HWS-Syndrom
Synonym: Halswirbelsäulenkrankheit, Halswirbelsäulensyndrom, Zervikalsyndrom
Englisch: tension neck syndrome
Definition
Einteilung
HWS-Syndrome lassen sich nach mehreren Dimensionen einteilen.
...nach Verlauf
- akutes HWS-Syndrom
- chronisches HWS-Syndrom
...nach Schmerzausstrahlung
- lokales HWS-Syndrom
- pseudoradikuläres HWS-Syndrom
- radikuläres HWS-Syndrom
...nach Lokalisation
- oberes HWS-Syndrom: Schmerzen im Bereich der HWK 1 - 2
- mittleres HWS-Syndrom: Schmerzen im Bereich der HWK 3 - 5
- unteres HWS-Syndrom: Schmerzen im Bereich der HWK 6 - 7
Das obere HWS-Syndrom wird aufgrund der Schmerzausstrahlung in den Kopf auch als Zervikozephalgie bezeichnet, das mittlere und untere als Zervikobrachialgie, da es in den Arm ausstrahlt.
...nach Ursache
- funktionelles HWS-Syndrom (-> Fehlhaltung)
- degeneratives HWS-Syndrom (-> Verschleiß)
- posttraumatisches HWS-Syndrom (-> Unfall)
Ätiologie
Ein HWS-Syndrom ist häufig durch degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule bedingt, die zur Reizung der zervikalen Spinalnerven führen. Es kann jedoch auch funktionell, d.h. ohne klinisch nachweisbare, morphologische Veränderungen am Skelett auftreten. Mögliche Ursachen sind:
- Degenerative Veränderungen der HWS (Spondylose, Osteophyten)
- Schleudertrauma (HWS-Distorsion)
- Funktionelle Verspannung der Nackenmuskulatur
- Zervikaler Bandscheibenvorfall (selten)
- Tumoren
- Wirbelsäulenoperationen
- Facettensyndrom
- Segmentale Dysfunktionen ("Blockierung")
- Osteochondrose
Symptome
Die Symptomatik des HWS-Syndroms ist vielschichtig. HWS-Syndrome können mit oder ohne neurologische Störungen auftreten. Zu den typischen Symptomen zählen u.a.:
- Hals- bzw. Nackenschmerzen, häufig mit Ausstrahlung in den Arm
- Myogelosen
- Schwindel
- Kopfschmerzen
- Parästhesien, Hypästhesien (Kribbeln, Taubheitsgefühl)
- Sehstörungen
- Ohrgeräusche
In schweren Fällen können zusätzlich Paresen im Bereich der Arme auftreten.
Therapie
Die Therapie - vor allem des chronischen HWS-Syndroms - ist häufig langwierig und unbefriedigend. Neben den hier besprochenen Maßnahmen spielt die Prophylaxe durch regelmäßige Bewegung und Vermeiden einer falschen Körperhaltung eine wichtige Rolle. Das gilt vor allem bei funktionellen Beschwerden. Therapeutische Konzepte beziehen oft mehrere Therapieformen ein und erscheinen dann unter dem Label "multimodale Therapie".
Nicht-medikamentöse Therapie
Physiotherapie
Die Physiotherapie (Krankengymnastik) des HWS-Syndroms dient der Schmerzlinderung, der Muskelentspannung und dem gezielten Muskelaufbau. Sie lässt sich in artikuläre (z.B. Traktionen), neurodynamische (Nervenmobilisationen) und myofasziale (Triggerpunktbehandlung, Deep Friction, Massagen) Techniken einteilen.
Das Erlernen von rückengerechtem Verhalten im Alltag (Rückenschule) sowie die gezielte Kräftigung abgeschwächter Muskulatur und die Betrachtung der Wirbelsäulenbelastung im Alltag sind ebenso Gegenstand der Physiotherapie. Zudem sollte stets die Betrachtung anliegender Gelenke (z.B. Kiefergelenk) einbezogen werden.
Thermotherapie
Die Thermotherapie wird beim HWS-Syndrom meist in Form einer Wärmetherapie durchgeführt. Dabei kommen Rotlicht und erwärmte Kissen oder Kompressen zum Einsatz.
Medikamentöse Therapie
Orale Therapie
- Analgetika
- NSAR
- Diclofenac 50 - 150 mg/Tag p.o.
- Ibuprofen 400 - 2.400 mg/Tag p.o.
- Naproxen 500 - 1.250mg/Tag p.o.
- Muskelrelaxanzien
- Methocarbamol max. 7,5 g/Tag (1 Tablette = 750 mg) p.o.
- Orphenadrincitrat 100 - 200 mg/Tag p.o.
- Tolperison 50 - 450 mg/Tag p.o.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Therapeutische Lokalanästhesie
Bei der therapeutischen Lokalanästhesie wird ein lang wirksames Lokalanästhetikum (z.B. Bupivacain) in die paravertebrale Halsmuskulatur oder in die Nähe der Nervenaustrittstellen neben der Wirbelsäule injiziert. Die einfache Injektion in die Halsmuskulatur wird aufgrund der flächigen Verbreitung des Lokalanästhetikums auch als Infiltration bezeichnet. Dabei wird versucht, so genannte Triggerpunkte - kleine Reizzonen in der Muskulatur - auszuschalten. Die Rationale und die Wirksamkeit dieser Methode ist umstritten.
Die temporäre Nervenblockade dient der gezielten Schmerzausschaltung und der Unterbrechung segmentaler Reflexkreise. Das Lokalanästhetikum wird nicht in die Muskulatur infiltriert, sondern in die Nähe der Nervenaustrittstellen neben der Wirbelsäule injiziert. Dieses Vorgehen ist mit höheren Risiken behaftet als die Infiltration.
Podcast
Quellen
- Schönbauer HR, Polt E, Grill F: Orthopädie: Methodische Diagnostik und Therapie. 1979. Springer Verlag
- Brokmeier AA: Kursbuch Manuelle Therapie: OMT - Orthopaedic Manipulative Therapy. 4. Auflage, 2009. Books on Demand
- Krämer R, Matussek J et al.: Bandscheibenbedingte Erkrankungen: Ursachen, Diagnose, Behandlung, Vorbeugung, Begutachtung. 6. Auflage, 2013. Thieme Verlag
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