Kälteurtikaria
Synonyme: Urticaria e frigore, Kältekontakturtikaria, Kältereflexurtikaria
Definition
Die Kälteurtikaria ist eine Sonderform der chronischen induzierbaren Urtikaria und der physikalischen Urtikaria. Bei Kontakt der Haut mit Kälte kommt es zur Bildung von Quaddeln und zu Juckreiz.
Epidemiologie
Die Kälteurtikaria gehört zu den häufigsten Formen der physikalischen Urtikaria. Sie tritt bevorzugt bei jungen Erwachsenen auf. Sie kann auch in Kombination mit cholinergischer Urtikaria oder chronischer spontaner Urtikaria auftreten.
Ätiologie
Die genaue Ursache der Kälteurtikaria ist aktuell (2019) ungeklärt. Pathophysiologisch kommt es zur Freisetzung von Histamin, wobei vermutlich weitere Mediatoren von Neutrophilen, Eosinophilen und Thrombozyten beteiligt sind. Man unterscheidet zwischen folgenden erworbenen Formen:
- primäre Kälteurtikaria: evtl. allergische Typ-I-Reaktion
- sekundäre Kälteurtikaria: kältesensitive Serumproteine (Kryoglobuline, Kälteagglutinine, Kryofibrinogen) z.B. im Rahmen eines malignen Lymphoms, einer Leukämie oder bei Infektionen (z.B. Borreliose, HIV-Infektion, infektiöse Mononukleose).
Symptome
Bei der Kälteurtikaria treten innerhalb von Minuten nach Kontakt zu kalten Gegenständen, Wasser, Luft, Speisen oder Getränken Quaddeln auf. Bei Exposition großer Körperareale sind auch Allgemeinsymptome (Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Dyspnoe, Tachykardie) möglich. Selten kommt es zu potenziell letalen Schockreaktionen, z.B. bei Sprung ins kalte Wasser.
Einige Patienten zeigen erst Symptome, wenn sie zurück in einen warmen Raum kommen. Bei kalten Infusionslösungen sind auch entfernte Reaktionen möglich ("Kältereflexurtikaria").
Diagnostik
Die Kälteurtikaria kann durch standardisierte Kältetestung diagnostiziert werden, z.B. mittels seriellen 10-minütigen kalten Armbädern oder durch einen TempTest®. Dabei wird auch die auslösende Temperaturschwelle bestimmt.
Bei starken urtikariellen Reaktionen kann durch seitlichen Druck ein Orangenhautphänomen auslösbar sein. Des Weiteren sollten Auslöser einer sekundären Kälteurtikaria ausgeschlossen werden.
Differenzialdiagnosen
Bei negativen Kälteprovokationstestungen müssen hereditäre autoinflammatorische Syndrome (z.B. familiäre Kälteurtikaria, Muckle-Wells-Syndrom) ausgeschlossen werden.
Therapie
Bei der Kälteurtikaria werden initial H1-Rezeptorantagonisten eingesetzt, z.T. in bis zu vierfacher Dosis. Potenzielle Auslöser sollten soweit möglich vermieden werden. Eine Toleranzinduktion mit steigender Kälteexposition ist möglich, jedoch praktisch meist nicht durchführbar.
Bei 20 bis 50 % der Patienten führt eine hochdosierte, längerfristige Therapie mit Penicillin oder Doxycyclin zur kompletten oder partiellen Remission. Weiterhin kann Omalizumab erwogen werden.
Prognose
Die mittlere Krankheitsdauer der Kälteurtikaria beträgt 5 bis 10 Jahre.