Monoklonaler Antikörper
Englisch: monoclonal antibody
Definition
Monoklonale Antikörper sind Antikörper, die von einer Zelllinie ("Zellklon") produziert werden, die auf einen einzigen B-Lymphozyten zurückgeht. Sie richten sich gegen ein bestimmtes, einzelnes Epitop.
Entstehung und Herstellung
Natürlicherweise entstehen monoklonale Antikörper paraneoplastisch im Rahmen einer monoklonalen Gammopathie. Dabei produziert eine maligne Plasmazellpopulation einen einzigen pathologischen Antikörper, ein so genanntes Paraprotein.
Sollen monoklonale Antikörper technisch oder medizinisch eingesetzt werden, bedient man sich dazu meist der Hybridom-Technik, bei der B-Lymphozyten, die den gewünschten Antikörper produzieren (und die z. B. aus einer Population stammen können, die polyklonale Antikörper herstellt), mit Myelomzellen fusioniert werden und so weiter kultiviert und vermehrt werden können. Diese Antikörper bilden die Grundlage der Antikörpertherapie. 1984 erhielten César Milstein, Georges Köhler und Niels Jerne den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für die Entwicklung der Hybridom-Technik.
Die Suche nach neuen monoklonalen Antikörpern wurde durch die Technik des Biopanning mit Hilfe des Phagen-Display-Ansatzes erheblich beschleunigt.
Einteilung
...nach Ursprungsorganimus
- Muriner Antikörper: 100 % Mausantikörper
- Chimärer Antikörper: Konstante Domänen der Mausantikörper wurden durch humane Sequenzen ersetzt.
- Humanisierter Antikörper: Konstante Domänen und variable Regionen, die nicht an der Antigenbindung beteiligt sind, wurden durch humane Sequenzen ersetzt.
- Humaner bzw. vollhumaner Antikörper: 100 % menschlicher Antikörper
...nach Spezifität
- monospezifischer Antikörper: bindet genau ein Epitop bzw. Antigen
- bispezifischer Antikörper: bindet zwei Epitope bzw. Antigene
- multispezifischer Antikörper: bindet mehrere Epitope bzw. Antigene
Nomenklatur
Therapeutisch eingesetzte monoklonale Antikörper werden nach der internationalen Namenskonvention für monoklonale Antikörper benannt. Dabei bezeichnen die einzelnen Silben ihres Namens u.a. das therapeutische Ziel und die Art des Antikörpers.
Bis 2017 war neben dem Anwendungsziel die Herkunftsquelle der Antikörper ("u" für humane Antikörper, "o" für murine Antikörper usw.) einen regulärer Namensbestandteil. Diese Systematik wurde 2017 ersatzlos aufgegeben.
Bis 2021 galt für monoklonale Antikörper der einheitliche Wortstamm "-mab". Er wurde 2021 durch eine differenziertere Nomenklatur mit vier möglichen Wortstämmen ersetzt.
Da zwischen dem Design monoklonaler Antikörper und ihrem therapeutischen Einsatz viel Zeit verstreicht, dauert es, bis diese neuen Namen im klinischen Alltag auftauchen. Monoklonale Antikörper, die vor den jeweiligen Nomenklaturänderungen entwickelt wurden, werden nach wie vor unter ihrem Ursprungsnamen geführt.
Die seit 2022 gültige Nomenklatur ist wie folgt aufgebaut:
Präfix | Ziel-Infix | Suffix | ||
---|---|---|---|---|
Bedeutung | Bedeutung | |||
Variabel | -ami- | Serumamyloid/Amyloidose | -bart | künstliche Antikörper |
-ba- | bakteriell | -ment | Antikörperfragment bzw. monospezifische Domänen | |
-ci- | kardiovaskulär | -mig | bi- oder multispezifische Antikörper | |
-de- | metabolisch oder endokrin | -tug | nicht modifizierte Antikörper | |
-eni- | Enzymhemmung | |||
-fung- | fungal | |||
-gro- | Wachstumsfaktoren und -rezeptoren(Skelettmuskel) | |||
-ki- | Zytokine und Zytokinrezeptoren | |||
-ler- | allergen | |||
-ne- | neural | |||
-os- | Knochen | |||
-pru- | immunsuppressiv | |||
-sto- | immunstimulierend | |||
-ta- | Tumor | |||
-toxa- | Toxin | |||
-vet- | veterinärmedizinisch | |||
-vi- | viral |
Beispiel:
- Crexa-vi-bart: Künstlicher antiviraler Antikörper
Medizinischer Einsatz
Monoklonale Antikörper können vielfältig medizinisch genutzt werden. Sie kommen sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie zum Einsatz, z.B. als Immunsuppressivum oder Rezeptorblocker.
Diagnostik
Viele diagnostische Verfahren beruhen auf der Verwendung von Antikörpern, z.B. Radioimmunoassays und ELISA in der Labormedizin oder immunhistochemische Verfahren in der Pathologie (u.a. Ber-EP4-Antikörper, Zytokeratin-Antikörper).
Die Verwendung monoklonaler Antikörper hat gegenüber polyklonalen Antikörpern den Vorteil, dass immer auf dieselbe Charge zurückgegriffen werden kann und die Ergebnisse damit besser reproduzierbar sind.
Darüber hinaus finden monoklonale Antikörper Anwendung in der In-vivo-Diagnostik. Beispiele sind:
- Arcitumomab: Diagnostik metastasierender Tumoren durch Erkennung von CEA
- Altumomab: Diagnostik des kolorektalen Karzinoms durch Erkennung von CEA
- Igovomab: Erkennt CA 125 (Diagnostik des Ovarialkarzinoms)
- Satumomab: Einsatz in der Tumordiagnostik durch Bindung an TAG-72 und 111In.
- Sulesomab: Erkennt Epitope von Granulozyten (Entzündungsdiagnostik)
- Votumumab: Diagnostik kolorektaler Tumoren
Therapie
Zunehmend werden monoklonale Antikörper auch zur Therapie von Erkrankungen verwandt. Hier macht man sich zunutze, dass Antikörper sehr spezifisch bestimmte Moleküle (z. B. Rezeptoren) binden und damit blockieren können. Therapeutisch genutzte monoklonale Antikörper werden auch als Biologika bezeichnet.
Name | Target bzw. Wirkung |
---|---|
A | |
Abciximab | Thrombozytenaggregationshemmung durch Bindung von GPIIb/IIIa |
Aducanumab | Bindet an β-Amyloid. Therapie der Alzheimer-Krankheit |
Adalimumab | Erkennt TNF-Alpha (Behandlung der rheumatoiden Arthtitis, der Psoriasis), des Morbus Bechterew und des Morbus Crohn |
Alemtuzumab | Behandlung der ALL, der CLL und von T-Zell-Lymphomen durch CD52-Bindung. Ebenso wird es zur Eskalationstherapie der Multiplen Sklerose eingesetzt. In dem Zusammenhang der neuen Nutzung wurde die Zulassung für die Therapie der CLL zurückgezogen. |
Anifrolumab | Bindet an den Interferon-α/β-Rezeptor (IFNAR). Behandlung des systemischen Lupus erythematodes (SLE) |
Atezolizumab | Checkpoint-Inhibitor, der an PD-L1 bindet. Therapie des NSCLC |
Avelumab | Checkpoint-Inhibitor, der an PD-L1 bindet. Therapie des Merkelzellkarzinoms |
B | |
Basiliximab | Erkennt CD25 (Prophylaxe der Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantation) |
Benralizumab | Therapie bei eosinophilem Asthma durch Bindung an Interleukin-5-Rezeptor |
Bevacizumab | Behandlung verschiedener Tumoren durch VEGF-Bindung |
Bimekizumab | Bindet an IL-17A und F. Therapie der Psoriasis |
Brolucizumab | Therapie der feuchten Makuladegeneration |
C | |
Canakinumab | Bindet IL-1beta, Interleukin-Inhibitor |
Caplacizumab | Bindet an den von-Willebrand-Faktor, Behandlung der aTTP |
Catumaxomab | Bindet an EpCAM-Antigen (Behandlung des malignen Aszites) |
Claudiximab | Bindet an Claudin-18, Behandlung gastrointestinaler Adenokarzinome |
Cemplimab | Checkpoint-Inhibitor, der an PD-1 bindet |
Cetuximab | Behandlung verschiedener Tumoren durch EGF-Bindung |
D | |
Daclizumab | Erkennt CD25 (Prophylaxe der Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantation) |
Daratumumab | Bindet an den Oberflächenmarker CD38, Behandlung des Multiplen Myeloms |
Denosumab | Erkennt RANKL (Behandlung der Osteoporose) |
Dostarlimab | Checkpoint-Inhibitor, der an PD-1 bindet |
Dupilumab | Richtet sich gegen den Interleukin-4-Rezeptor, indiziert bei atopischer Dermatitis, Asthma bronchiale und bei chronischer Rhinosinusitis mit Nasenpolypen (CRSwNP) |
Durvalumab | Checkpoint-Inhibitor, der an PD-L1 bindet |
E | |
Eculizumab | Therapie der PNH durch Bindung von Komplementfaktor C5 |
Efalizumab | Erkennt CD11a (Behandlung der Psoriasis), nicht mehr zugelassen |
Emicizumab | Ahmt die Funktion des Faktor VIII nach, Behandlung der Hämophilie A |
Enlimomab | Erkennt ICAM-1, experimenteller Einsatz als Immunsuppressivum |
Epratuzumab | Behandlung der ALL, von Non-Hodgkin-Lymphomen und von Autoimmunerkrankungen durch CD22-Bindung |
Evolocumab | Hemmung des Enzyms Proprotein Convertase Subtilisin-Kexin Typ 9 (PCSK9), Behandlung der Hypercholesterinämie |
F | |
Fremanezumab | Bindet an CGRP, Migräneprophylaxe |
G | |
Galiximab | Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen durch CD80-Bindung |
Gemtuzumab-Ozogamicin | Bindet an CD33-Antigen, zytotoxisches Prinzip ist Calicheamicin (Indikation: AML) |
Golimumab | Erkennt TNF-Alpha (Behandlung der rheumatoiden Arthtitis und der Psoriasis-Arthritis) |
Guselkumab | Behandlung der Plaque-Psoriasis |
I | |
Ibritumomab-Tiuxetan | Erkennt CD20 (Radioimmuntherapie von Non-Hodgkin-Lymphomen) |
Idarucizumab | Bindet spezifisch das Antikoagulans Dabigatran |
Inebilizumab | Bindet an CD19 auf B-Zellen |
Infliximab | Erkennt TNF-Alpha (Behandlung der Psoriasis) |
Ipilimumab | Checkpoint-Inhibitor, der an CTLA-4 bindet |
Isatuximab | Bindet an den Oberflächenmarker CD38, Behandlung des Multiplen Myeloms (siehe Daratumumab) |
L | |
Lanadelumab | Bindet an Plasmakallikrein (Prophylaxe des hereditären Angioödems) |
Ligelizumab | Bindet an IgE (Indikation: chronische spontane Urtikaria) |
Lumiliximab | Bindet an CD23 (Indikation: CLL, Entwicklung eingestellt) |
M | |
Mepolizumab | Behandlung der eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis und bei schwerem eosinophilem Asthma durch IL5-Bindung |
Muromonab-CD3 | Erkennt CD3 (Behandlung akuter Abstoßungsreaktionen nach Transplantationen) |
Motavizumab | Bindet an RSV-Antigene (Prophylaxe der RSV-Pneumonie bei Frühgeborenen) |
N | |
Natalizumab | Behandlung der multiplen Sklerose durch CD49d-Bindung |
Nirsevimab | Prophylaxe von RSV-Infektionen bei Frühgeborenen und Kleinkindern |
Nivolumab | PD-1-Inhibitor (Metastasiertes Melanom) |
O | |
Obinutuzumab | Erkennt CD20 (Behandlung der CLL) |
Ocrelizumab | Bindet an CD20; Behandlung der MS |
Ofatumumab | Erkennt CD20 (Behandlung der CLL) |
Omalizumab | Bindung an IgE (Indikationen: Schweres allergisches Asthma bronchiale, chronische spontane Urtikaria) |
Oregovomab | Behandlung des Ovarialkarzinoms durch Bindung von CA-125 |
P | |
Palivizumab | Bindet an RSV-Antigene (Prophylaxe der RSV-Pneumonie bei Frühgeborenen) |
Panitumumab | Neutralisiert den EGF-Rezeptor (Behandlung verschiedener Tumoren) |
Pembrolizumab | Bindet an den PD-1-Rezeptor von T-Zellen und bewirkt so eine Immunstimulation (zur Behandlung des metastasierten Melanoms und des NSCLC) |
Pertuzumab | Bindung an HER2/neu (experimenteller Einsatz in Studien) |
R | |
Ranibizumab | Behandlung der feuchten Makuladegeneration durch VEGF-A-Bindung |
Ramucirumab | Bindet an den VEGF-Rezeptor vom Typ 2 (metastasiertes Magenkarzinom) |
Ravulizumab | Behandlung der PNH. Bindet an den Komplementfaktor C5 |
Reslizumab | Therapie bei eosinophilem Asthma durch Bindung an Interleukin-5 |
Rituximab | Erkennt CD20 (Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen) |
Risankizumab | Bindet selektiv an Interleukin-23A |
Romosozumab | Behandlung der Osteoporose durch Sclerostin-Bindung |
S | |
Satralizumab | Behandlung der Neuromyelitis optica - bindet an IL-6R |
Secukinumab | Bindet selektiv an Interleukin-17A |
Spartalizumab | Checkpoint-Inhibitor - bindet an den PD-1-Rezeptor von T-Zellen |
Sutimlimab | Komplementinhibitor, hemmt den Komplementfaktor C1s |
T | |
Telimomab | Wirkt immunsuppressiv |
Teprotumumab | Bindet an den IGF-1-Rezeptor (endokrine Orbitopathie) |
Tezepelumab | Neutralisiert TSLP (Asthma bronchiale, atopische Dermatitis) |
Tildrakizumab | Bindet selektiv an Interleukin-23. Behandlung der Psoriasis. |
Tislelizumab | Checkpoint-Inhibitor, der an PD-1 bindet |
Tocilizumab | Immunsuppression bei rheumatoider Arthritis durch Interleukin-6-Bindung |
Tositumomab | Erkennt CD20 (Radioimmuntherapie von Non-Hodgkin-Lymphomen) |
Trastuzumab | Bindung an HER2/neu (Magenkarzinom, Mammakarzinom) |
U | |
Ustekinumab | Behandlung der Plaque-Psoriasis durch Neutralisierung von Interleukin 12 bzw. Interleukin 23 |
Z | |
Zanolimumab | Bindung an CD4 (In Studien eingesetzt bei T-Zell-Lymphomen) |
Forschung
Auch in der Forschung werden monoklonale Antikörper häufig eingesetzt, da sie mit einer hohen Spezifität eine Vielzahl an Molekülen binden können. Beispiele sind Western Blots, FACS und Magnetic Bead Assays.
Präanalytik
Wenn ein Patient einen monoklonalen Antikörper erhalten hat und anschließend eine Serumeiweißelektrophorese durchgeführt wird, kann der injizierte Antikörper als M-Gradient erscheinen.
Quellen und Literaturhinweise
- A. F. Ochsenbein. "Monoklonale Antikörper als therapeutische Substanzen", Schweiz Med Forum. 2008;8(8):140–143
- Access Excellence: Monoclonal Antibody Technology - The Basics
- Wikipedia-Artikel zu monoklonalen Antikörpern
- Flash-Animation zu monoklonalen Antikörpern
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