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Antibiotikum

von altgriechisch: anti (αντί) - gegen, bios (βίος) - Leben
Abkürzung: AB
Englisch: antibiotic

1. Definition

Antibiotika, kurz AB, sind Substanzen, die einen hemmenden Einfluss auf den Stoffwechsel von Mikroorganismen haben und so deren Vermehrung oder Weiterleben unterbinden.

In der Regel werden Antibiotika als Arzneistoffe zur lokalen oder systemischen Therapie bakterieller Infektionskrankheiten definiert. Einige Substanzklassen kommen auch als Immunsuppressiva oder Zytostatika zum Einsatz.

2. Nomenklatur

Der Begriff "Antibiotikum" hat seit der Einführung zahlreiche Bedeutungsänderungen erfahren. Ursprünglich wurde er nur für niedermolekulare Substanzen verwendet, die von Mikroorganismen selbst synthetisiert wurden.

Zähner (1965) definiert Antibiotika in der Biologie als Substanzen biogenen Ursprungs, die eine selektive Toxizität gegenüber anderen Organismen (bzw. deren Zellen) aufweisen. Dieser Definition nach sind etliche weitere Toxine höherer Organismen ebenfalls als Antibiotika zu betrachten (z.B. Ricin, Colchicin).[1]

Im engeren Sinn gehören zu den Antibiotika nur solche Stoffe, die spezifisch gegen Prokaryoten wirken. Die Archaea sind ausgeschlossen, da aus dieser Domäne keine Pathogene bekannt sind und sie darüber hinaus strukturelle und physiologische Unterschiede zu den Bakterien aufzeigen. Für Infektionen mit anderen Mikroorganismen existieren, auch begrifflich, abgegrenzte Wirkstoffgruppen: Virostatika bei Viren, Antimykotika bei Pilzen, Antiprotozoika bei Protozoen und Anthelminthika bei Würmern. Sie gehören zusammen mit den Antibiotika der Gruppe der Antiinfektiva an.[2] Zwischen diesen Wirkstoffgruppen gibt es jedoch Überschneidungen.

Im weiteren Sinne wird der Begriff "Antibiotikum" für alle Substanzen verwendet, die gegen Mikroorganismen jedweder Form (Bakterien, Pilze und Protozoen) wirksam sind, unabhängig davon, ob sie hoch- oder niedermolekular, natürlicher oder synthetischer Herkunft sind. Als neuer Sammelbegriff wurde für diese Bedeutung der Name Antiinfektivum eingeführt, der jedoch wenig gebräuchlich ist.

3. Herkunft

Antibiotika werden als natürliche Sekundärmetabolite von Bakterien, Pilzen und höheren Organismen (z.B. Pflanzen, Amphibien, Manteltieren) gebildet. Sie dienen zum Beispiel der Abwehr von Infektionen oder schalten direkte Konkurenten im Ressourcenwettbewerb aus. Zur Arzneimitteltherapie verwendet man Substanzen, die entweder vollsynthetisch, teilsynthetisch oder biotechnologisch gewonnen werden.

Sie werden meist von Pilzen oder Bakterien produziert, deren Antibiotikaproduktion und -spektrum durch Modifizierungen im Vergleich zu den Wildstämmen gesteigert wurde. Dies wurde durch Manipulationen auf allen Ebenen der Genexpression möglich (DNA, RNA, Protein, Metabolit).[3]

4. Einteilung

Antibiotika lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten unterteilen:

4.1. ...nach chemischer Struktur

4.2. ...nach Wirksamkeit

  • Bakteriostatische Antibiotika hemmen das Wachstum bzw. die Vermehrung von Bakterien, töten diese aber nicht.
  • Bakterizide Antibiotika hemmen das Wachstum und töten außerdem die Erreger ab. Hierbei unterscheidet man weiter:
    • Primäre bzw. absolute Bakterizide, die gegen ruhende und proliferierende Bakterien wirksam sind
    • Sekundäre bzw. degenerative Bakterizide, die nur gegen proliferierende Bakterien wirksam sind

4.3. ... nach Wirkort bzw. Mechanismus

Die Antibiotika können nach ihrem Angriffspunkt bzw. Wirkmechanismus in folgende Gruppen eingeteilt werden:


4.4. Antituberkulotika

Die chemisch unterschiedlich zusammengesetzten Antibiotika zur Behandlung der Tuberkulose werden auch zur Gruppe der Antituberkulotika zusammengefasst. Sie sind vor allem gegen Bakterien der Gattung Mycobacterium, die Auslöser der Tuberkulose, gerichtet.

5. Übersicht der Antibiotikagruppen

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick der wichtigsten Antibiotikagruppen mit Beispielen, Wirkspektrum und Anwendungsart (o = oral, p = parenteral).[4]

Gruppe Beispiele p/o Wirkspektrum
Penicilline
Penicilline Benzylpenicillin (= Penicillin G) Phenoxymethylpenicillin p/o
Aminopenicilline Amoxicillin o
Ampicillin p/o
Aminopenicilline /

Betalaktamase-Inhibitoren

Amoxillin /
Clavulansäure
p/o
  • Penicillin-Wirkspektrum
  • Wirksam gegen Enterokokken und einige gramnegative Erreger mit Beta­laktamase-Produktion
Ampicillin /
Sulbactam
p/o
Acylaminopenicilline Azlocillin p
  • Wirksam im grampositiven Bereich inkl. Enterokokken
  • Nicht wirksam gegen Beta­laktamase­produzierende Staphylokokken
  • Wirksam gegen gramnegative Erreger ohne Betalaktamase-Produktion
  • Unterschiedliche Aktivität gegen Pseudomonaden
Mezlocillin p
Piperacillin p
Acylaminopenicilline / Betalaktamase-Inhibitoren Piperacillin /
Tazobactam
p
  • Wirksam im gram­positiven Bereich inkl. Entero­kokken
  • Wirksam gegen einige gram­negative Erreger mit Beta­laktamase-Produktion
  • Aktivität gegen Pseudomonaden
Piperacillin /
Sulbactam
p
Isoxazolylpenicilline Dicloxacillin o
  • Wirksam gegen gram­positive Erreger mit Beta­laktamase-Produktion (Staphylo­kokken-Penicilline)
Flucloxacillin p/o
Oxacillin p/o
Cephalosporine
Gruppe 1 Cefazolin p
  • Wirksam gegen gram­positive und einige wenige gram­negative Bakterien
  • Stabil gegenüber Penicillinasen aus Staphylo­kokken
  • Instabil gegenüber Beta­laktamasen gram­negativer Bakterien
Cefalexin o
Cefadroxil o
Cefaclor o
Gruppe 2 Cefuroxim p/o
  • Gut wirksam gegen grampositive und gram­negative Bakterien
  • Stabil gegenüber Penicillasen aus Staphylo­kokken und den meisten Beta­laktamasen gram­negativer Bakterien
Gruppe 3a Cefotaxim p/o
  • Deutlich besser wirksam als Gruppe 1 und 2 gegen gramnegative Bakterien
  • Stabil gegenüber zahl­reichen Beta­laktamasen gram­negativer Bakterien
  • Schwächer wirksam gegen einige gram­positive Bakterien
  • Unwirksam gegen Entero­kokken, gegen Staphylo­kokken schwach wirksam
Ceftriaxon p
Ceftibuten o
Cefixim o
Gruppe 3b Ceftazidim p
  • Wirkungsspektrum wie Cephalosporine Gruppe 3a
  • Zusätzlich gute Wirk­samkeit gegen Pseudo­monaden
Cefepim p
Carbapeneme
  Imipenem /
Cilastatin
p
  • Breites Wirkspektrum im gram­positiven und gram­negativen Bereich inkl. Anaerobier
Meropenem p
Ertapenem p
Glykopeptide
Vancomycin p
  • Wirksam gegen Strepto­kokken inkl. Entero­kokken
  • Wirksam gegen Staphylo­kokken inkl. MRSA
Teicoplanin p
Fluorchinolone
Gruppe 1 Norfloxacin o
  • Im wesentlichen auf Harnwegsinfektionen beschränkte Indikation
  • Wirksam im gram­negativen Bereich
Gruppe 2 Ofloxacin p/o
Ciprofloxacin p/o
Gruppe 3 Levofloxacin p/o
  • Gut wirksam im gram­negativen und gram­positiven Bereich inkl. Pneumo­kokken, Staphylo­kokken, Strepto­kokken
  • Gute Aktivität gegen "atypische" Pneumonie­erreger (Chlamydien, Mykoplasmen, Legionellen)
Gruppe 4 Moxifloxacin o
  • Ähnliches antibakterielles Wirk­spektrum wie Gruppe 3 mit verbes­serter Aktivität gegen Anaerobier
Makrolide
Ältere Makrolide Erythromycin o
  • Wirksam gegen "atypische" Pneumonieerreger (Chlamydien, Mykoplasmen, Legionellen)
  • Wirksam gegen Strepto­kokken inkl. Pneumokokken
  • Keine ausreichende Aktivität gegen Haemophilus influenzae
Neuere Makrolide Azithromycin o
  • Wirkspektrum wie ältere Makrolide mit verbes­serter Aktivität gegen Haemo­philus influenzae
  • Telithromycin wirkt auch bei Erythromycin-resistenten Pneumo­kokken
Clarithromycin o
Roxithromycin o
Telithromycin o
Aminoglykoside
Amikacin p
Gentamicin p
Tobramycin p
Tetracycline
Doxycyclin p/o
  • Wirksam gegen "atypische" Pneumonie­erreger (Chlamydien, Mykoplasmen, Legionellen)
  • Zunehmende Resistenz bei Pneumo­kokken
Diaminopyrimidine
Trimethoprim
mit oder ohne Sulfonamid
Trimethoprim ebenso wirksam wie Cotrimoxazol (hier evtl. Nebenwirkung durch den Sulfonamid­anteil) o

6. Resistenzen

Ein wichtiger Aspekt für den Einsatz von Antibiotika ist die Antibiotikaresistenz. Durch verschiedene Anpassungsprozesse gelingt es Mikroorganismen, eine Widerstandsfähigkeit gegenüber Antibiotika aufzubauen, die dann zu einem Wirkverlust dieser Substanzen führt. Diese können z.B. strukturelle Änderungen der durch Antibiotika angegriffenen Zellkomponenten, die Entwicklung von Antibiotika-spaltenden Enzymen (Beta-Laktamase) oder die Umgehung der angegriffenen Stoffwechselschritte (Bypass) sein. Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Resistenzen spielt der horizontale Gentransfer, bei dem Resistenzgene zwischen Bakterien gleicher oder unterschiedlicher Art untereinander weitergegeben werden.

Resistenzen können sich gegenüber mehreren Antibiotikaklassen gleichzeitig entwickeln - man spricht dann von Multiresistenz. In manchen Fällen können Infektionen nicht mehr mit den üblicherweise eingesetzten Wirkstoffen behandelt werden und erfordern den Einsatz sogenannnter Reserveantibiotika.

7. Wechselwirkungen

Wichtige Beispiele zu Interaktionen von Antibiotika mit anderen Arzneimitteln und deren Folgen sind in der folgenden Tabelle dargestellt.[5]

Antibiotika Komedikation Folge
Penicilline Saure Pharmaka, z.B. Probenecid, Salicylate, Indometacin, Sulfinpyrazon, Phenylbutazon Verminderung der tubulären Penicillin-Sekretion, erhöhte Krampf­neigung bei hoher Dosierung
Cephalosporine Nephrotoxische Substanzen, z.B. Aminoglykoside Verstärkung der Nephrotoxizität, vor allem bei einge­schränkter Nierenfunktion
Fluorchinolone

Ciprofloxacin,
Levofloxacin,
Moxifloxacin

Nichtsteroidale Antiphlogistika Erhöhte Krampfneigung
Mineralische Antazida, H2-Rezeptor-Antagonisten Verminderung der Resorption von allen Chinolonen mit Wirkungs­verlust
Warfarin Verstärkung der Warfarin-Wirkung. Manche Fluorchinolone hemmen die hepatische Elimination der R-Form des Warfarins.
Substanzen, die das QT-Intervall verlängern (Terfenadin) Gesteigertes Risiko ventrikulärer Arrythmien, besonders Torsades de pointes
Makrolide Theophyllin Gefahr einer Theophyllin-Intoxikation durch reduzierten Theophyllin-Metabolismus
Mutterkornalkaloide Gefahr eines Ergotismus durch kompetitive Hemmung des hepatischen Abbaus der Mutter­kornalkaloide
Carbamazepin Gefahr von Carbamazepin-Über­dosierungs­erscheinungen (z.B. Übelkeit, Erbrechen) durch herab­gesetzte Carbamazepin-Meta­bolisierung
Ciclosporin A Erhöhte Nephro­toxizität durch reduzierten Meta­bolismus von Ciclosporin
Statine (besonders Simvastatin, Lovastatin und Atorvastatin) Rhabdomyolyse
Warfarin Verstärkte Blutungs­gefahr durch reduzierte Warfarin-Metabolisierung
Substanzen, die das QT-Intervall verlängern (Terfenadin) Gesteigertes Risiko ventri­kulärer Arrythmien, besonders Torsades de pointes
Protease­inhibitoren und nicht­nukleosidische Hemm­stoffe der reversen Transkriptase Verstärkung der Nebenwirkungen
Tetracycline (Doxycyclin) Barbiturate, Phenytoin, Carbamazepin Beschleunigter Tetracyclin-Abbau durch Enzyminduktion
Substanzen mit hoher Proteinbindung, z.B. Sulfonylharnstoffe, Cumarin-Analoga (z.B. Phenprocoumon) Wirkungs­verstärkung von stark protein­gebundenen Substanzen. Das etwa zu 95% an Plasmaproteine gebundene Doxycyclin verdrängt diese Komedi­kamente aus ihrer Proteinbindung.
Carbamazepin Gefahr von Carbamazepin-Überdosierungs­erscheinungen (z.B. Übelkeit, Erbrechen) durch herabgesetzte Carbamazepin-Metabolisierung
Ciclosporin Erhöhte Nephro­toxizität durch reduzierten Meta­bolismus von Ciclosporin
Phenprocoumon, Warfarin Verstärkte Blutungs­gefahr durch reduzierte Meta­bolisierung
Glycylcycline (Tigecyclin) Orale Antikoagulanzien (Warfarin) Gelegentlich erhöhte INR-Werte
Linezolid MAO-Hemmer (Moclobemid) Blutdruck­anstieg, Serotonin-Syndrom
Daptomycin Mit Myopathie assoziierte Arzneimittel (Statine) Erhöhte CPK-Werte, Rhabdomyolyse
Lincosamide Nicht-depolarisierende Muskelrelaxanzien Verstärkte neuromuskuläre Blockade mit Atemdepression
Glykopeptide Nephro- oder ototoxische Pharmaka, z.B. Aminoglykoside, Amphotericin B, Ciclosporin, Cisplatin, Schleifen­diuretika Gesteigertes Risiko von Nieren- und/oder Gehörschäden
Aminoglykoside Nicht depolari­sierende Muskel­relaxanzien Begünstigung/ Auslösung/ Potenzierung einer neuro­muskulären Blockade
Nephro- oder ototoxische Pharmaka, z.B. Vancomycin, Colistin, Amphotericin B, Ciclosporin, Cisplatin, Schleifen­diuretika Gesteigertes Risiko von Nieren- und/oder Gehör­schäden
Rifampicin Substrate des Cytochrom-P450-Systems und der P-Glykoproteine Durch Induktion erhöhte Clearance der Arznei­mittel und dadurch reduzierte Wirkung

8. Labormedizin

8.1. Material

Für die Untersuchung des Wirkspiegels eines Antibiotikums benötigt man in der Regel Serum.

8.2. Hinweise

Die Bestimmung der Wirkspiegel ist nur in ausgewählten Fällen indiziert. Da stark schwankende Angaben zu therapeutischen und toxischen Bereichen existieren, sind die Angaben auf dem jeweiligen Befund maßgeblich.

Der Wirkspiegel folgender Antibiotika kann bestimmt werden:[6]

9. Quellen

  1. Dingermann et al.: Pharmazeutische Biologie - Molekulare Grundlagen und klinische Anwendung, Springer Verlag, Frankfurt und München 2002.
  2. Thomas Herdegen: Kurzlehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 2. Auflage, 2010. Thieme Verlag
  3. Sahm H., Antranikian G., Stahmann KP, Takors R.: Industrielle Mikrobiologie. Auflage 2013, Springer Spektrum
  4. F. Vogel, G. Herold: Innere Medizin - Eine vorlesungsorientierte Darstellung (2012, DocCheck Load)
  5. Klaus-Friedrich Bodmann, Béatrice Grabein und die Expertenkommission der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V.: Empfehlungen zur kalkulierten parenteralen Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen (Chemother J 2010;19:179–255)
  6. Laborlexikon.de; abgerufen am 03.02.2021
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