von lateinisch: nocere - schaden
Synonyme: Schmerzrezeption, Schmerzwahrnehmung
Englisch: nociception
Unter Nozizeption versteht man die Wahrnehmung von Schmerzen. Die für diesen Vorgang verantwortlichen Rezeptoren nennt man Nozizeptoren. Als freie Nervenendigungen der sensiblen Neurone des Rückenmarks kommen Nozizeptoren in allen schmerzempfindlichen Geweben des Körpers vor.
Nozizeption und Schmerz sind 2 verschiedene Entitäten:
Nozizeption ist ohne Schmerz möglich, organischer Schmerz aber niemals ohne Nozizeption.
Abhängig von ihrer Lokalisation sind Nozizeptoren Auslöser unterschiedlicher Schmerzarten:
Als Oberflächenschmerz wird der Schmerz bezeichnet, der von oberflächlich in der Haut gelegenen Nozizeptoren wahrgenommen wird. Die Schmerzlokalisation ist eindeutig dem geschädigten Gebiet zuzuordnen.
Der Tiefenschmerz untergliedert sich je nach Lage der Nozizeptoren in:
Der Tiefenschmerz ist deutlich schlechter lokalisierbar. Dies liegt an der unterschiedlichen Fasercharakteristik und den unterschiedlichen Projektionsgebieten der Schmerzfasern (s.u.).
Bei viszeralen Schmerzen liegt die Lokalisation der Nozizeptoren innerhalb der inneren Organe. Klassische Beispiele sind Nieren- oder Gallenkoliken, die durch Dehnungsreize der glatten Muskulatur hervorgerufen werden.
Histologisch lassen sich Nozizeptoren aufgrund unterschiedlicher Fasereigenschaften klassifizieren in C-Fasern und Aδ-Fasern.
C-Fasern, die auch als Klasse-IV-Fasern bezeichnet werden, sind unmyelinisiert, ihre Ummantelung durch Schwann-Zellen ist stellenweise unterbrochen. Ihre Leitungsgeschwindigkeit ist daher mit 1m/s nur sehr gering.
Aδ-Fasern sind dünn myelinisiert. Ihre Leitungsgeschwindigkeit ist mit bis zu 30 m/s schneller als die der C-Fasern.
Bei der Schmerzwahrnehmung als Antwort auf eine oberflächliche Gewebsschädigung lassen sich aufgrund der unterschiedlichen Faserqualitäten auch zwei verschiedene Schmerzsensationen unterscheiden. Diese sind auf die unterschiedlichen Leitungseigenschaften der Nozizeptoren zurückzuführen. Als erste Antwort erfolgt der frühe "helle" Schmerz, der schnell leitenden Aδ-Fasern. Danach tritt der durch die C-Fasern vermittelte späte "dumpfe" Schmerz auf.
Durch C-Fasern wird auch der als dumpf empfundene Tiefenschmerz hervorgerufen.
Oberflächliche C-Fasern im Übergangsbereich von Epidermis und Dermis mediieren den bei Dermatosen (z.B. Psoriasis) als eines der Hauptsymptome auftretenden pruritozeptiven Pruritus.
Jedem Nozizeptor lässt sich ein spezifisches Gebiet (rezeptives Feld) zuweisen, innerhalb dessen schmerzauslösende Reize zur Entstehung eines Aktionspotentials führen.
Nozizeptoren sind für unterschiedliche Reizmodalitäten sensibel. Gemäß ihres Ansprechverhaltens unterscheidet man:
Die neuronale Transduktion der Nozizeptoren erfolgt auf Grundlage verschiedener Ionenkanäle der Nozizeptormembran. Jeder Kanal ist spezifisch für bestimmte Reize. Die Exposition gegenüber einem schmerzauslösenden Reizes bewirkt die Öffnung des jeweiligen Kanals. Es kommt zum Einstrom von Kationen (Na+, Ca2+) und somit zu einer intrazellulären Änderung des Ionenmilieus. Spannungsabhängig öffnen sich Natriumkanäle, es kommt zur Depolarisation.
Innerhalb der Schmerztherapie lässt sich die Sensibilisierung der Nozizeptoren durch nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAR) abdämpfen. NSAR hemmen als unspezifische Inhibitoren der Cyclooxigenase (COX-1 und COX-2) die Prostaglandinsynthese.
Die Weiterleitung des Aktionspotentials erfolgt über den Dendriten des sensiblen Neurons (1. Neuron; pseudounipolares Neuron). An der Gabelung von Dendrit und Axon (Crus commune) wird es unter Umgehung des Perikaryons direkt auf das Axon weitergeleitet, welches in das Hinterhorn des Rückenmarks (Cornu posterius medullae spinalis) eintritt. Hier erfolgt in den Schichten I-III (Laminae spinales I-III) der grauen Substanz (Substantia grisea) die Umschaltung auf das zweite Neuron.
Gemeinsam ziehen die Schmerzafferenzen des Rückenmarks im Vorderseitenstrang (Tractus anterolaterales/Lemniscus spinalis) zu supraspinalen Zentren, in denen reflektorisch körperliche Reaktionen ausgelöst (Formatio reticularis), der Schmerz affektiv bewertet (limbisches System) und die Lokalisation (somatosensorischer Cortex) ermöglicht wird. Höhere Hirnzentren sind durch deszendierende antinozizeptive Bahnen umgekehrt auch zur Beeinflussung der Schmerzwahrnehmung (Schmerzmodulation) befähigt.
Fachgebiete: Anästhesiologie, Physiologie
Diese Seite wurde zuletzt am 7. Oktober 2020 um 15:34 Uhr bearbeitet.
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