Endokarditis
von altgriechisch: endo - innen; kardia - Herz
Synonyme: Endocarditis, Endokardentzündung, Herzinnenhautentzündung
Englisch: endocarditis
Definition
Die Endokarditis ist eine im Rahmen verschiedener krankhafter Prozesse auftretende Entzündung der Herzinnenhaut (Endokard).
ICD10-Codes
- I0.1: Akute rheumatische Endokarditis
- I09.1: Rheumatische Krankheiten des Endokards, Herzklappe nicht näher bezeichnet; chronisch-rheumatische Endokarditis
- I33: Akute und subakute Endokarditis
- I38: Endokarditis, Herzklappe nicht näher bezeichnet
Systematik
Endokarditiden lassen sich nach verschiedenen Kriterien klassifizieren.
...nach Ätiologie
Die gängigste Einteilung erfolgt nach der Ätiologie. Demnach wird zwischen den folgenden Formen eine Endokarditis unterschieden:
- Nicht-infektiöse (abakterielle) Endokarditis
- Antigen-Antikörper-Reaktionen
- Endocarditis rheumatica (verrucosa): Die häufigste Form der Endokarditis, die meist ca. 2 Wochen nach einer Infektion mit beta-hämolysierenden A-Streptokokken warzenähnliche Auflagerungen (Fibrin, Thrombozyten) v.a. in den Schließungsrändern der Mitral- oder Aortenklappe auftreten. Die Endokarditis rheumatica ist Teilerscheinung einer Perikarditis bzw. des rheumatischen Fiebers.
- Ablagerung von Immunkomplexen
- Endokarditis Libmann-Sacks bei systemischem Lupus erythematodes (SLE): Abakterielle Endokarditis mit größeren Fibrinablagerungen auf der Mitral-, aber auch an der Aorten- und Pulmonalklappe mit starker Neigung zur lokaler entzündlicher Infiltration. Häufig begleitet von Perikarditis oder Pleuritis.
- Zelluläre Immunreaktionen
- Löffler-Endokarditis: Endomyokarditis eosinophilica.
- Endokarditis bei Karzinoid
- Antigen-Antikörper-Reaktionen
- Infektiöse Endokarditis bzw. infektive Endokarditiden (IE)
- Bakterielle Endokarditis
- Akute Endokarditis ("Endocarditis acuta")
- Subakute Endokarditis ("Endocarditis lenta")
- Virale Endokarditis
- Mykotische Endokarditis
- Bakterielle Endokarditis
- Mischformen
- Bakterielle Besiedlung eines abakteriell entstandenen Endokarditisherds (Superinfektion)
...nach Lokalisation
Auch die Lokalisation gibt Ansatzpunkte für eine Klassifikation.
- Endocarditis valvularis: Die überwiegende Zahl der Entzündungen tritt an den Herzklappen auf. Bakteriell akute Endokarditiden (Endocarditis ulcerosa acuta), zumeist durch Staphylococcus aureus verursacht, rufen häufig gelbgrüne Vegetationen im Bereich des Schlussrandes der Herzklappen hervor.
- Endocarditis parietalis: In selteneren Fällen kann auch die Wand der Atrien und Ventrikel betroffen sein.
...nach Aspekt
In der Pathologie werden Endokarditiden auch nach ihrem makroskopischen Aspekt unterschieden, z.B. in
- Endocarditis serosa: Rötlich glasige Aufquellung der Herzklappe
- Endocarditis ulcerosa: Entzündungsreaktion mit Bildung von Ulzerationen
- Endocarditis polyposa: Polypenartige Wucherungen des Endokards
- Endocarditis ulceropolyposa: Mischform aus Polypen und Ulzerationen
- Endocarditis verrucosa: Warzenförmige Gewebeveränderungen am Schlussrand der Herzklappen.
Ätiologie
Die Entstehung der Endokarditiden ist ein multifaktorielles Geschehen und bei den verschiedenen Unterformen unterschiedlich. Als ursächlich wird üblicherweise eine Veränderung von Blutfluss und Blutgerinnung mit der Entstehung von nichtbakteriellen thrombotischen Vegetationen (NBTV) angesehen. In diesen Bereichen von Blutaggregaten und Endothelschäden kann es dann zu einer Ablagerung von Immunkomplexen oder zu einer Besiedlung mit Krankheitserregern kommen. Im weiteren Verlauf kann dann die Zerstörung von Herzklappen, Herzinnenhaut, Papillarmuskeln und Chordae tendineae folgen.
Die infektiöse Endokarditis (IE), verursacht durch hoch virulente Bakterien wie Staphylococcus aureus, setzt keine kongenitalen Anomalien der Herzklappen oder erworbene Herklappenfehler voraus. Die akute Form der IE kann auch an zuvor gesunden Herzklappen entstehen. Ausgehend von Lokalinfektionen (z.B. kontaminierten Wunden) gelangen die Bakterien ins Blut und bilden so die Grundlage für eine infektiöse Endokarditis.
Häufig treten infektiöse Endokarditiden bei Drogenabhängigen mit intravenösem Konsum auf. In diesen Fällen ist der Verlauf oft perakut, wobei es sich meist um eine rechtsseitige Endokarditis handelt. Bei diesen Patienten besteht bei fortdauerndem Konsum eine hohe Rezidivgefahr.
Auch eine verminderte Immunabwehr, z.B. nach einer Chemotherapie oder bei einer HIV-Infektion, begünstigt das Auftreten einer infektiösen Endokarditis.
Symptomatik
Die Symptome einer Endokarditis hängen von der Art der Entzündung sowie vom Ausmaß der Zerstörungen ab. Neben allgemeinen Zeichen einer Infektion können Symptome einer valvulären oder ischämischen Herzinsuffizienz auftreten.
Das klinische Bild eines Patienten mit akuter IE sieht wie folgt aus:
- Fieber , evtl. Schüttelfrost (in ca. 80 bis 90 % der Fälle)
- Herzgeräusche und Tachykardie (in ca. 80 bis 85 % der Fälle), zunehmende Zeichen einer Herzinsuffizienz.
- Kältegefühl und Nachtschweiß (in ca. 40 bis 75 % der Fälle)
- Anorexie, Gewichtsverlust, sowie Unbehagen (in ca. 25 bis 50 % der Fälle), Arthralgien, Anämie.
- Periphere Manifestationsformen: Roth-Flecken, Osler-Knötchen, Janeway-Läsionen sowie subunguale Hämorrhagien/Splinter-Hämorrhagien, Petechien (in 2 bis 15% der Fälle)
- Nierenbeteiligung mit Hämaturie, Proteinurie: Glomeruläre (Löhlein-) Herdnephritis, Niereninfarkte im Rahmen embolischer Ereignisse.
- Es besteht erhöhte Emboliegefahr: Embolische Herdenzephalitis (Bewusstseinseintrübung), evtl. mit Hemiparesen, evtl. Mikroembolien an der Retina (Roth-Flecken).
Diagnostik
Zur Diagnostik der infektiösen Endokarditis können die Duke-Kriterien angewendet werden.
Bildgebung
Die transösophageale Echokardiographie gilt aufgrund der hohen Sensitivität als Basisdiagnostik. Ein unauffälliger Befund schließt eine Endokarditis jedoch nicht aus. Ergänzend kommen die FDG-PET/CT und die Leukozyten-SPECT/CT in Frage. Erstere sollte aufgrund falsch-positiver Befunde frühestens 3 Monate nach Klappenimplantation durchgeführt werden.
Labormedizin
Der Erregernachweis bei Endokarditis erfolgt mithilfe von Blutkulturen. Die Proben sind mit der Fragestellung "Endokarditis" zu kennzeichnen, da viele Labore in diesem Fall eine längere Bebrütung vornehmen, um langsam wachsende Bakterien nachzuweisen. Zudem werden folgende Parameter bestimmt:
Auch der Urinstatus kann erhoben werden.
Material
Für die Diagnostik können je nach Verfahren folgende Materialien benötigt werden:
- Blutkultur
- 4 ml EDTA-Blut
- 2 ml Serum
- 10 ml frischer Spontanurin
Häufige Erreger
Die Häufigkeit bestimmter Erreger ist abhängig vom Zeitpunkt nach Prothesenimplantation. In den ersten 2 Monaten ist Staphylococcus aureus für die meisten Fälle verantwortlich, gefolgt von koagulase-negativen Staphylokokken sowie deutlich seltener gramnegativen Bakterien und Candida-Spezies. Im Zeitraum von 2 bis 12 Monaten nach dem Eingriff sind Streptokokken, Staphylococcus aureus und koagulase-negative Staphylokokken die häufigsten Erreger, gefolgt von Enterokokken. Bei der späten Prothesenendokarditis (> 12 Monate) entspricht das Erregerspektrum dem der nativen Klappenendokarditis (Streptokokken und Staphylococcus aureus, gefolgt von Enterokokken und koagulasenegativen Staphylokokken).
Therapie
Die Therapie der Endokarditis richtet sich primär nach ihrer Ursache und wird bei den jeweiligen Formen besprochen. Bei infektiöser Endokarditis kommen neben einer Herdsanierung Antibiotika oder Antimykotika zum Einsatz. Bei einer Antibiotikagabe beträgt die Dauer der Therapie bei einer nativen Herzklappe 2 - 6 Wochen, bei einem Klappenersatz mindestens 6 Wochen. Die Wahl des Antibiotikums sollte stets nach Resistenztestung des zuletzt identifizierten Erregers in der Blutkultur erfolgen. Sind weniger als 12 Monaten nach Klappenimplantation verstrichen, kommt in der Regel Vancomycin mit Rifampicin und Gentamicin zum Einsatz. Nach 12 Monaten sowie bei nativer Endokarditis werden Ampicillin in Kombination mit Flucloxacillin und Gentamicin verwendet.
Nicht-infektiöse Endokarditiden werden z.B. mit Immunsuppressiva behandelt.
Bei akut geschädigter Herzklappe mit Klappeninsuffizienz ist oft ein Herzklappenersatz notwendig.
Prophylaxe
Bei Patienten mit hohen Endokarditisrisiko kann die Indikation für eine Antibiotikaprophylaxe bestehen, die in diesem Zusammenhang als Endokarditisprophylaxe bezeichnet wird. Dies gilt besonders für Eingriffe, bei denen es zu einer Bakteriämie kommen kann. Eine Antibiotikaprophylaxe sollte z.B. bei zahnärztlichen Eingriffen am Parodont durchgeführt werden.
Quellen
- Laborlexikon.de; abgerufen am 21.02.2021
- Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (2016) ESC Pocket Guidelines. Infektiöse Endokarditis, Version 2015. Börm Bruckmeier Verlag GmbH, Grünwald
- Kurzfassung der "ESC Guidelines for the management of infective endocarditis" (European Heart Journal; 2016 - doi/10.1093/eurheartj/ehv319)