(Weitergeleitet von Kopfschmerzen)
Synonyme: Cephalgie, "Kopfweh"
Englisch: headache
Kopfschmerz ist ein neurologisches Schmerzphänomen im Bereich des Kopfes. Der Begriff "Kopfschmerz" bezeichnet zunächst nur ein Symptom, kann aber durch entsprechende Zusätze auch als Diagnose verwendet werden (z.B. "Spannungskopfschmerz").
Kopfschmerzen gehören zu den häufigsten Schmerzsyndromen. Laut einer Studie erfüllen 27% der Deutschen die Kriterien einer Migräne und 38% die von Spannungskopfschmerzen.[1] Weltweit wird geschätzt, dass ca. 47% der Menschen im Erwachsenenalter an einer Kopfschmerzerkrankung leiden, dabei ungefähr 10% an einer Migräne, 38% an Spannungskopfschmerz und etwa 3% an chronischen Kopfschmerzen (mindestens 15 Tage im Monat).[2] Eine weitere Metaanalyse kommt zum Ergebnis, dass die 1-Jahres-Prävalenz für Kopfschmerzen 46% und die Lebenszeitprävalenz 64% beträgt. Dabei zeigt die Prävalenz der Migräne in Europa und Nordamerika deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: 5 bis 9% bei Männern, 12 bis 25% bei Frauen.
Beim Spannungskopfschmerz fanden sich keine Geschlechterpräferenzen, jedoch deutliche regionale Unterschiede: Von 11% in Singapur über 20-40% in USA bis hin zu über 80% in Dänemark. Jedoch betonen die Autoren eine ggf. bestehende Abhängigkeit der Daten von der Methode der Datensammlung (höchste Werte in Studien mit persönlicher Befragung des Studienkollektivs).[3]
Neben ausgeprägtem individuellem Leiden und reduzierter Lebensqualität sorgen Kopfschmerzen für hohe direkte und indirekte Kosten für das Gesundheitssystem.
Große Teile des Gehirns sind nicht schmerzempfindlich. Grundsätzlich können Schmerzen durch zwei Wege entstehen:
Die für die Entstehung von primären Kopfschmerzen entscheidenden Strukturen sind wahrscheinlich:
Bei vielen Kopfschmerzformen wird je nach Frequenz der Attacken eine episodische von einer chronischen Form unterschieden. Von einem chronischen täglichen Kopfschmerz (chronic daily headache, CDH) spricht man, wenn ein Patient an über 15 Tagen im Monat Schmerzen aufweist. Hierbei handelt es sich nicht um eine selbstständige Entität, sondern um einen Begriff, der verschiedene Kopfschmerzformen zusammenfasst.[4]
In der 2018 erschienenden 3. Auflage der ICHD-Klassifikation der International Headache Society (IHS) wird zwischen primären und sekundären Kopfschmerzen differenziert sowie eine weitere Einteilung in insgesamt 14 Gruppen mit über 367 Kopfschmerzformen vorgenommen.[5] Dabei machen Spannungskopfschmerzen und Migräne über 92% aller Kopfschmerzleiden aus.
Bei der Migräne handelt es sich um einen meist in episodischen Attacken von 4 bis 72 Stunden auftretenden, pulsierenden, pochenden, meist einseitigen Kopfschmerz mit Verstärkung durch körperliche Aktivität, Licht- und Lärmüberempfindlichkeit, Übelkeit und Erbrechen. Die Kopfschmerzen können durch individuelle Trigger ausgelöst und verstärkt werden. Häufig vorkommende Triggerfaktoren sind Hunger, Stress, Luftdruckveränderungen, hormonelle Schwankungen im Rahmen der Menstruation, Schlafmangel oder Übermaß an Schlaf und Alkohol. In ca. 30% der Fällen haben die Patienten Auraphänomene, d.h. transiente fokal-neurologische Symptome (z.B. Fortifikationen), die vor den oder während den Kopfschmerzen auftreten. Desweiteren kann die Migräne auch chronisch auftreten, also an mindestens 15 Tagen pro Monat über mindestens 3 Monate. Als Status migraenosus wird eine länger als drei Tage anhaltende Migräneattacke bezeichnet.
Spannungskopfschmerzen sind die häufigste Form von Kopfschmerzen, wobei man eine episodische von einer chronischen Form unterscheidet. Die Schmerzen sind typischerweise bifrontal oder ringförmig holozephal, dumpf drückend, von leichter Intensität und ohne Begleiterscheinungen wie Erbrechen oder Lichtempfindlichkeit.
Zu den trigeminoautonomen Kopfschmerzen zählen sowohl der Clusterkopfschmerz, die paroxysmale Hemikranie, die Hemicrania continua sowie das SUNCT- (short-lasting unilateral neuralgiform headache attacks with conjunctival injection and tearing) und das SUNA-Syndrom (short-lasting unilateral neuralgiform headache attacks with cranial autonomic symptoms). Gemeinsame Merkmale sind einseitige, kurze, heftige Kopfschmerzattacken mit ipsilateralen, kranialen parasympathischen Symptomen (Lakrimation, konjunktivale Injektion, nasale Kongestion).
Zur vierten Gruppe der primären Kopfschmerzen zählen:
Hierzu zählen z.B. Kopfschmerzen nach einem Schädel-Hirn-Trauma, Schleudertrauma oder nach einer Kraniotomie.
Bei einigen Störungen werden die Kopfschmerzen durch fokal-neurologische Symptome und/oder Bewusstseinsstörungen überschattet (z.B. beim Hirninfarkt). In anderen Situationen stehen die Kopfschmerzen im Vordergrund, z.B. bei der Subarachnoidalblutung. Hierbei zeigen sich oft akut einsetzende, sehr starke Kopfschmerzen mit Meningismus jedoch ohne Fieber. Oft sind Kopfschmerzen auch ein Warnsymptom, wie bei einer Gefäßdissektion, einer Hirnvenenthrombose oder einer temporalen Riesenzellarteriitis.
Hierunter fallen Kopfschmerzen, die durch Veränderungen des intrakraniellen Drucks verursacht werden. Dabei kann sowohl ein Liquorüberdruck (z.B. idiopathische intrakranielle Hypertension) als auch ein -unterdruck (z.B. postpunktioneller Kopfschmerz) pathophysiologisch zu Grunde liegen. Weitere Ursachen sind u.a. entzündliche Erkrankungen (z.B. Neurosarkoidose), zerebrale Krampfanfälle und intrakraniale Neoplasmen. Bei einem Gehirntumor zeigen nur ca. 30% der Patienten Kopfschmerzen, die meist als intermittierend auftretend und dumpf beschrieben werden. Sie können sich durch Anstrengung oder Lageänderung verschlechtern und mit Übelkeit einhergehen. Typischerweise treten sie nach dem Aufwachen auf. Charakteristisch für Tumore der hinteren Schädelgrube ist wochenlanges Erbrechen, das den Kopfschmerzen zeitlich vorausgeht. Bei Hinweisen auf eine Amenorrhö oder Galaktorrhö, sollte ein Prolaktinom als Kopfschmerzursache ausgeschlossen werden. Wenn bereits ein Malignom bekannt ist, deuten neu auftretende Kopfschmerzen auf zerebrale Metastasen oder eine Meningeosis neoplastica hin.
Zu dieser Gruppe zählt die wohl häufigste sekundäre Form: Kopfschmerz bei Analgetikaübergebrauch (medikamenteninduzierter Kopfschmerz). Entscheidend ist, dass die Einnahme häufig und regelmäßig ist (per definitionem ≥ 15 Tage/Monat für ≥ 3 Monate). Eine Vielzahl von Substanzen, wie Stickoxid-Donatoren (z.B. Nitroglycerin) oder Histamin, können unmittelbar Kopfschmerzen auslösen. Im Allgemeinen sind Patienten, die unter Migräne oder chronische Spannungskopfschmerzen leiden hierfür empfänglicher, insbesondere bei regelmäßiger Einnahme von Triptanen oder Ergotamin. Auch verzögert durch Alkohol induzierte Kopfschmerzen ("Katerkopfschmerz"), durch Kokain ausgelöste sowie mit dem Entzug einer Substanz (z.B Koffein, Opioid, Östrogene) in Zusammenhang stehende Kopfschmerzen gehören zu dieser Gruppe.
Kopfschmerzen sind ein häufiges Begleitsymptom von systemischen viralen Infektionen oder einer Sepsis. Bei einer intrakranialen Infektion (z.B. Meningitis) sind sie sogar das häufigste Symptom. Typischerweise zeigt sich eine Meningitis mit akut einsetzenden, starken Kopfschmerzen, Fieber und Meningismus.
Zu dieser Gruppe von sekundären Kopfschmerzformen zählen u.a. Höhen- und Taucherkopfschmerz, Kopfschmerzen im Zusammenhang mit einer Hypertonie bzw. hypertensiven Krise oder Kopfschmerzen, die auf eine Hypothyreose zurückzuführen sind. Auch der Dialysekopfschmerz kann hier eingeordnet werden.
Hierunter werden Kopfschmerzen klassifiziert, die zurückzuführen sind auf Erkrankungen des Schädels sowie von Hals, Augen, Ohren, Nase, Nebenhöhlen, Zähnen, Mund und anderen Gesichts- oder Schädelstrukturen. Dazu zählen z.B. temporomandibuläre Erkrankungen, eine Parodontitis, eine Dysgnathie, eine Rhinosinusitis, ein akutes Glaukom und andere Sehstörungen sowie der Vakuum-Kopfschmerz. Sie erzeugen oft einen übertragenen Schmerz ("referred pain").
Weiterhin können Kopfschmerzen auf eine Störung der Halswirbelsäule und der zugehörigen Komponenten (Knochen, Wirbel, Weichteilgewebe) zurückgeführt werden (zervikogener Kopfschmerz z.B. beim HWS-Syndrom oder bei einer Skoliose). Charakteristisch sind einseitige Schmerzen ohne regelmäßiges zeitliches Muster bei eingeschränkter Beweglichkeit der Halswirbelsäule und zum Teil mit Begleiterscheinungen (Schwindel, Übelkeit, Sehstörungen). Jedoch werden Schmerzen, die in Zusammenhang stehen mit einem myofasziales Schmerzsyndrom, meist den Spannungskopfschmerzen zugeordnet.
Bei der Mehrzahl der Kopfschmerzen, die mit einer psychiatrischen Störung auftreten, besteht kein kausaler Zusammenhang, sondern nur eine Komorbidität. In einigen Fällen lassen sich jedoch die Kopfschmerzen einer Somatisierungsstörung oder einer psychotischen Störung zuordnen.
In der dritten Hauptgruppe werden Erkrankungen wie die Trigeminusneuralgie und Trigeminusneuropathie, Schmerzen durch andere Hirnnervenstörungen oder zentrale neuropathische Schmerzen durch Multiple Sklerose subsumiert.
Diagnose | Charakteristika |
---|---|
Spannungskopfschmerz |
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Migräne |
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Clusterkopfschmerz |
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Zervikogener Kopfschmerz |
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Bei folgenden Warnsymptomen, sogenannten "Red Flags" muss eine umgehende Diagnostik erfolgen, um abwendbar gefährliche Erkrankungen schnell zu erkennen:
Die American Headache Society (AHS) hat für die bessere Erinnerbarkeit der Red Flags das Akronym "SSNOOP" geprägt.
Treten bei einem Patienten erstmals schwere Kopfschmerzen auf, unterscheiden sich die möglichen Differenzialdiagnosen deutlich von denen eines Patienten mit seit Jahren rezidivierenden Kopfschmerzen. Die ausführliche Anamnese und vollständige neurologische Untersuchung incl. Blutdruckmessung stellen den ersten Schritt der klinischen Evaluation dar.
Je nach Verdachtsdiagnose schließt sich an die neurologische Untersuchung eine kraniale Bildgebung an. Mögliche Untersuchungsmethoden sind:
Die Wahl der geeigneten Untersuchungsmethode ist abhängig von der Verdachtsdiagnose und der Verfügbarkeit.
Eine Lumbalpunktion mit anschließender Liquoruntersuchung wird bei Verdacht auf ein entzündliches, infektiöses oder malignes Geschehen durchgeführt.
Je nach Kopfschmerztyp und Ursache ergeben sich unterschiedliche therapeutische Ansätze. Während bei sekundären Kopfschmerzen die Beseitigung der auslösenden Faktoren Therapieziel ist, stehen pei primären Kopfschmerzen eine Veränderung der Lebensführung (z.B. Ausdauertraining, Entspannungstechniken) und die Gabe von Analgetika im Vordergrund. Zu den eingesetzten Substanzen zählen
Diese Seite wurde zuletzt am 6. Mai 2020 um 13:35 Uhr bearbeitet.
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