Tocilizumab
Handelsnamen: RoActemra®, Actemra®, Tyenne®
Definition
Tocilizumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-6-Rezeptor (IL-6R), der als Immunsuppressivum bei rheumatoider Arthritis (RA) und anderen Indikationen eingesetzt wird. Er gehört zu den sogenannten Biologicals.
Chemie
Tocilizumab ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper. Sein Molekulargewicht beträgt ca. 145 kDa.
Wirkmechanismus
Im Normalfall bindet Interleukin-6 an seinen löslichen Rezeptor sIL-6R. Die Bindung des gebildeten Komplexes an das membrangebundene Glykoprotein gp130 löst eine intrazelluäre Immunantwort-Kaskade aus.
Tocilizumab bindet an den Interleukin-6-Rezeptor, was die Komplexbildung verhindert und damit die Kaskade inflammatorischer Signale blockiert.
Pharmakokinetik
Das Verteilungsvolumen im steady state beträgt 7,07 Liter. Die Elimination erfolgt biphasisch. Die Plasmahalbwertszeit ist konzentrationsabhängig und beträgt zwischen 6 und 18 Tagen.[1]
Indikationen
Rheumatoide Arthritis
Tocilizumab wird in Kombination mit Methotrexat (MTX) oder als Monotherapie zur Behandlung erwachsener Patienten mit mittelschwerer bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis (RA) eingesetzt, die auf Basistherapeutika (DMARDs) oder TNF-Inhibitoren nicht angesprochen haben.
Morbus Still
Tocilizumab ist allein oder in Kombination mit Methotrexat zur Behandlung der systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA, Morbus Still) bei Kindern ab zwei Jahren zugelassen.
Riesenzellarteriitis
Seit 2017 ist Tocilizumab in der EU zur Behandlung der Riesenzellarteriitis zugelassen.
Zytokin-Freisetzungs-Syndrom
Tocilizumab ist seit 2017 in den USA zur Behandlung des Zytokin-Freisetzungssyndroms (cytokine-release Syndrome, CRS) zugelassen, das im Rahmen der CAR-T-Zell-Therapie, z.B. mit Tisagenlecleucel auftreten kann. Vor Beginn der CAR-T-Zell-Therapie ist sicherzustellen, dass mindestens vier Dosen Tocilizumab in einer Notfallausrüstung vorhanden sind. [2]
COVID-19
Bei der durch SARS-CoV-2 ausgelösten Infektionskrankheit COVID-19 spielt eine erhöhte Interleukin-6-Konzentration vermutlich eine wichtige pathophysiologische Rolle. Daher wurde im Dezember 2021 die therapeutische Anwendung von Tocilizumab bei Erwachsenen mit schwerer COVID-19-Infektion zugelassen.
Darreichungsform
Tocilizumab wird intravenös oder subkutan verabreicht. Es sind sowohl fertige Injektionslösungen in Durchstechflaschen als auch Konzentrate zur Herstellung einer Infusionslösung erhältlich.
Dosierung
Die empfohlene Dosierung beträgt 8 mg/kgKG, einmal alle vier Wochen. Dosierungen von mehr als 800 mg pro Infusion werden nicht empfohlen.[1] Die Dosierung ist u.U. anzupassen (z.B. bei Leberenzymabweichungen, Neutropenie, Thrombozytopenie, Kindern und Jugendlichen). Genaue Anweisungen sind in der Fachinformation zu finden.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
- Überempfindlichkeitsreaktionen
- Kopfschmerzen
- Reaktivierung latenter Infektionen wie Hepatitis
- Erhöhte Infektanfälligkeit
- Hypertonie
- Gastroenteritis
- Schwindel
- Erhöhung der Transaminasen (ALAT)
- Hautreaktionen
- Verschlechterung einer bestehenden Psoriasis[3]
- Anaphylaxie[4]
Wechselwirkungen
Folgende Wechselwirkungen sind bekannt:[1]:
- IL-6 unterdrückt die Ausbildung von Cytochrom-P450-Enzymen (u.a. CYP3A4, CYP1A2 und CYP2C9). Bei Anwendung von Tocilizumab ist eine Normalisierung der CYP-Konzentration zu erwarten. Bei Therapie mit CYP-Substraten ist gegebenenfalls eine Konzentrationsanpassung nötig.
- Simvastatin: Die Simvastatin-Spiegel sind nach Tocilizumab-Gabe erniedrigt.
Kontraindikation
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
- Schwangerschaft, eine Verhütung während der Einnahme ist obligat.
- Schwere, aktive Infektionen
Nutzenbewertung
Laut dem Abschlussbericht "Biologika - Zweitlinientherapie bei rheumatoider Artrithis" des IQWiG gibt es für Tocilizumab einen Hinweis auf einen Zusatznutzen hinsichtlich der Remission oder Symptomatik der rheumatoiden Arthritis.[5]
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Fachinformation zu RoActemra® i.v.
- ↑ Gräfe, Kerstin und Mende, Anette: Zwei Innovationen gegen Leukämie. In: Pharmazeutische Zeitung, 2018, Heft 40, S.18ff.
- ↑ Tocilizumab (RoActemra®) und das Auftreten von Psoriasis (UAW-News International); Deutsches Ärzteblatt, Jg. 111, Heft 14, 04.04.2014
- ↑ Rote-Hand-Brief zu RoActemra®
- ↑ Abschlussbericht des IQWiG über Biologika in der Therapie der rheumatoiden Arthritis
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