Medikament
von lateinisch: medicamentum - Heilmittel
Synonyme: Arznei, Arzneimittel
Englisch: medicine, remedy, drug
Definition
Ein Medikament ist ein Arzneimittel, das in bestimmter Dosierung zur Heilung, Vorbeugung oder Diagnose einer Krankheit dient. Als Medikamente dienen seit alters her bestimmte Pflanzen und Pflanzenteile und tierische Substanzen, in neuerer Zeit jedoch vor allem synthetische Präparate. Die Wissenschaft von den Medikamenten ist die Pharmakologie.
Rechtliche Grundlagen
Medikamente müssen in Deutschland, bevor sie auf dem Markt gebracht werden vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen worden sein. Medikamente können in Deutschland nach ihrer Erhältlichkeit in vier Gruppen eingeteilt werden:
- freiverkäufliche (dürfen auch außerhalb von Apotheken, z.B. in einer Drogerie verkauft werden)
- apothekenpflichtige (dürfen nur in Apotheken abgegeben werden)
- rezeptpflichtige (sind nur in Apotheken gegen Vorlage einer ärztlichen Verschreibung erhältlich)
- Betäubungsmittel, verkehrsfähige (sind nur in Apotheken gegen Vorlage eines Betäubungsmittelrezeptes erhältlich)
Nicht zu den Medikamenten zählen die Nahrungsergänzungsmittel.
Wirkstoffe
Ein Medikament besteht aus chemischen Wirkstoffen und wirkneutralen Hilfsstoffen, die eine Hilfsfunktion für die Bereitstellung des Wirkstoffes erfüllen (Beispiel: Zäpfchengrundmasse Hartfett, in der der Wirkstoff verteilt ist). Ein Medikament kann einen Wirkstoff oder mehrere Wirkstoffe enthalten. Ein Wirkstoff kann synthetisch (chemisch oder gentechnisch) hergestellt werden oder auch aus Pflanzen, Tieren, menschlichen Gewebeteilen isoliert oder extrahiert werden.
Wirkprinzipien
Neben der erwünschten Wirkung (siehe Wirksamkeit) können auch unerwünschte Nebenwirkungen nach Einnahme oder Gabe eines Medikaments auftreten. Diese treten in unterschiedlicher Häufigkeit und Schwere auf und müssen im Beipackzettel vollständig aufgeführt werden. Unter Wechselwirkungen versteht man die gegenseitige Beeinflussung von Medikamenten bei gleichzeitiger Gabe. Es kann sowohl zu einer Wirkungsabschwächung wie zu einer Verstärkung kommen.
Wirtschaftliche Bedeutung
Die Entwicklung eines neuen Medikamentes ist kapitalintensiv und zeitraubend, da umfangreiche Wirksamkeits- und Verträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden müssen, bis ein neues Medikament auf dem Markt zugelassen wird. Der forschenden Firma, welches das Medikament entwickelt hat, wird daher ein zeitliches Monopol zur ausschließlichen Nutzung des Medikaments gewährt, die so genannte Patentlaufzeit. Nach Ablauf dieser Zeit dürfen andere Firmen eigene Präparate (Generika) mit dem gleichen Wirkstoff auf den Markt bringen. Dies führt gewöhnlich zu einem starken Preisrückgang des Präparats.
Wieviele der über 70.000 in deutschen Apotheken angebotenen Medikamente wirklich notwendig sind, ist umstritten. Die WHO schränkt die Menge auf etwas über 300 Grundstoffe ein. Die Vielfalt ist jedoch auch Ausdruck einer marktwirtschaftlichen Organsation des Arzneimittelmarktes, die in anderen Bereichen (Konsumgüter) kaum angezweifelt wird.
Geschichte
Für eine Reihe von Heilpflanzen finden sich Hinweise auf ihre Anwendung schon aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Bereits in einem Grab eines Neandertalers (Shanidar IV., im heutigen Irak) das vor ca. 70.000 bis 40.000 Jahren angelegt wurde, finden sich Beigaben, die nach Pollenuntersuchungen sieben Heilpflanzen zuzuordnen sind, weswegen hier das Grab eines Heilkundigen, eines Schamanen mit Attributen seiner Tätigkeit vermutet wird. Steht dieser Fund aus frühester Zeit noch isoliert, so sind aus dem Neolithikum, der Jüngeren Steinzeit, eine Reihe von Funden bekannt, die auf die Anwendung von Heilpflanzen schließen lassen.
Aus den frühen Hochkulturen gibt es dann zahlreiche schriftliche Zeugnisse für deren umfangreichen Arzneischatz, in Assyrien und Ägypten waren einige hundert pflanzliche, tierische und mineralische Arzneimittel in Gebrauch.
Griechisch-römische Überlieferung
Für die Arzneien der westlichen Medizin sind folgende Autoren der griechisch-römischen Überlieferung besonders wichtig:
Theophrastos von Eresos (371- 287 v. Chr.) beschrieb 550 Pflanzen, darunter zahlreiche Arznei- und Giftpflanzen. Plinius der Ältere lebte von 23/24 bis 79 n. Chr. schrieb eine höchst umfangreiche enzyklopädische Naturkunde, die Naturalis historia. Die Heilmittel nehmen einen breiten Raum ein, es werden beinahe 1000 aus dem Pflanzenreich beschrieben. Die in fünf Büchern abgefasste Arzneimittellehre 'De materia medica' des Dioskurides (ein römischer Militärarzt, der im 1. Jh. lebte) ist die umfangreichste des Altertums. Er behandelt Arzneimittel aus allen drei Naturreichen, es werden 102 mineralische, 101 tierische und 813 pflanzliche Arzneimittel beschrieben. Das Werk erschien um 78 n. Chr. und wirkte über Jahrhunderte. Besonders im Mittelalter diente es als Vorbild und Fundgrube für andere einschlägige Kompendien.
Mittelalter
Die mittelalterlichen Quellen zum Arzneischatz sind sehr zahlreich. Dazu gehört u.a. so genannte Hortulus des Walahfrid Strabo (9. Jahrhundert), der Abt des Klosters Reichenau war. Das Wissen über die Heilkräfte der Pflanzen wird in Gedichtform (Hexameter) vermittelt.
Ebenfalls ein Lehrgedicht über Heilpflanzen und durch den 'Hortulus' beeinflusst ist der 'Macer floridus'. Der Verfasser, Odo von Meung, lebte im 11. Jahrhundert. Eine vom 13. Jahrhundert an überlieferte thüringisch-schlesische Prosaübersetzung und -bearbeitung, der 'Ältere deutsche Macer' war weit verbreitet und diente neben anderen Quellen als Textgrundlage für den 'Gart der Gesuntheit' von 1485, eines der einflussreichsten gedruckten Kräuterbücher. Zudem wird das europäische Mittelalter ca. vom Jahr 1000 an mit verloren geglaubten bzw. in Vergessenheit geratenen Schriften der Antike durch Übersetzungen aus dem Arabischen ins Lateinische bekannt. Die Zentren der Übersetzertätigkeit liegen in Süditalien (Salerno) und Spanien (Toledo). Dazu kommen eigenständige Erkenntnisse arabischer Gelehrter. Rhazes (865 - um 930), Avicenna (980 - 1037) und andere arabische Autoren zählen zu den hochgeachteten Autoritäten der europäischen Heilkunde. In ihren Schriften werden bislang unbekannte Arzneidrogen beschrieben, z.B. Ambra, Benzoeharz, Cubeben, Galgant, Kampfer, Moschus, Muskat, Mumie, Sandelholz, Sennesblätter u.a.
Aber auch unabhängig vom antiken oder arabischen Einfluss werden hier und da neue, eigenständige Beobachtungen gemacht, die das Wissen über den Arzneischatz bereichern. Herausragend sind die "Physica" der Hildegard von Bingen und eine Schrift des Albertus Magnus mit dem Titel "De vegetabilibus".
Neuzeit
Seit der frühen Neuzeit wurde der europäische Arzneischatz erheblich erweitert: Einerseits durch eine neue Dimension im Handel mit Heilpflanzen und Drogen, die sich nach der Entdeckung des Seeweges nach Ostindien durch Vasco da Gama und die Landung in Amerika durch Columbus eröffnete. So kamen z.B. Brechwurzel, Chinarinde, Curare, Guajak und Perubalsam nach Europa; andererseits durch Produkte alchemistischer Tätigkeit. Besonders wichtig war die Alchemie der Araber, da hier eine medizinische Zielrichtung in den Vordergrund trat: die Suche nach der Panazee, der Universalmedizin. Der wichtigste Wegbereiter für den Einsatz (al)chemischer Präparate in der Medizin wurde Philippus Theophrastus Bombastus von Hohenheim genannt Paracelsus (1493 - 1541). Er vertritt die innerliche Anwendung von Chemikalien, gerade von giftigen Antimon- und Quecksilberpräparaten als erster. Zwar fanden seine Lehren zu seinen Lebzeiten nur einen beschränkten Anhängerkreis, doch seine Nachfolger, die Paracelsisten, vermittelten seine Ideen einem immer größer werdenden Kreis von Medizinern und anderen Gelehrten. Von hier führt der Weg zur Pharmazeutischen Chemie.
19. Jahrhundert bis jetzt
Die Neuzeit brachte mit ihren naturwissenschaftlichen Erkenntnissen ganz erhebliche Veränderungen des Arzneischatzes.
Der enorme Erkenntniszuwachs in der Chemie führte dazu, dass z.B. eine Fülle von wirksamen Inhaltsstoffen aus Arzneipflanzen isoliert wurden, etwa die Alkaloide Chinin, Morphin, Strychnin. Nicht nur Alkaloide, auch viele weitere Pflanzeninhaltsstoffe wurden isoliert und davon eine große Zahl arzneilich verwendet.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann der Siegeszug der organisch-synthetischen Arzneimittel, die von der chemischen Industrie entwickelt wurden, wobei das Herstellungsverfahren dem Patentschutz unterlag. Dies förderte ganz erheblich die industrielle Produktion von Arzneispezialitäten, den in abgabefertiger Verpackung hergestellten Arzneimitteln, wie sie heute das Bild beherrschen. Die Azetysalizylsäure, allseits bekannt unter dem Namen Aspirin, viele andere Schmerzmittel und weitere auf das Nervensystem wirkende Arzneistoffe gehören hierher (Narkosemittel, Antiepileptika, Antiparkinsonmittel, Psychopharmaka u.a.m.). Weitere Beispiele sind Arzneimittel, die das vegetative Nervensystem beeinflussen, etwa die Sympatholytika (zu denen die Beta-Blocker zählen), die als Herz-Kreislaufmittel eingesetzt werden. Die Zahl der synthetisierten Wirkstoffe wurde dann rasch unüberschaubar.
Bei den Hormonen und Vitaminen gab es in der Folge biochemischer und klinisch-chemischer Untersuchungen des 19. und 20. Jahrhunderts zahlreiche Fortschritte. Dabei wurden u.a. die Grundlagen für den therapeutischen Einsatz von Vitaminen, Insulin, den Sexualhormonen (Estrogene, Gestagene, die "Pille", Androgene), den Hormonen der Nebennierenrinde (Glukokortikoide, u.a. Cortison), Schilddrüsenhormonen, den Gewebshormonen und ihren Antagonisten (Antihistaminika als Antiallergika u.a.) gelegt.
Ganz besondere Bedeutung erlangten Arzneimittel zur Prophylaxe und Therapie der Infektionskrankheiten. Dazu gehören v.a. Antibiotika, Desinfektionsmittel, Sterilisation und Impfungen. Mit ihrer Hilfe, aber sicher auch durch bessere Ernährung und Wohnung sowie durch Anwendung hygienischer Verhaltensweisen sind einst lebensbedrohliche Erkrankungen ("Geißeln der Menschheit"), die auf Mikroorganismen zurückgehen, stark zurückgegangen. Zu nennen sind hier u.a. die Forschungen von Paul Ehrlich (1854 - 1915) (Salvarsan) und Gerhard Domagk (1895 - 1964) (Sulfonamide). Dazu kam die Entdeckung, dass Naturstoffe, so das von Schimmelpilzen gebildete Penicillin, als Antibiotika erfolgreich gegen diese Krankheiten eingesetzt werden können.
Darreichungsformen moderner Medikamente
- oral: Tabletten, Dragees, Kapseln, Tropfen, Säfte etc.
- sublingual: Beißkapseln, Lutschtabletten
- rektal: Suppositorien, Klysmen
- subkutan (s.c.): Kristallsuspension
- intravenös (i.v.): Infusion
- intraarteriell (i.a.)
- intramuskulär (i.m.)
- kutan: Cremes, Salben, Gele, Pasten
- perkutan: Depotpflaster, Patches
- vaginal: Vaginalzäpfchen
- konjunktival: Augentropfen
- nasal: Nasenspray, Nasentropfen
- u.v.a.
Weblinks
Literatur
- Müller-Jahncke, Wolf-Dieter u. Christoph Friedrich: Geschichte der Arzneimitteltherapie. - Stuttgart, 1996
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