenspezifischen Bindung. Durch ihre geringe Größe besitzen sie viele Vorteile in der Forschung und Diagnostik.
Hintergrund
Die Struktur der Immunglobuline ist in allen Säugetieren konserviert. Sie bestehen aus zwei schweren und zwei leichten Ketten, die am N-Terminus variable Regionen enthalten und zusammen die antigenspezifische Bindung ermöglichen. Außer den Schwere-Ketten-Antikörpern der Kameliden ist keine weitere natürliche Abweichung in Säugetieren beschrieben. Evolutionär stellen die HCaAbs wahrscheinlich keine ursprüngliche Form der Antikörper dar, sondern sind das Resultat neuerer Anpassungen. Außerhalb der Säugetiere konnten nicht-kanonische HCAb bei Haien identifiziert werden.
Struktur
Konstanter Teil/FC-Region
- CH3-Domäne
- CH2-Domäne
Variable Region/Antigenbindendes-Fragment
- VHH
Ein HCAb besteht aus einem Homodimer zweier schwerer Ketten. Im Vergleich zu regulären schweren Ketten sind diese kleiner, da sie keine CH1-Domäne besitzen. Die antigenspezifische Bindung wird durch die einzelne VHH-Domäne (variable domain of the heavy-chains of heavy-chains-only antibodies) ermöglicht.
Funktion
HCAb sind ein regulärer Teil der adaptiven Immunantwort der Kameliden. Sie machen etwa 50% der Antikörper im Blut aus. Trotz ihrer einfachen Struktur können sie spezifisch und mit hoher Affinität an ihr Antigen binden. Welche Vorteile HCAbs dem Organismus bieten, verbleibt jedoch ungeklärt (2019).
Klinik
Schwerkettenkrankheit
Beim Menschen kommen Schwere-Ketten-Antikörper nicht vor. Jedoch können Defekte in der somatischen Hypermutation zu einer Überproduktion fehlerhafter schwerer Ketten führen, welche nicht mehr an die leichten Ketten binden können. Im Unterschied zu den Kameliden-HCAbs können diese jedoch nicht an Antigene binden, sind also dysfunktional. Die resultierenden Paraproteinämien werden als Schwerkettenkrankheiten ("Heavy chain disease") zusammengefasst.
Forschung
HCAb können wie konventionelle Antikörper in zahlreichen molekularbiologischen und diagnostischen Verfahren verwendet werden. Hierbei ist vor allem die geringe Größe ein Vorteil. Diese lässt sich zusätzlich verringern, indem nur eine einzelne rekombinante VHH-Domäne produziert wird. Diese Einzeldomänen-Antikörper werden auch als Nanobodies bezeichnet.
Quellen
- Flajnik MF, Deschacht N, Muyldermans S (2011) Case Of Convergence: Why Did a Simple Alternative to Canonical Antibodies Arise in Sharks and Camels? PLoS Biol 9(8): e1001120. https://doi.org/10.1371/journal.pbio.1001120
- Vincke, C., & Muyldermans, S. (2012). Introduction to Heavy Chain Antibodies and Derived Nanobodies. Single Domain Antibodies, 15–26. doi:10.1007/978-1-61779-968-6_2
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