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Rückenmark

Synonyme: Medulla spinalis, Myelon
Englisch: spinal cord, spinal marrow, spinal medulla

1. Definition

Das Rückenmark (Medulla spinalis) ist ein Teil des zentralen Nervensystems (ZNS), das innerhalb der Wirbelsäule im Spinalkanal verläuft. Es ist eine Verbindungsstruktur zwischen den Nerven der Körperperipherie und dem Gehirn.

Schemazeichnung des Gehirns

2. Anatomie

2.1. Aufbau

Im Rückenmark sind die Nervenfasern und die Perikaryen der afferenten und efferenten Nervenzellen des ZNS angesiedelt. Es ist segmental aufgebaut. Von kranial nach kaudal unterteilt man die Rückenmarkssegmente in:

Das Kokzygealmark (Pars coccygis medullae spinalis) ist beim Menschen nur rudimentär ausgebildet. Es ist mit einem Segment (Co1) repräsentiert.

Im Bereich des Zervikalmarks und des Lumbalmarks weist das Rückenmark eine makroskopisch sichtbare Dickenzunahme auf, die durch die in diesen Bereichen erhöhte Nervenzelldichte bedingt ist. Die beiden Abschnitte bezeichnet man als Intumescentia cervicalis und Intumescentia lumbosacralis.

An der Ventralfläche des Rückenmarks läuft von oben nach unten eine Furche, die Fissura mediana anterior. Auf der Dorsalfläche sieht man ebenfalls eine flache, längs ausgerichtete Einsenkung, den Sulcus medianus posterior. Die gedachte Verbindungslinie durch diese beiden Strukturen markiert die Symmetrieebene des Rückenmarks. Auf beiden Seiten des Rückenmarks lassen sich drei Stränge ausmachen:

Der Vorderstrang befindet sich paramedian der Fissura mediana anterior, der Seitenstrang zwischen dem Vorder- und Hinterstrang. Vorder- und Seitenstrang sind nicht klar voneinander abgrenzbar und werden deshalb häufig als Vorderseitenstrang (Funiculus anterolateralis) zusammen gefasst.

Zwischen dem Hinter- und Seitenstrang treten im Sulcus lateralis posterior die Radices posteriores (Hinterwurzeln) der Spinalnerven aus dem Rückenmark aus. Die Radices anteriores (Vorderwurzeln) verlassen das Rückenmark zwischen dem Seiten- und dem Vorderstrang im Sulcus lateralis anterior.

2.2. Umhüllung

Von außen ist das Rückenmark von den so genannten Rückenmarkshäuten umgeben. Man kann die Rückenmarkshaut in eine harte Schicht, die Pachymeninx spinalis, und in eine weiche Schicht, die Leptomeninx spinalis unterteilen. Von außen - vom Knochen (Wirbelkanal) - nach innen - zum Nervengewebe - ergibt sich folgende Reihenfolge:

Diese Schichtung entspricht dem Aufbau der Hirnhäute.

2.3. Topografie

Die Lage der Rückenmarkssegmente stimmt topografisch nicht mit den Wirbelkörpern überein. Während des Wachstums des Menschen wächst die Wirbelsäule schneller als das Rückenmark, so dass das Rückenmark auf Höhe des 1. oder 2. Lendenwirbels im so genannten Conus medullaris endet. Die zugehörigen Nervenfasern treten aber trotzdem weiter kaudal aus dem Rückenmarkskanal aus. Dieses Phänomen bezeichnet man auch als Ascensus medullae spinalis. Die intradural verlaufenden Spinalnervenwurzeln am Ende des Rückenmarks nennt man Cauda equina.

Dieser Umstand erlaubt eine Lumbalpunktion, bei der Liquor zu diagnostischen Zwecken aus dem Rückenmarkskanal entnommen wird, ohne bleibende Schäden hervorzurufen.

2.4. Morphologie

Bei einem Querschnitt durch das Rückenmark fällt eine schmetterlingsähnliche, graue Form auf, die außen von einer weißen Substanz umgeben ist. Die weiße Substanz besteht aus den Fortsätzen der Nervenzellen (Axone und Dendriten). Die graue Substanz enthält v.a. die Perikaryen der Rückenmarksneurone, viele Interneurone und Gliazellen. Die Interneurone ermöglichen die direkte Verbindung und Beeinflussung zwischen einzelnen Neuronen.

Die Ausziehungen der grauen Substanz im Querschnittsbild werden auch als "Hörner" bezeichnet. Man unterscheidet nach ihrer Lage:

Zwischen diesen Hörnern befindet sich beidseits die Substantia intermedia lateralis. Die linke und rechte Hälfte der grauen Substanz sind durch die Substantia intermedia centralis verbunden, die sich wiederum aus zwei Kommissuren, der Commissura grisea anterior und posterior zusammensetzt.

In der Mitte des Rückenmarks befindet sich in der grauen Substanz ein mit Ependym ausgekleideter und mit Liquor cerebrospinalis gefüllter Kanal. Er wird Canalis centralis (Zentralkanal) genannt und kann am distalen Ende zum Ventriculus terminalis erweitert sein. Um den Zentralkanal herum liegt ein schmaler Gewebesaum, der wenige Neurone und viele Gliazellen enthält, die Substantia gelatinosa centralis.

3. Histologie

Anhand von zellulären und funktionellen Aspekten werden 10 Schichten grauer Substanz im Rückenmark unterschieden. Sie werden als Rexed-Laminae bezeichnet. Diese Unterteilung ähnelt den Brodmann-Arealen des Gehirns.

4. Embryologie

Das Rückenmark entwickelt sich aus den Neuralfalten des Ektoderms, unmittelbar über der Chorda dorsalis. Die Neuralfalten verschließen sich in der Folge zum Neuralrohr. Das Neuralepithel des Neuralrohrs proliferiert so stark, dass sich das Lumen verengt und schließlich nur noch der Zentralkanal bestehen bleibt.

5. Gefäßversorgung

5.1. Arterien des Rückenmarks

Die Arterien des Rückenmarks stammen aus mehreren Quellgebieten:

5.1.1. Segmentarterien

Die Rami spinales der genannten Arterien treten durch die Foramina intervertebralia in den Wirbelkanal ein und geben einen Ramus anterior und posterior (für Wirbel und Bänder) und je eine Arteria medullaris segmentalis (für Spinalganglion, Nervenwurzeln, Rückenmark und Meningen) ab. Jedoch bilden sich im Laufe der Entwicklung die meisten der ursprünglich 31 paarigen Arteriae medullares segmentales in verschiedenem Maße zurück. Daher kann man aufgrund der endgültigen Versorgungsgebiete zwei Arterientypen unterscheiden:

5.1.2. Spinalarterien

Die Arterien anastomosieren untereinander, sodass drei Längsstämme entstehen:

  • Arteria spinalis anterior: entsteht kranial aus den Arteriae spinales anteriores der Arteriae vertebrales, die sich auf Höhe des 1. bis 2. Zervikalsegments zu einem unpaaren Stamm vereinigen. Verläuft vor der Fissura mediana anterior nach kaudal und endet am Filum terminale. Der vom 4. Zervikalsegment abwärts gelegene Teil wird durch die Anastomosenkette der 6-8 vorderen Markarterien fortgesetzt. Die Arteria spinalis anterior versorgt die vorderen zwei Drittel des Rückenmarks.
  • zwei Arteriae spinales posteriores: gehen kranial aus den Arteriae vertebrales oder der Arteria cerebelli inferior posterior hervor und werden dann kaudal durch Längsanastomosen der hinteren Radikulararterien gebildet. Sie versorgen jeweils das hintere Drittel ihrer Seite.

Der Lumbosakralbereich wird durch eine bis zu 2 mm breite Radikulararterie (Arteria radicularis magna bzw. Adamkiewicz-Arterie) versorgt. Sie gibt einen Ramus descendens und Rami cruciantes ab. Letztere bilden eine Anastomosenarkade um den Conus medullaris, welche die Arteria spinalis anterior mit den Arteriae spinales posteriores verbindet.

5.1.3. Binnenarterien

Alle in das Rückenmark eindringenden Gefäße sind funktionelle Endarterien. Sie bilden zwei Systeme:

Die Grenzzone zwischen beiden Systemen verläuft durch den hinteren Bereich der Seitenstränge, das Rückenmarkzentrum und das ventrale Areal der Hinterstränge.

5.2. Venen des Rückenmarks

5.2.1. Binnenvenen

Die Rückenmarksvenen verlaufen nicht durchweg parallel zu den Arterien. Die radiär angeordneten Binnenvenen bilden ähnlich den Arterien ein peripheres und ein zentrales System:

  • peripheres System: Venae marginales im Vorder- und Seitenstrangbereich, Vena interfunicularis im Hinterstrang, Vena cornu posterioris für das Hinterhorn. Sie sind pialen Quervenen angeschlossen.
  • zentrales System: Vordere und hintere Zentralvenen vereinigen sich T-förmig zu den vorderen Sulkus- und hinteren Fissurvenen.

Die Binnenvenen drainieren das Blut in das piale Venennetz, das aus längs, schräg und quer verlaufenden Venae perimedullares gebildet wird. Die Vena spinalis anterior verläuft entlang der Fissura mediana anterior hinter der Arteria spinalis anterior. Sie nimmt die Sulkusvenen auf, steht kranial mit Hirnstammvenen in Verbindung und endet kaudal am Filum terminale. Die stärkere Vena spinalis posterior folgt dem Sulcus medianus posterior, nimmt Fissurvenen auf und endet am Conus terminalis.

5.2.2. Piales Venengeflecht und Venae intervertebrales

Das Blut des pialen Venengeflecht wird durch Wurzelvenen (Venae radiculares) in den Plexus venosus vertebralis internus oder in die Venae intervertebrales geleitet. Die Venae radiculares treten mit den Nervenwurzeln zusammen aus dem Durasack aus. Die Venae intervertebrales treten entlang den Spinalnerven durch die Foramina intervertebralia aus und führen Blut aus dem Rückenmark, der Dura und dem Plexus venosus vertebralis internus. Sie münden in Venae vertebrales und in die tiefen Halsvenen (Halsbereich), in die Venae intercostales und lumbales (Thorakolumbalbereich) sowie in die Venae sacralis lateralis und mediana (Sakralbereich).

5.2.3. Wirbelvenengeflechte

Der im Epiduralraum gelegene Plexus venosus vertebralis internus erstreckt sich vom Foramen magnum bis zum Os coccygis. Er bildet einen Venenring um den Durasack und steht kranial mit dem Sinus marginalis und dem Plexus basilaris, seitlich über Venae intervertebrales mit oben genannten Venen in Verbindung.

Der Plexus venosus vertebralis externus wird in zwei Abschnitte gegliedert. Der Plexus venosus vertebralis externus anterior verläuft auf der Vorderfläche der Wirbelsäule und nimmt Venae diploicae aus dem Wirbelkörper und Muskeläste aus prävertebralen Muskeln auf. Der am weitesten kaudal gelegene Abschnitt (Plexus venosus sacralis anterior) anastomosiert über den Plexus haemorrhoidalis mit dem System der Venae iliacae internae. Der Plexus venosus vertebralis externus posterior ist vom Musculus erector spinae bedeckt. Er kommuniziert zwischen den Processi spinosi und nimmt Knochen-, Muskel- und Hautvenen auf. In der Nackenregion ist er besonders ausgeprägt (Plexus venosus suboccipitalis).

Die Venae intervertebrales und die Venae diploicae verbinden den inneren mit dem äußeren Plexus. Somit entsteht ein Kollateralweg zwischen Vena cava superior und inferior dar.

5.3. Blut-Rückenmark-Schranke

Ähnlich wie im Gehirn wird das Nervengewebe des Rückenmarks auf kapillärer Ebene gegenüber dem Blutstrom abgegrenzt. Diese Aufgaben übernimmt die Blut-Rückenmark-Schranke.

6. Funktion

Das Rückenmark bildet als Teil des ZNS die Schaltstelle zwischen den peripheren Nerven und dem Gehirn. Seine Funktion beschränkt sich jedoch nicht auf eine reine Reizweiterleitung, sondern umfasst unter anderem die autonome Modulation der Muskeltätigkeit durch Reflexbögen sowie die Vorverarbeitung die Schmerzreizen.

7. Klinik

Schäden des Rückenmarks können durch Druck (Tumor), Durchtrennung (Querschnittslähmung), Entzündungen (Myelitis), Durchblutungsstörungen, Einblutungen (Hämatomyelie) oder degenerative Prozesse ausgelöst werden.

Eine Durchtrennung des Rückenmarks ist mit den heutigen Therapieformen noch irreparabel. Die Neuroregeneration ist aber Gegenstand intensiver Grundlagenforschung.

Tumoren im Bereich des Rückenmarks zählen zu den sogenannten spinalen Tumoren. Am häufigsten finden sich Meningeome und Astrozytome.

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