Histamin
Englisch: histamine
Definition
Histamin ist ein biogenes Amin, das zu den sogenannten Gewebshormonen gerechnet wird. Die Substanz spielt bei vielen physiologischen und pathophysiologischen Vorgängen eine zentrale Rolle und ist unter anderem ein wichtiger Mediator bei Entzündungsreaktionen.
Chemie
Die Summenformel von Histamin lautet C5H9N3 und die molare Masse beträgt 111,15 g/mol. Alternative chemische Bezeichnungen für Histamin sind 2-(4-Imidazolyl)ethylamin, 2-(1H-Imidazol-4-yl)ethanamin oder 4-(2'-Aminoäthyl)-Imidazol.
Vorkommen
Histamin findet sich im menschlichen Körper fast ubiquitär, u.a. in der Haut, in der Lunge, in der Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts und im Hypothalamus. In erhöhter Konzentration kommt Histamin in bestimmten Zelltypen vor, nämlich in Mastzellen, basophilen Granulozyten und ECL-Zellen der Magenschleimhaut.
Bestimmte Lebensmittel enthalten relevante Histaminkonzentrationen, z.B. Erdbeeren, Käse, Thunfisch, Tomaten, Hefe, Schokolade, Rotwein und Sauerkraut. Viele Reifungs- und Gärungsprozesse, z.B. bei der Käseherstellung, führen zu höheren Histaminkonzentrationen. Hoher Histamingehalt ist einer der Gründe, warum verdorbene Lebensmittel unverträglich sind. Aasfresser haben deshalb eine vielfach höhere Konzentration von Diaminooxidase (DAO) im Darm, die in der Nahrung enthaltenes Histamin abbaut.
siehe auch: Scombrotoxismus
Von einigen Pflanzen und Tieren wird Histamin als Abwehrsubstanz produziert, z.B. von Brennnesseln und Quallen.
Stoffwechsel
Histamin entsteht im menschlichen Körper durch Decarboxylierung aus der Aminosäure Histidin. Die Umwandlung wird durch das Enzym Histidindecarboxylase (HDC) katalysiert. Histamin wird durch die Histamin-N-Methyltransferase (HNMT) zu N-Methylhistamin metabolisiert oder durch die Diaminooxidase in Imidazolessigsäure umgewandelt.
In Zellen, die größere Mengen Histamin enthalten (z.B. Mastzellen) wird Histamin intrazellulär in Vesikeln gespeichert, in denen es an Heparin gebunden ist.
Funktionen
Histamin ist ein potenter Mediator, der im Organismus eine Fülle von Folgereaktionen auslöst. Es entfaltet seine Wirkungen durch Bindung an membrangebundene Histamin-Rezeptoren. Man unterscheidet dabei H1-, H2-, H3- und H4-Rezeptoren. Die wichtigsten physiologischen Effekte, die in verschiedenen Geweben durch Ansprechen dieser Rezeptoren entstehen, sind im Folgenden aufgeführt.
Blutgefäße
Histamin löst über H1-Rezeptoren an den Blutgefäßen eine Vasodilatation und eine Erhöhung der Gefäßpermeabilität aus. Aufgrund der Gefäßerweiterung kommt es zu einer Senkung des arteriellen Blutdruckes und zu einer erhöhten Bildung von Adrenalin. Die Gefäßerweiterung führt ebenfalls zu einer Bildung von Ödemen der Haut und Schleimhaut. Typische Veränderungen der Haut durch Histamin sind Schwellungen (Blasen, Quaddeln), Rötungen und Juckreiz. Auch bei der Migräne oder anderen Kopfschmerzen kann die gefäßerweiternde Wirkung des Histamins eine Rolle spielen.
Bronchien
An den Bronchien führt Histamin – ebenfalls über H1-Rezeptoren – zu einer Bronchokonstriktion. Besondere Bedeutung hat Histamin deshalb bei der Pathophysiologie des allergischen Asthma bronchiale.
Magenschleimhaut
Histamin regt über eine Stimulation der H2-Rezeptoren der Parietalzellen der Magenschleimhaut eine erhöhte Sekretion von Magensäure an.
ZNS
Im zentralen Nervensystem (ZNS) wirkt Histamin als Neurotransmitter und beeinflusst über präsynaptische H3-Rezeptoren auch die Ausschüttung anderer Neurotransmitter. Es übt einen regulatorischen Einfluss auf noradrenerge, serotoninerge, cholinerge, dopaminerge und glutaminerge Neuronen aus. Seine vielfältigen Wirkungen sind Gegenstand intensiver Forschung und werden noch nicht vollständig verstanden. Unter anderem ist Histamin an der Auslösung des Erbrechens und an der Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt.
Pathologie
Eine körpereigene übermäßige Freisetzung von Histamin erfolgt bei entzündlichen, allergischen oder toxischen Prozessen, z.B. dem Mastzellaktivierungssyndrom, durch Koffein, Medikamente oder Alkohol und bei disponierten Patienten auch bei Hitze, Kälte, Berührung, sogar durch Wasser.
siehe auch: Histaminliberator, Histaminintoleranz
Krankhafte Reaktionen durch Histamin können zum Beispiel verursacht werden durch:
- Erhöhte Freisetzung infolge Zinkmangels oder mangelnder Bindungsfähigkeit an Heparin
- Die Einwirkung freier Radikale
- thermische oder mechanische Einflüsse
- Verminderten Histaminabbau durch einen Mangel an histaminabbauenden Enzymen (z.B. durch Alkohol oder Zigarettenrauch)
- Eine erhöhte Histaminzufuhr durch stark histaminhaltige Nahrungsmittel
- Medikamente (z.B. Opiate, Muskelrelaxantien)
- Röntgenkontrastmittel
- Nahrungsmittelzusatzstoffe, welche die Histaminausschütung anregen, wie beispielsweise Tartrazin (Farbstoff in Gummibärchen) oder Tyramin (in Käse, Hefe, Schokolade)
- Stress
Hohe Histaminkonzentrationen im Blut führen zu Blutdruckabfall, Bronchospasmus und Herzrhythmusstörungen, sehr hohe Konzentrationen können sogar einen Herzstillstand auslösen.
Pharmakologie
Zur Blockade der Effekte von Histamin stehen verschiedenste Antihistaminika zur Verfügung.
Histamin ist Bestandteil mancher Medikamente und liegt dort meist als Histamindihydrochlorid vor. Histamindihydrochlorid wird u.a. in der Allergiediagnostik als Positiv-Kontrolle beim Prick-Test genutzt.
Labordiagnostik
Die mittlere Serumkonzentration liegt zwischen 20 - 100 µg/l. Da Histamin im Blut in wenigen Minuten zu N-Methylhistamin metabolisiert wird, ist die Bestimmung von N-Methylhistamin im Urin bzw. Sammelurin besser geeignet, um die Histamin-Belastung zu evaluieren. Vor Blut- oder Urinabnahme müssen Nahrungsmittel mit hohem Histamingehalt vermieden werden.
siehe auch: Schmerzmediator