Mastzellaktivierungssyndrom
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Englisch: mast cell activation syndrome (MCAS), mast cell activation disease (MCAD)
Definition
Das Mastzellaktivierungssyndrom, kurz MCAS, ist eine Multisystemerkrankung mit einer entzündlich-allergischen Symptomatik, die durch eine Überaktivität von Mastzellen ausgelöst wird. Es ist abzugrenzen von der systemischen bzw. kutanen Mastozytose.
- ICD-10-Code: D89.4 (nur im internationalen ICD-10-CM)
Nomenklatur
Der Begriff "Mastzellaktivierungssyndrom" wird in der Literatur nicht immer im Sinn einer Krankheitsentität verwendet, sondern auch, um allgemein die Symptome einer erhöhten Mastzellaktivität (z.B. bei einer Mastozytose) zusammenzufassen.
Epidemiologie
Symptome
Da Mastzellen über 200 verschiedene Mediatoren ausschütten können, kann die Symptomatik sehr unterschiedlich sein.[2][3][4] Die Mehrzahl der Patienten hat gastrointestinale Symptome, da die Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts viele Mastzellen enthält. Es besteht eine Überschneidung mit Symptomen der Histaminintoleranz und der hereditären alpha-Tryptasämie.
Die meisten Patienten erleben eine schubweise Symptomatik. Häufig bestehen bestimmte Auslöser, z. B. histaminreiche Nahrung, Schlafmangel, Stress oder körperliche Anstrengung. Mögliche Symptome sind:
- Allgemeinsymptome: Fatigue, Fieber, Frösteln, Gewichtsverlust oder -zunahme, Lymphadenopathie, Allergien, Ödeme
- Neurologisch: Schwindel, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen, Depressionen, Parästhesien
- Kardiovaskulär: Brustschmerzen, Palpitationen, Tachykardie, Blutdruckabfall, Synkope, Posturales Tachykardiesyndrom (POTS), Angina allergica
- Gastrointestinal: Nausea, Erbrechen, Inappetenz, Sodbrennen, Blähungen, Bauchschmerzen, Bauchkrämpfe, Diarrhö, Obstipation, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Proctalgia fugax
- Pulmonal: Hustenreiz, Dyspnoe
- Dermatologisch: Flush, Pruritus, Pruritus ani, Urtikaria
- Urogenital: Pollakisurie, Dysurie, Urethritis, Zystitis (interstitielle Zystitis), Vaginitis, Schmerzen im kleinen Becken
- Muskuloskeletal: Myalgien, Arthralgien
- HNO: Rhinorrhoe, Rhinitis, Sinusitis, Neigung zu Aphthen, Globusgefühl bzw. Schluckbeschwerden, Räusperzwang, Otitis, Tinnitus
Die Symptomschwere kann von leichten Befindlichkeitsstörungen bis zu schweren, die Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit beeinträchtigenden Erkrankungen reichen.
Diagnostik
Die Anamnese gibt in der Regel bereits wesentliche Hinweise. Die Patienten haben häufig eine längere Leidensgeschichte mit unterschiedlichen Diagnosen verschiedener Fachdisziplinen oder werden als "psychisch überlagert" beschrieben. Nicht selten finden sich in der Krankengeschichte HNO-Eingriffe, z.B. an den Nasennebenhöhlen. Charakteristisch ist auch eine Hymenopterenallergie (Bienengiftallergie, Wespengiftallergie).
Die Zeit von den ersten Symptomen oder Anfällen bis zur Diagnose eines Mastzellaktivierungssyndromes beträgt häufig mehrere Jahre. Prodromi treten häufig schon in der Kindheit auf.
Labordiagnostik
- Histamin im Heparin-Vollblut
- Tryptase im Serum
- Chromogranin A im Serum
- N-Methylhistamin im Sammelurin
Weitere Laborparameter werden diskutiert, sind aber häufig nicht einfach verfügbar. Hierzu gehört z. B. Prostaglandin D2, das in den USA viel verwendet wird, in Deutschland aber unüblich ist.
Da Mastzellen auch Heparin ausschütten können, wird eine Messung der endogenen Heparinkonzentration ebenfalls zur Diagnosestellung eingesetzt, insbesondere bei Vorliegen einer Blutungssymptomatik.
Pathohistologie
In Gewebeproben der Magen- oder Darmschleimhaut finden sich häufig erhöhte Mastzellzahlen. Diese sind jedoch nur immunhistochemisch, z.B. durch CD117- oder CD25-Markierung, darstellbar.
Bei einer explizit im Rahmen einer Mastzellaktivierung vorgenommenen ÖGD oder Koloskopie wird eine Stufenbiopsie auch bei visuell unauffälliger Schleimhaut empfohlen.
Therapie
Basistherapie des Mastzellaktivierungssyndroms ist das Vermeiden individueller Auslöser der Erkrankung, falls diese bekannt sind. Dabei kann sich beispielsweise um bestimmte Lebensmittel oder andere Faktoren handeln.
Die medikamentöse Basistherapie besteht aus Cromoglicinsäure oral in Kombination mit einem H1- und einem H2-Antihistaminikum. Statt des H1-Antihistaminikums kann auch Ketotifen eingesetzt werden, das zusätzlich eine mastzellstabilisierende Wirkung hat. Begleitend sind hoch dosiertes Vitamin C (beschleunigt den Abbau von Histamin) und Quercetin, ein pflanzlicher Mastzellstabilisator, eine Therapieoption.
In der Therapieeskalation kommen Leukotrienantagonisten wie Montelukast oder Zileuton, Glukokortikoide oder monoklonale Antikörper wie Omalizumab zur Anwendung.
Falls eine Reaktion auf histaminreiche Nahrungsmittel besteht, kann das zugeführte Histamin durch die gleichzeitige Einnahme von Diaminoxidase als Nahrungsergänzungsmittel neutralisiert werden.
Literatur
- ↑ Molderings et al. Familial Occurrence of Systemic Mast Cell Activation Disease. PLoS ONE 8(9):e76241. 2013
- ↑ Molderings et al. Mast cell activation disease: a concise practical guide for diagnostic workup and therapeutic options. J Hematol Oncol 4, 10. 2011
- ↑ Afrin et al. Characterization of Mast Cell Activation Syndrome. Am J Med Sci. 353(3): 207–215. 2017
- ↑ Valent et al. Diagnosis, Classification and Management of Mast Cell Activation Syndromes (MCAS) in the Era of Personalized Medicine. Int J Mol Sci. 21, 9030. 2020
Weblinks
- Verband der Selbsthilfegruppen für Histaminintoleranz und MCAS
- Fortbildung Mastzellaktivierungssyndrom - Differentialdiagnostik zur Histaminintoleranz (Video)
- Lebensmittel-Verträglichkeitsliste der Schweizerischen Interessengemeinschaft Histamin-Intoleranz (SIGHI)