Biotransformation
Definition
Die Biotransformation beschreibt biochemische Vorgänge zur Umwandlung nicht bzw. schwer ausscheidbarer Substanzen in leichter eliminierbare Stoffe. Dabei werden zum Beispiel lipophile bzw. hydrophobe Moleküle zu hydrophileren Molekülen umgesetzt. Diese Reaktionen ermöglichen oft erst eine Ausscheidung der Substanzen über den Harn oder die Gallenflüssigkeit.
Hintergrund
Substanzen, die einer Biotransformation unterliegen, können sowohl endogene Stoffe (Endobiotika, z.B. Bilirubin, Steroidhormone) als auch körperfremde Substanzen (Xenobiotika, z.B. Pharmaka, Umweltgifte) darstellen. Die Biotransformation findet in fast allen Geweben statt, wobei die Leber aufgrund ihrer Masse und der besonders reichen Ausstattung mit entsprechenden Enzymen die entscheidende Rolle spielt.
Phasen der Biotransformation
Die Biotransformation wird in drei Phasen eingeteilt.
Phase I
In der ersten Phase werden lipophile Substanzen modifiziert, sodass reaktive Gruppen (z.B. OH-, NH2-, SH- oder COOH-Gruppen) entstehen. Meist handelt es sich dabei um Oxidationsreaktionen.
Oxidation
Die Oxidation eines Substrates wird häufig durch Monooxygenasen katalysiert. Dabei wird oft das Cytochrom P450 genutzt, das sich strukturgebunden in der Membran des glatten endoplasmatischen Retikulums befindet und Häm B als prosthetische Gruppe besitzt. Da bei der Reaktion der Monooxygenase Wasser entsteht, benötigt das Cytochrom P450 einen Wasserstoffdonator, der Reduktionsäquivalente auf ein Flavoprotein überträgt, welches diese an das Cytochrom P450 weitergibt. Cytochrom P450 katalysiert Hydroxylierungen, N-Desalkylierungen und O-Desalkylierungen.
Weitere beteiligte Enzyme neben den Monooxygenasen sind z.B.:
- Alkoholdehydrogenasen (ADH)
- Aldehyddehydrogenasen (ALDH)
- Monoaminoxidasen (MAO)
- Xanthinoxidase
Reduktion
Seltener finden sich in der Phase I der Biotransformation Reduktionsreaktionen: Ein Disulfid kann in einer solchen Reaktion zu einem Thiol werden; aus einem Aldehyd wird ein primärer und aus einem Keton ein sekundärer Alkohol.
Hydrolyse
Amide, Ester und auch Ether können durch Esterasen und Hydrolasen hydrolysiert werden.
Phase II
In der zweiten Phase (Konjugationsphase) werden die in der Phase I entstandenen Verbindungen über ihre reaktiven Gruppen an polare oder stark geladene Substanzen gekoppelt (konjugiert), sodass hydrophile Verbindungen entstehen. Damit diese Reaktionen thermodynamisch möglich sind, muss einer der beteiligten Reaktionspartner in aktivierter Form vorliegen (z.B. als Thioester oder als Anhydrid). Beispielsweise muss bei Konjugationen von COOH-Gruppen tragenden Metaboliten zuerst ein CoA-Thioester durch eine Ligase gebildet werden. Die Thioester werden dann mit der Aminogruppe der Aminosäuren (v.a. Glycin, Glutamin) verbunden, sodass Aminosäurekonjugate entstehen.
Folgende Konjugationsreaktionen werden unterschieden:
- Glucuronidierung: Übertragung von Glucuronsäure aus UDP-Glucuronsäure auf OH-, NH2-, SH- und COOH-Gruppen. Katalysierendes Enzym ist die UDP-Glucuronyltransferase (UGT). Ein wichtiges Beispiel für diesen Reaktionstyp ist die Glucuronidierung von Bilirubin zu Bilirubindiglucuronid.
- Sulfatierung: Übertragung einer Sulfatgruppe aus 3'-Phosphoadenosin-5'-phosphosulfat (PAPS) auf OH- oder NH2-Gruppen. Entsprechendes Enzym ist die Sulfotransferase. Wichtig für die Ausscheidung von Progesteron.
- Methylierung: Konjugation einer Methylgruppe aus S-Adenosylmethionin (SAM) mit OH- oder NH2-Gruppen. Die verantwortlichen Enzyme sind Methyltransferasen, z.B. die Thiopurin-Methyltransferase.
- Acetylierung: Übertragung einer Acetylgruppe aus Acetyl-CoA auf OH- oder NH2-Gruppen durch die N-Acetyltransferase (NAT)
- Aminosäure-Konjugation: Die Aminogruppe von Glycin oder Glutamin wird auf eine COOH-Gruppe (als Thioester) übertragen. Katalysiert durch Aminosäuren-N-Acetyltransferasen.
- Fettsäure-Konjugation: Fettsäuren (aktiviert als Thioester) können mit Hilfe von Acyltransferasen auf OH-Gruppen übertragen werden.
- Glycosidierung: Glukose aus UDP-Glukose wird mit Hilfe der UDP-Glycosyltransferase auf eine OH-Gruppe übertragen.
- Glutathion-Konjugation: mithilfe der Gluathion-S-Transferase
Phase III
Die dritte Phase der Biotransformation umfasst den primär aktiven Transport der transformierten Substanzen über die Zellmembran der Hepatozyten in die Canaliculi biliferi. Dafür sind spezielle Carrier verantwortlich (z.B. ABC-Transporter). Es handelt sich dabei i.d.R. um den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt.
Zur Phase III zählt auch der Abbau von Glutathion/Glutathiondisulfid (GSH/GSSG) zu Glycin, Cystein und Glutamat. Dabei werden als Enzyme die γ-Glutamyltransferase und Dipeptidasen benötigt.
Klinik
Bei Neugeborenen sind die Enzyme der Biotransformation noch nicht vollständig entwickelt. Aus diesem Grund bauen Neugeborene Endo- und Xenobiotika langsamer ab als Erwachsene. Die ungenügende Glucuronidierung von Bilirubin ist daher eine Ursache des Icterus neonatorum. Da zudem die Blut-Hirn-Schranke noch sehr durchlässig ist, muss die Dosis eines Medikaments genau abgestimmt werden, sonst können Medikamente toxisch wirken. Die hepatische Metabolisierung von Arzneimitteln wird einige Monate nach der Geburt durch den Switch von CYP3A7 auf CYP3A4 effizienter.
Die Biotransformation kann dazu führen, dass bestimmte Substanzen in toxische oder karzinogene Stoffe umgewandelt werden. Man spricht hierbei von der sogenannten Giftung. Ein wichtiges Beispiel ist Paracetamol: Der größte Teil wird nach Glucuronidierung bzw. Sulfatierung wasserlöslich. Ein Teil wird jedoch oxidiert, sodass ein Zwischenprodukt als Glutathion-S-Konjugat ausgeschieden wird. Sind die benötigten Glutathionmengen aufgebraucht, reagiert das Produkt mit SH-Gruppen auf Proteinen von Hepatozyten. Bei einer Paracetamol-Dosis von 6-10 g kann daher eine schwere Lebernekrose entstehen.
Bei Menschen können als genetische Varianten langsame und schnelle Acetylierer unterschieden werden. Bei Procainamid beginnt der Abbau beispielsweise mit einer N-Acetylierung, wobei das entstehende Produkt die gleichen pharmakologischen Wirkungen wie die Ausgangsverbindung aufweist. Bei Personen mit langsamer Acetylierung findet dagegen bevorzugt eine N-Hydroxylierung statt. Das Reaktionsprodukt bildet weitere reaktionsfähige Zwischenprodukte, die z.B. mit Nukleinsäuren kovalente Verbindungen eingehen können und als Antigene wirken. Langsame Acetylierer, die Procainamid einnehmen, haben daher ein höheres Risiko, an einem systemischen Lupus erythematodes zu erkranken.