Naloxon
Handelsnamen: Naloxon (Generika); Nyxoid®
Kombination mit Buprenorphin: Bowielone®, Bupensanduo®, Suboxone®, Zubsolv®
Kombination mit Oxycodon: Oxycocomp®
Kombinationen mit Tilidin: Tilicomp® u.a. Generika
Synonyme: n-Allylnoroxymorphon, Naloxonum, NSC-70413
Englisch: naloxone
Definition
Naloxon ist ein Arzneistoff, der als kompetitiver Antagonist die Wirkung von Opioiden an allen Opioidrezeptoren aufhebt. Es wird als Antidot bei Überdosierungen und Vergiftungen eingesetzt.
Chemie
Naloxon ist eine synthetisches Morphinanalkaloid (N-Allyl-nor-oxymorphon) mit heteropentazyklischer Struktur. Die Summenformel ist C19H21NO4. Der IUPAC-Name ist
- (4R,4aS,7aR,12bS)-4a,9-Dihydroxy-3-prop-2-enyl-2,4,5,6,7a,13-hexahydro-1H-4,12-methanobenzofuro[3,2-e]isoquinolin-7-on
Die molare Masse beträgt 327,4 g/mol, der Oktanol-Wasser-Koeffizient (logP) 1,47. Die CAS-Nummer lautet 465-65-6. Als Arzneistoff wird Naloxonhydrochlorid-Dihydrat eingesetzt, das bei Raumtemperatur als weißes, kristallines, hygroskopisches Pulver vorliegt und in Wasser leicht löslich ist.
Wirkmechanismus
Naloxon ist ein reiner Antagonist, hat also selbst keinerlei Opioideffekte. Es blockiert die Wirkungen natürlicher Opiumalkaloide und synthetischer Opioide an allen Rezeptoren, wobei die größte Affinität zu µ-Opioidrezeptoren besteht. Lebensbedrohliche Symptome einer Überdosierung oder Vergiftung mit Opioiden (z.B. Atemdepression, Bradykardie, Hypotonie, Bewusstlosigkeit) werden aufgehoben.[1]
Pharmakokinetik
Naloxon unterliegt nach oraler Applikation einem ausgeprägten First-Pass-Effekt, sodass die Bioverfügbarkeit sehr gering (< 3 %) und es peroral praktisch unwirksam ist. Die Anwendung erfolgt deshalb intravenös, intramuskulär, subkutan, endotracheal, intranasal oder intraossär. Nach intranasaler Applikation beträgt die Bioverfügbarkeit 42 bis 47 %; maximale Plasmaspiegel werden nach 15 bis 30 Minuten erreicht. Nach intravenöser Verabreichung tritt die Wirkung innerhalb von 1 bis 2 Minuten ein, nach intramuskulärer Verabreichung nach 3 bis 5 Minuten, hält aber nur etwa 30 bis 120 Minuten an. Die Plasmaproteinbindung beträgt 32 bis 45 %, das Verteilungsvolumen 2 l/kgKG. Naloxon passiert die Blut-Hirn-Schranke und die Plazenta. Die Biotransformation in der Leber erfolgt durch direkte Glucuronidierung zu Naloxon-3-glucuronid, durch N-Dealkylierung zu Noroxymorphon und Reduktion der 6-Oxoguppe zu Naloxol. Diese Metaboliten werden mit dem Urin ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 1 bis 2 (bis 12) Stunden (bei Neugeborenen 2,5 bis 3,5 Stunden).[1][2][3][4]
Indikationen
Naloxon ist als Antidot indiziert[2][4]
- zur Aufhebung der Opioidwirkung bei akuter Überdosierung und bei Intoxikationen (Notfalltherapie) sowie
- zur Differentialdiagnose einer Atemdepression unbekannter Ätiologie.
Die Aufhebung einer durch Buprenorphin verursachten Atemdepression kann unvollständig sein.[2][4]
Bei der kombinierten Anwendung mit Buprenorphin oder Tilidin soll durch den Naloxonzusatz der gleichzeitige Opioidmissbrauch verhindert werden.[3][5] Bei der Kombination mit Oxycodon soll der Naloxonzusatz die intestinalen Nebenwirkungen (Obstipation) des Opioids verhindern.[6]
Für die Anwendung von Naloxon bei einer Atemdepression durch andere Arzneimittel (z.B. Clonidin, Benzodiazepine, Valproinsäure) oder Ethanol gibt es keine gesicherte Evidenz.[1]
Darreichungsform
Naloxon steht zur Verfügung als
- Injektions- und Infusionslösung zur intravenösen und intramuskulären Anwendung
- Spray zur intranasalen Anwendung (Lösung im Einzeldosisbehältnis)
- Sublingualtablette oder Sublingualfilm (in Kombination mit Buprenorphin) zur oralen Anwendung
- Retardtablette (in Kombination mit Oxycodon oder Tilidin) zur oralen Anwendung
- Lösung (in Kombination mit Tilidin) zur oralen Anwendung
Dosierung
Parenterale Anwendung
Erwachsenen wird initial 0,2 bis 0,8 (bis 2,0) mg Naloxon langsam intravenös verabreicht. Bei Kindern erfolgt die langsame intravenöse Gabe von 0,01 mg/kgKG. Falls notwendig, erfolgt eine Wiederholung in Abständen von 2 bis 3 Minuten bis zum Wirkungseintritt.[7] Tritt nach Applikation eine Gesamtdosis von 10 bis 15 mg keine Wirkung ein, ist eine Opioidüberdosierung als Ursache der Atemdepression zu bezweifeln.[1]
Aufgrund der kurzen Wirkungsdauer kann es bei Opioidintoxikationen notwendig sein, eine Dauerinfusion (0,4 bis 0,8 mg/h) durchzuführen.[1]
Intranasale Anwendung
Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren erhalten 1,8 mg in ein Nasenloch; ggf. Wiederholung der gleichen Dosis nach 2 bis 3 Minuten. Kommt es erneut zur Atemdepression, ist eine weitere Verabreichung bis zur notärztlichen Versorgung erforderlich.[4]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Wechselwirkungen
Naloxon kann bei opioidabhängigen Personen ein akutes Entzugssyndrom auslösen.[2][4]
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen Naloxon oder einen der sonstigen Bestandteile des Arzneimittels.
Schwangerschaft und Stillzeit
In tierexperimentellen Untersuchungen wurde reproduktionstoxische Wirkungen beobachtet. Eine Anwendung während der Schwangerschaft sollte deshalb nur erfolgen, wenn das Leben der Mutter und des Fetus durch eine Opioidüberdosierung gefährdet ist. Bei atemdepressiven Neugeborenen oipoidabhängiger Mütter (perinatale Asphyxie) kann Naloxon eingesetzt werden, um eine hypoxische Hirnschädigung des Kindes zu vermeiden.[8][9] Es sollte aber vorsichtig dosiert werden (0,01 bis 0,02 mg/kgKG i.v., wenn erforderlich wiederholt im Abstand von 2 bis 3 Minuten)[2], um die Auslösung von Entzugserscheinungen (neonatales Abstinenzsyndrom) zu vermeiden. Ob Naloxon in die Muttermilch übertritt, ist nicht bekannt.
Toxizität
Naloxon löst selbst in sehr hoher Dosis keine toxischen Wirkungen aus. Es führt nicht zu psychischer oder physischer Abhängigkeit oder zur Toleranzentwicklung.[2]
ATC-Code
- A06AH04 (Naloxon) - Mittel gegen Obstipation - Periphere Opioidrezeptorantagonisten
- N02AA53 (Hydromorphon und Naloxon) - Nervensystem - Analgetika - Opioide - Natürliche Opium-Alkaloide
- N02AA55 (Oxycodon und Naloxon) - Nervensystem - Analgetika - Opioide - Natürliche Opium-Alkaloide
- N02AD51 (Pentazocin und Naloxon) - Nervensystem - Analgetika - Benzomorphan-Derivate
- N02AX51 (Tilidin und Naloxon) - Nervensystem - Analgetika - Andere Opioide
- V03AB15 (Naloxon) - Varia - Alle übrigen therapeutischen Mittel - Antidote
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Olson KR et al. (eds.) Poisoning and drug overdose. 8th ed., New York : McGraw Hill 2022
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Naloxon B. Braun 0,4 mg/ml Injektions-/Infusionslösung. Fachinformation Stand Dezember 2017, abgerufen am 09.01.2025
- ↑ 3,0 3,1 Suboxone® Sublingualfilm. Fachinformation Stand Juli 2024, abgerufen am 09.01.2025
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Nyxoid® 1,8 mg Nasenspray. Fachinformation Stand Februar 2023, abgerufen am 09.01.2025
- ↑ Tilidin-ratiopharm® plus Retardtabletten. Fachinformation Stand September 2020, abgerufen am 09.01.2025
- ↑ Oxycocomp-ratiopharm® Retardtabletten. Fachinformation Stand Juni 2024, abgerufen am 09.01.2025
- ↑ Antidotarium. Rote Liste, abgerufen am 09.01.2025
- ↑ Moe-Byrne T et al. Naloxone for opioid-exposed newborn infants. Cochrane Database Syst Rev. 2018
- ↑ McGuire W et al. Naloxone for preventing morbidity and mortality in newborn infants of greater than 34 weeks' gestation with suspected perinatal asphyxia. Cochrane Database Syst Rev. 2004
Weblinks
- Drugbank - Naloxone, abgerufen am 09.01.2025
- Gelbe Liste Wirkstoffe - Naloxon, abgerufen am 09.01.2025
- PharmaWiki - Naloxon, abgerufen am 09.01.2025
- PubChem 5284596
- MeSH 68009270