Daptomycin
Handelsname: Cubicin® u.v.a.
Definition
Daptomycin ist ein Antibiotikum aus der Klasse der zyklischen Lipopeptide. Sein Wirkspektrum umfasst ausschließlich grampositive Keime.
Chemie
Die Summenformel von Daptomycin lautet C72H101N17O26, seine molare Masse beträgt 1620,7 g/mol. Die chemische Struktur entspricht einem zyklischen Lipopeptid, bestehend aus einem hydrophilen Ring teils atypischer Aminosäuren (Peptidaseschutz) mit lipophiler Dekansäure-Seitenkette.
Die Substanz wird als Stoffwechselprodukt von Streptomyces roseosporus aus der Gattung der Aktinomyzeten gewonnen.
Wirkmechanismus
Daptomycin wirkt schnell und konzentrationsabhängig bakterizid. Die Details der Bakterizidie sind bis dato (2021) unvollständig verstanden.
Bekannt ist, dass das anionische Daptomycinmolekül unter Abhängigkeit von Calciumionen an Phosphatidylglycerol bindet, das sich in der Membran grampositiver Erreger (und in Surfactant) findet. Nachfolgend kommt es durch eine ebenfalls Calcium-abhängige Konformationsänderung zur Integration in die Membran. Mehrere Moleküle oligomerisieren zunächst in der äußeren, dann auch in der inneren Lamelle der Zellmembran unter Bildung einer ringförmigen Pore.
Die weiteren Vorgänge im Bakterium sind unklar, Hypothesen für die bakterizide Wirkung sind:[1]
- Alteration der Zellwand (u.a. Hemmung der Lipoteichonsäuresynthese)
- Ionale Leckströme (Na+, K+) mit Zusammenbruch des Membranpotentials
- Freisetzung von Membranlipiden aus der Zellmembran
Wirkspektrum
Daptomycin wirkt gegen grampositive Erreger, z.B. gegen Staphylococcus aureus, Streptococcus pyogenes, Enterococcus faecalis, Corynebacterium spp. und Bacillus spp. Sein Wirkspektrum umfasst auch zahlreiche resistente Erreger, z.B.:
- Methicillin-resistente, Vancomycin-resistente und Vancomycin-intermediär-resistente Staphylococcus aureus-Stämme (MRSA, VRSA, VISA).
- Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE)
- Penicillin-resistente Streptococcus spp.
Darüber hinaus kann es bei grampositiven Anaerobiern (z.B. Peptostreptococcus spp., Clostridium perfringens, Clostridioides difficile) zum Einsatz kommen.
Gegen gramnegative Bakterien ist Daptomycin hingegen primär unwirksam, da es die äußere Membran dieser Erreger nicht durchdringen kann. Sekundäre Resistenzen sind noch selten und scheinen mit einer veränderten Membranzusammensetzung zusammenzuhängen.[2][3]
In vitro und im Tierversuch ist Daptomycin wirksam gegen Bakterien in Biofilmen, die oft für Antibiotika nur schwer zugänglich sind. Eine In-vivo-Wirksamkeit gegen Biofilmbildner konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Pharmakokinetik
Bei oraler Gabe wird Daptomycin nicht resorbiert. Seine therapeutische Gabe erfolgt daher intravenös. Nach Applikation verteilt sich das Antibiotikum vor allem im Extrazellulärraum. Daptomycin liegt mit 92 % hauptsächlich proteingebunden vor. Seine Halbwertszeit beträgt 8 bis 9 Stunden. Der Wirkstoff wird größtenteils in unveränderter Form renal eliminiert.
Daptomycin wird von Surfactant in den Alveolen der Lunge inaktiviert und sollte deshalb bei Pneumonien nicht eingesetzt werden. Weiterhin erreicht es auch keine relevanten Spiegel in Liquor und Galle.
Indikationen
Daptomycin ist für folgende Anwendungen zugelassen:
- Komplizierte Haut- und Weichteilinfektion (cSSTI) bei Erwachsenen und Kindern ab 2 Jahren.
- Staphylococcus-aureus assoziierte rechtsseitige Endokarditis (RIE) bei Erwachsenen.
- Staphylococcus-aureus assoziierte Bakteriämie (SAB) bei Erwachsenen und Kindern.
Off-label wird Daptomycin bei schweren Infektionen durch Enterokokken eingesetzt:
- Osteomyelitis oder Infektionen von Gelenkprothesen mit Ampicillin-resistenten Enterokokken (als Alternative zu Vancomycin)
- Infektionen mit VRE als Alternative zu Linezolid
Darreichungsform
Daptomycin ist als Pulver zur Herstellung einer Injektions- oder Infusionslösung mit 350 mg und 500 mg im Handel verfügbar. Der Wirkstoff wird einmal täglich parenteral verabreicht. Möglich ist eine 30-Minuten-Infusion und eine 2-Minuten-Injektion.
Dosierung
Folgende Dosierungen werden empfohlen:
- cSSTI ohne gleichzeitige Staphylococcus-aureus-Bakteriämie: bei Erwachsenen 4 mg/kgKG/d, bei Kindern entsprechend der Arzneimittelfachinformation
- cSSTI mit Staphylococcus-aureus-Bakteriämie: bei Erwachsenen 6 mg/kgKG/d, bei Kindern entsprechend der Arzneimittelfachinformation
- Staphylococcus-aureus assoziierte rechtsseitige Endokarditis: 6 mg/kgKG/d
Teilweise werden off-label höhere Dosierungen (10-12 mg/kgKG/d) empfohlen, insbesondere bei Endokarditis sowie bei schweren Enterokokken-Infektionen.[4]
Die Behandlungsdauer beträgt bei Haut- und Weichteilinfektionen ca. 7 - 14 Tage bzw. bis zum Abklingen der Infektion; bei begleitender Bakteriämie kann die Dauer > 14 Tage betragen. Das Dosierintervall sollte bei Patienten mit Niereninsuffizienz (GFR < 30 ml/min) oder Hämodialyse auf alle 48 Stunden verlängert werden.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Zu den häufigen Nebenwirkungen von Daptomycin zählen:
- erhöhte Serumwerte der Leberenzyme und der alkalischen Phosphatase
- gastrointestinale Beschwerden: Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Blähungen
- Angst, Insomnie
- Kopfschmerzen und Schwindel
- Hautausschlag und Juckreiz
- Hypertonie, Hypotonie
- Anämie
- Reaktionen an der Infusionsstelle, Pyrexie, Asthenie
- Gliederschmerzen, erhöhte Creatinkinase, Myalgie, Muskelschwäche, gelegentlich Arthralgie, erhöhte LDH und Muskelkrämpfe
In seltenen Fällen kann Daptomycin zu einer Rhabdomyolyse führen. Deshalb wird vor und während der Therapie (mindestens 1x/Woche) der Creatinkinase-Serumspiegel bestimmt. Die Einnahme von anderen Medikamenten, die mit einem erhöhten Myopathie-Risiko einhergehen (z.B. Statine), sollte während der Behandlung mit Daptomycin ausgesetzt werden.
Ebenfalls selten wurde das Auftreten von eosinophilen Pneumonien, einhergehend mit Husten, Fieber und Dyspnoe, in Zusammenhang mit einer Daptomycin-Therapie berichtet.[5]
Kontraindikation
Eine absolute Kontraindikation besteht bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen seiner Bestandteile. Bei Patienten mit schwerer Leberfunktionsstörung (Child-Pugh C) sollte die Anwendung ebenfalls zurückhaltend erfolgen.
Die Anwendung bei schwangeren und stillenden Frauen ist nicht untersucht.
Zulassung
Daptomycin wurde 2006 in der EU zugelassen. Mittlerweile sind einige Generika registriert.
Literatur
- Arzneimittel Fachinformation, abgerufen am 4.10.2020
- Mutschler E. et al.; Mutschler Arzneimittelwirkungen, Pharmakologie; 10. Auflage
Quellen
- ↑ Miller W, et al. (2016) in: Mechanism of Action and Resistance to Daptomycin in Staphylococcus aureus and Enterococci
- ↑ Miller W, et al. (2016) in: Mechanism of Action and Resistance to Daptomycin in Staphylococcus aureus and Enterococci
- ↑ Zuttion F, et al. (2020): High-speed atomic force microscopy highlights new molecular mechanism of daptomycin action
- ↑ Stammschulte T, Isner C, Kern WV. akdae Daptomycin - aktuelle Diskussion der Einsatzgebiete und Dosierung, abgerufen am 06.10.2020
- ↑ Vlachea P, Herrmann F. Daptomycin-assoziierte eosinophile Pneumonitis. Dtsch Arztebl Int 2024 - Fallbericht mit Abb,
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