Herzinsuffizienz
Synonym: Herzschwäche
Englisch: congestive heart failure, chronic heart failure (CHF)
Definition
Eine Herzinsuffizienz liegt vor, wenn das Herz unfähig ist, das vom Organismus benötigte Herzzeitvolumen bei normalem enddiastolischen Ventrikeldruck bereitzustellen. Es handelt sich um ein klinisches Syndrom, das unterschiedliche Ursachen haben kann.
Die WHO definiert die Herzinsuffizienz als verminderte körperliche Belastbarkeit aufgrund einer ventrikulären Funktionsstörung.
Epidemiologie
Die Prävalenz der Herzinsuffizienz ist abhängig vom Alter. Bei den 65 bis 69-Jährigen beträgt die Jahresprävalenz in Deutschland etwa 6,9 %, bei den 80 bis 84-Jährigen 24,3 % und bei den über 95-Jährigen 47,2 %. In Deutschland gehört die Herzinsuffizienz zu den häufigsten Todesursachen. Bei Frauen handelt es sich um die zweithäufigste, bei Männern um die vierthäufigste Todesursache.[1]
Ursachen
Häufige Ursachen
- Koronare Herzkrankheit (KHK) (Myokardinfarkt, Ischämie)
- Arterielle Hypertonie
- Vorhofflimmern
- Myokarditis
Seltenere Ursachen
- Kardiomyopathien (dilatativ: toxisch, z.B. Alkohol, Medikamente, Drogen; hypertroph, mit oder ohne Obstruktion; restriktiv)
- Herzklappenfehler (angeboren/erworben),
- High-Output-Failure (Anämie, Thyreotoxikose, AV-Fisteln)
- Perikarderkrankungen
- Lungenembolie
- Hämochromatose
In einigen Fällen bleibt die Ursache der Herzinsuffizienz unbekannt. Dann spricht man von einer idiopathischen Herzinsuffizienz.
Einteilung
...nach Schweregrad
Die Herzinsuffizienz lässt sich grob unterteilen in
- kompensierte Herzinsuffizienz, die nur unter Belastung Beschwerden verursacht und
- dekompensierte Herzinsuffizienz, die sich bereits in körperlicher Ruhe bemerkbar macht.
Eine feinere Unterteilung des klinischen Schwergrads ist mithilfe der 4 NYHA-Stadien möglich:
Stadium | Symptomatik |
---|---|
I | Diagnostizierte Herzkrankheit ohne Symptome und ohne Einschränkung der Belastbarkeit. |
II | Leichte Einschränkung der Belastbarkeit. Keine Symptome in Ruhe sondern erst bei stärkerer Belastung. |
III | Starke Einschränkung der Belastbarkeit. Keine Symptome in Ruhe, jedoch bereits bei leichter Belastung. |
IV | Persistierende Symptomatik auch in Ruhe. |
Weiterhin kann die Herzinsuffizienz nach der AHA (American Heart Association) in 4 Stadien eingeteilt werden:
Stadium | Kriterien |
---|---|
A | Hohes Herzinsuffizienzrisiko, da Faktoren vorliegen, die stark mit der Entstehung einer Herzinsuffizienz assoziiert sind; keine strukturelle Herzerkrankung, noch nie Herzinsuffizienzsymptome. |
B | Strukturelle Herzerkrankung, die eng mit der Entstehung einer Herzinsuffizienz assoziiert ist, bisher keine Herzinsuffizienzsymptome. |
C | Frühere oder derzeitige Herzinsuffizienzsymptome bei struktureller Herzerkrankung. |
D | Fortgeschrittene strukturelle Herzerkrankung und schwere Herzinsuffizienzsymptome in Ruhe trotz maximaler medikamentöser Therapie (spezielle Therapie erforderlich, z. B. Herztransplantation, Katecholamine i. v., Kunstherz) |
...nach Lokalisation
Je nachdem, welcher Teil des Herzens betroffen ist, unterscheidet man:
- Rechtsherzinsuffizienz: Rechte Herzkammer betroffen
- Linksherzinsuffizienz: Linke Herzkammer betroffen
- Globalherzinsuffizienz: Beide Herzkammern betroffen
...nach Krankheitsverlauf
- Akute Herzinsuffizienz: Entwickelt sich im Verlauf von Stunden/Tagen:
- Myokardiales Pumpversagen, z.B. Akutes Koronarsyndrom durch kritische Hauptstammstenose, Herzinfarkt, hypertone Krise, Myokarditis
- Akut auftretende Insuffizienz- oder Shuntvitien, z.B. Ventrikelseptumdefekt bei Infarkt,
- Mechanische Behinderung der Ventrikelfüllung, z.B. Perikardtamponade
- Tachykarde oder bradykarde Herzrhythmusstörungen
- Chronische Herzinsuffizienz: Entwickelt sich im Verlauf von Monaten/Jahren
...nach Pathomechanismus
- Systolische Herzinsuffizienz: Verminderte Ejektionsfraktion
- Diastolische Herzinsuffizienz: Herabgesetzte Relaxationsfähigkeit des Ventrikels, behinderte Ventrikelfüllung in der Diastole (z.B. durch Kammersteifigkeit)
...nach Pathophysiologie
- HFpEF (engl.: heart failure with preserved ejection fraction, EF ≥ 50 %)
- HFmrEF (eng.: heart failure with mid-range ejection fraction, EF 41 - 49 %)
- HFrEF (engl.: heart failure with reduced ejection fraction, EF ≤ 40 %)
- HFrecEF (engl.: heart failure with recovered ejection fraction)
...nach Hämodynamik
...nach Herzzeitvolumen
Pathogenese
Eine Herzinsuffizienz entsteht, wenn die Pumpleistung nicht mehr ausreicht, um sich selbst und extrakardiale Organstromgebiete adäquat mit Blut, Sauerstoff und Substraten zu versorgen. Kompensatorisch werden verschiedene Adaptationsmechanismen angeschaltet, mit denen es gelingt, vorübergehend das erforderliche Herzminutenvolumen aufrechtzuerhalten. Bei chronischer Aktivierung tragen diese Mechanismen jedoch zur Progression der Herzinsuffizienz bei, wodurch ein Circulus vitiosus entsteht.
Die chronische Herzinsuffizienz wird in den meisten Fällen durch eine Verminderung des kontraktilen Herzmuskelgewebes verursacht. Histologisch sieht man einerseits ein krankhaftes Wachstum einzelner Herzmuskelzellen (myozytäre Hypertrophie), andererseits einen gesteigerten Zellverlust (myozytäre Apoptose).
Kompensationsmechanismen
Neuroendokrine Aktivierung
Die neuroendokrine Aktivierung kann die Funktionsminderung in der Frühphase der Herzinsuffizienz auffangen. In späteren Krankheitsstadien führen die Kompensationsmechanismen jedoch zu einer Verschlechterung der hämodynamischen Situation und verstärken die Krankheitsdynamik, sodass therapeutisch interveniert werden muss.
Sympathikusaktivierung und Katecholaminausschüttung
Sympathikusaktivierung und Katecholaminausschüttung führen anfangs zur Steigerung der Herzfrequenz und der Kontraktionskraft. Mit zunehmender Herzinsuffizienz steigt der Noradrenalinspiegel an. Gleichzeitig vermindert sich die Zahl der kardialen Betarezeptoren (Downregulation). Noradrenalin wirkt dadurch am Herzen immer weniger inotrop, erhöht aber den peripheren Widerstand (Afterload).
Aktivierung des RAA-Systems
Die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems führt über eine erhöhte Produktion von Angiotensin II zur Vasokonstriktion und damit zur Erhöhung der Nachlast. Dieser Effekt wird durch Aldosteron verstärkt, das eine Natrium- und Wasserretention bewirkt. Durch das erhöhte Volumen wird auch die Vorlast erhöht und die Belastung auf das Herz nimmt weiter zu.
ADH-Aktivierung
Die Aktivierung von ADH (Vasopressin) führt ebenfalls zu einer Wasserretention und damit zu einer Erhöhung der Vorlast.
Freisetzung der natriuretischen Peptide
Die Natriuretischen Peptide (NP) sind die wichtigsten Gegenspieler des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS). Mit ihrer Hauptfunktion, der Reduktion des Plasmavolumens und der Senkung des Blutdrucks, schützen sie das gesunde Herz vor einer übermäßigen Volumen- und Druckbelastung. NPs werden z.B. bei erhöhtem Druck und durch Überdehnung der Vorhöfe ausgeschüttet. BNP und sein biologisch inaktives Signalpeptid NT-proBNP sind ist daher bei Herzinsuffizienz ein guter Parameter zur Diagnosesicherung und Prognoseabschätzung. Dieser Wert kann allerdings auch durch andere Faktoren vermehrt (Adipositas mit BMI > 30) oder vermindert (Niereninsuffizienz, COPD, Myokarditis) sein. Deswegen sind immer Anamnese, Klinik und Echobefund mit zu beurteilen.
- ANP (atrial natriuretic peptide) - Stimulierung der Natriurese
- BNP (brain natriuretic peptide) - Stimulierung der Natriurese, bei höheren Konzentrationen Stimulierung des renalen Blutflusses und der GFR (Glomeruläre Filtrationsrate)
- CNP (C-type natriuretic peptide)- Regulation Gefäßtonus (Vasodilatation)
- DNP (dendroaspis natriuretic peptide) - Hemmung der tubulären Natriumrückresorption
- Urodilatin - Hemmung der tubulären Natriumrückresorption
Remodelling
Unter Remodelling versteht man molekulare, biochemische und zelluläre Mechanismen, die nach einer Schädigung des Herzens seine Struktur und Funktion verändern.
Herzhypertrophie
Die akute Herzinsuffizienz führt zu einer Dilatation des Herzens. Bei chronischer Herzinsuffizienz spielt die Art der Belastung eine Rolle:
- Volumenbelastung (z.B. Klappeninsuffizienz) führt zu exzentrischer Hypertrophie (Hypertrophie mit Dilatation)
- Druckbelastung (z.B. Klappenstenosen, Hypertonie) führt zu konzentrischer Hypertrophie (Hypertrophie ohne Dilatation)
Symptome
Die Symptomatik der Herzinsuffizienz ist vielseitig und wird oft zusätzlich von den Symptomen der auslösenden Ursache überlagert. Mögliche Krankheitsanzeichen sind:
- Dyspnoe (Belastungs-, Ruhedyspnoe, Orthopnoe, Bendopnoe, paroxysmale nächtliche Dyspnoe);
- Müdigkeit, inadäquate Erschöpfung nach Belastungen, Schwäche, Lethargie
- Flüssigkeitsretention (Bein- oder Bauchschwellung, Gewichtszunahme), Nykturie
- Trockener Husten ("Herzhusten"), besonders nachts im Liegen
- Schwindel, Palpitationen, Synkopen
- Inappetenz, Übelkeit, Völlegefühl, Meteorismus, Obstipation, abdominelle Schmerzen, u.U. Gewichtsabnahme, Gedächtnisstörungen, Verwirrtheitszustände, kognitive Beeinträchtigung
- Hitzewallungen, Schwitzen, Nachtschweiß
Betroffene schlafen häufig auf Grund von Atembeschwerden mit erhöhtem Oberkörper.
Diagnostik
Die Diagnostik dient sowohl der Erfassung des Schweregrads der Herzinsuffizienz als auch der Abklärung ihrer möglichen Ursachen.
Körperliche Untersuchung
Bereits durch einfache klinische Untersuchungsverfahren wie Inspektion, Palpation und Auskultation kann die Verdachtsdiagnose einer Herzinsuffizienz erhärtet werden:
- Erhöhter Jugularvenendruck (Füllungszustand bei 45° Oberkörperhochlagerung und leicht rekliniertem Kopf)
- positiver hepatojugulärer Reflux, Hepatomegalie
- Verlagerter (und verbreiterter) Herzspitzenstoß, vorhandener 3. Herzton
- Pulmonale Rasselgeräusche, die auch nach Husten fortbestehen
- Tachykardie (Herzfrequenz > 90-100/Min.), irregulärer Puls, Tachypnoe (> 20/Min.)
- Periphere Ödeme (Knöchel, Unterschenkel, bei bettlägerigen Patienten auch sakral – ausgeprägt als Anasarka, Pleuraerguss, Aszites, Gewichtszunahme). Kardiale Ödeme sind im Gegensatz zu Lymphödemen meist leicht eindrückbar.
Apparative Diagnostik
- EKG: abgelaufene Myokardinfarkte? Herzrhythmusstörungen?
- Belastungs-EKG: Ischämiezeichen unter Belastung?
- Blutgasanalyse: Eingeschränkte Sauerstoffversorgung?
- Bildgebung
- Röntgen-Thorax: verbreiterter Herzschatten? vermehrte Gefäßzeichnung? Kerley-Linien? interstitielles Lungenödem?
- Echokardiographie: Herzmuskelfunktion? Herzklappen? Größe der Ejektionsfraktion?
- Stress-Echokardiographie: Wandbewegungsstörung?
- Myokardiale Strain-Analyse
- Kardio-MRT
Labordiagnostik
Blutuntersuchungen werden nur benötigt, um Ursachen und Komplikationen der Herzinsuffizienz (z.B. Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz oder Elektrolytstörungen) und mögliche Nebenwirkungen der Therapie erkennen zu können.
Seit Anfang des 21. Jahrhunderts steht mit der Bestimmung der Plasmakonzentration des brain natriuretic peptide (BNP bzw. NT-proBNP) ein Test zur Verfügung, der auch in der Alltagsroutine für die Diagnostik einer Herzinsuffizienz hilfreich sein kann. Je nach Ausmaß der Herzinsuffizienz sind die Werte mäßig bis stark erhöht, während niedrig normale BNP- oder NT-proBNP-Spiegel bei einem unbehandelten Patienten eine Herzinsuffizienz weitgehend ausschließen. Der Normbereich ist vom Alter und Geschlecht abhängig. Die Messung des BNP zur Differentialdiagnose und Verlaufskontrolle der Herzinsuffizienz ist inzwischen in die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und Kinderkardiologie eingeflossen.
Außerdem steigt mit zunehmender Herzinsuffizienz der Plasmaspiegel des Noradrenalin an und korreliert mit einer Prognoseverschlechterung.
Empfohlene Laboruntersuchungen bei V.a. Herzinsuffizienz
Untersuchungsverfahren | Begründung |
---|---|
Blutbild |
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Harnstoff und Kreatinin |
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Ferritin und Transferrinsättigung |
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Elektrolyte |
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y-GT (ggf. GOT, GPT) |
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TSH |
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Gesamteiweiß, Albumin |
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Blutuntersuchungen, die für seltenere und speziellere Fragestellungen eingesetzt werden können: | |
Glucose |
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CK, LDH, Troponin |
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Cholesterin, HDL, LDL |
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Virustiter |
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Autoantikörper |
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Kälteagglutinine |
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Invasive Diagnostik
- Koronarangiographie (Herzkatheter-Untersuchung) mit der Möglichkeit einer Erweiterung eventuell erkennbarer Gefäßengen (PTCA, Ballondilatation und ggf. Stenteinlage)
- Myokardbiopsie
Therapie
Risikokontrolle
- Kontrolle einer arteriellen Hypertonie; Myokardrevaskularisation bei Nachweis von ischämischem Myokard
- Therapie eines Herzklappenfehlers (Op, Ballonvalvuloplastie)
- Schrittmachertherapie bzw. antiarrhythmische Therapie bei arrhythmieinduzierter Herzinsuffizienz
- Therapie von Schilddrüsenfunktionsstörungen
- Anämiediagnostik und -korrektur
- Alkoholentzugsbehandlung bei alkoholtoxischer Kardiomyopathie
- Therapie von Perikarderkrankungen
Basistherapie
Die nicht-medikamentöse Basistherapie der Herzinsuffizienz besteht aus einer Reihe von Allgemeinmaßnahmen, die die Arbeitslast des Herzens reduzieren bzw. eine weitere Schädigung des Myokards verhindern sollen:
- Gewichtsreduktion
- Kochsalzreduktion
- Limitierung der Flüssigkeitszufuhr
- Limitierung bzw. Restriktion des Alkohol- und Tabakkonsums
- Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren (CVRF)
- An die Herzinsuffizienz angepasste körperliche Bewegung
Arzneimitteltherapie
Die Therapie mit Medikamenten erfolgt in Abhängigkeit vom Schweregrad der Herzinsuffizienz. Darüber hinaus sind die Symptomatik (z.B. Ödeme) sowie das Vorhandensein von Begleiterkrankungen (z.B. Hypertonie) wichtige Faktoren für die Festlegung der genauen Medikation. Als häufigste Wirkstoffgruppen werden verwendet:
Wirkstoffgruppe | Indikation | Besonderheiten |
---|---|---|
ACE-Hemmer | NYHA I: Mittel der Wahl | Senken die Gesamtmortilität (bis zu 25 %) und verbessern die Prognose. Bei Unverträglichkeit kommen alternativ AT1-Rezeptorantagonisten (Sartane) oder ARNI (s.u.) zum Einsatz. |
Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI) | NYHA II bis IV: als ACE-Hemmer-Ersatz bei persistierenden Symptomen einer HFrEF trotz Standardtherapie | Sacubitril in Kombination mit Valsartan;
ARNI haben eine gute Wirksamkeit, verursachen jedoch hohe Therapiekosten. |
Aldosteronantagonisten bzw. Mineralkortikoid-Rezeptorantagonisten (MRAs) | NYHA II bis IV | Spironolacton oder Eplerenon |
Betarezeptorenblocker | NYHA I: nach Myokardinfarkt oder bei tachykarden Rhythmusstörungen | Bisoprolol, Carvedilol oder Metoprololsuccinat |
NYHA II-IV | ||
SGLT-2-Inhibitoren | symptomatische HFrEF in Kombination mit ACE-Hemmer/ARNI und Aldosteronantagonisten | Dapagliflozin oder Empagliflozin;
Die Anwendung erfolgt unabhängig von einer Diabetes-Erkrankung |
HFpEF | Signifikante Reduktion der Mortalität und Hospitalisierung innerhalb von Studien.[2] | |
Diuretika | bei Stauungs-Zeichen | Zur Symptomlinderung, Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Verringerung der Krankenhausaufenthalte. |
Herzglykoside | bei tachykardem Vorhofflimmern | Digoxin oder Digitoxin |
ansonsten nur noch Reservemedikament bei therapierefraktärem NYHA III- und IV-Stadium! | ||
Phosphodiesterase-III-Hemmstoffe | NYHA III – IV und Intoleranz/Kontraindikation für ACE-Hemmer und AT1-Blocker | In Absprache mit Kardiologen |
Kombination aus ISDN und Hydralazin | Wird selten eingesetzt, u.a. bei symptomatischen Patienten mit einer LVEF ≤ 40 % und einer Intoleranz gegen ACE-Hemmer und AT1-Antagonisten. |
Laut der aktuellen DGK-Leitlinie werden bei einer HFrEF die vier Wirkstoffgruppen ACE-Hemmer oder ARNI, Aldosteronantagonisten, Betarezeptorblocker und SGLT2-Inhibitoren für alle Patienten empfohlen.[3]
In klinischer Prüfung befinden sich Myosin-Aktivatoren, z.B. Omecamtiv-Mecarbil.
Der medikamentöse Eingriff in den Wasser- und Elektrolythaushalt erfordert tägliche Gewichtskontrollen des Patienten.
Pharmaka, die bei Herzinsuffizienz vermieden werden sollen
- Kalziumantagonisten vom Nifedipin-, Verapamiltyp und Diltiazem vermeiden; bei symptomatischer KHK mit Angina pectoris-Beschwerden und/oder schlecht kontrollierter arterieller Hypertonie ggf. langanflutende Dihydropyridine (z.B. Amlodipin) verwenden
- Nichtsteroidale Antirheumatika inkl. COX-2-Hemmer (cave Selbstmedikation!); Ausnahme: niedrig dosierte Acetylsalicylsäure in der Prophylaxe von KHK bzw. pAVK
- Antiarrhythmika Klasse I und III2 (Ausnahme Amiodaron), andere negativ inotrope Substanzen: Carbamazepin, trizyklische Antidepressiva, Itraconazol und Alpha-Blocker
- Bei NYHA III – IV: Metformin (erhöhte Gefahr der Laktatazidose), Thiazolidindione (Glitazone). Hier sollten bei bestehendem Diabetes SGLT-2-Inhibitoren verwendet werden.
- Phytopharmaka und Nahrungsergänzungsstoffe (cave Selbstmedikation!)
Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (ICD)
Ein implantierbarer Kardioverter-Defibrillator (ICD) ist indiziert bei Patienten mit maligner Herzrhythmusstörung und/oder fortgeschrittener Herzinsuffizienz mit einer Ejektionsfraktion <30%.
Kardiale Resynchronisation (CRT)
Die kardiale Resynchronisation durch biventrikuläre Schrittmachersysteme ist indiziert bei Patienten mit einer Ejektionsfraktion <35 %, erhaltenem Sinusrhythmus und Linksschenkelblock.
Weitere unterstützende Therapien
Ventrikelreduktionsplastik, mechanische Unterstützungssysteme (Herzunterstützungspumpe)
Herztransplantation
Eine Herztransplantation ist die Ultima ratio, wenn andere Therapieoptionen versagen. Aufgrund des Mangels an geeigneten menschlichen Spenderorganen, wird klinisch auch die Transplantation gentechnisch veränderter xenogener Organe (Schweineherz) erprobt.
Überblick
Die Therapie der Herzinsuffizienz richtet sich primär nach der auslösenden Ursache. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über potenzielle Therapieansätze.
Ursachen | Mögliche therapeutische Ansätze |
---|---|
KHK | |
1. Chronisch ischämische Herzerkrankung | Ggf. Revaskularisation |
2. LV-Remodelling nach Myokardinfarkt | Konservativ-medikamentös |
3. Myokardiale Hibernation (vitales Myokard mit chron. Ischämie) | Baldige Revaskularisation |
Hypertonie, hypertensive Herzkrankheit mit LV-Hypertrophie | Einstellung der Hypertonie |
Kardiomyopathien (CMP) | |
1. Dilatative Kardiomyopathie (DCM, idiopathische Form) | Körperliche Schonung, Medikamente, Alternative Therapien und HTX erwägen |
2. DCM infolge toxischer Schädigung durch Alkohol, Drogen, Medikamente | Strikte Alkoholkarenz; strikte Drogenkarenz (insbes. Kokain); Überprüfung und ggf. Änderung der Medikation (z.B. NSAR, Zytostatika, etc.) |
3. Hypertrophe CMP mit Obstruktion (HOCM) | Medikamentös hochdosiert Verapamil; Diskussion: DDD-Schrittmacher; kathetertechn. Ablation der Septumhypertrophie oder operative Myektomie |
4. Hypertrophe CMP ohne Obstruktion | Hochdosiert Verapamil |
5. Restriktive CMP, idiopathische Form | Diskussion HTX |
6. CMP bei Speicherkrankheit (Amyloidose, Hämochromatose) | Symptomatisch und Behandlung der Grunderkrankung, z.B. Chemotherapie bei Plasmozytom, Aderlässe bei Hämochromatose |
Rhythmusstörungen | |
Tachykarde Formen | |
Chronisches oder akutes Vorhofflimmern | Medikamentöse Frequenznormalisierung; ggf. Rhythmisierung (elektrisch/medikamentös) |
Typisches Vorhofflattern | Kathetergesteuerte HF-Ablation |
Supraventrikuläre Tachykardien mit Reentry-Mechanismus (z.B. WPW-Syndrom) | |
Anhaltende ventrikuläre Tachykardien | ICD (implantierbarer Cardioverter Defibrillator), Antiarrhythmika, ggf. HF-Ablation |
Arrhythmogene rechtsventrikuläre Cardiomyopathie (ARVCM) | Antiarrhythmika; ICD (führt nur selten zur Herzins.) |
Bradykarde Formen | |
Sinus- oder AV-Knotenerkrankungen | ggf. DDD(R)-Schrittmacher |
Bradyarrhythmia absoluta bei chron. Vorhofflimmern | Überprüfung der Medikation; ggf. VVI(R)-Schrittmacher-Implantation |
Herzklappenerkrankungen | Operativer Klappenersatz oder Valvuloplastie |
Entzündliche Herzerkrankungen | |
1. Akute Myokarditis | Symptomatisch |
2. Akute Endokarditis mit hämodyn. bedeutsamer Klappendysfunktion | Operative Sanierung (Klappenersatz) |
3. Akutes rheumatisches Fieber | Antibiotika |
4. Konstriktive Perikarditis | Operative Sanierung (Perikardektomie) |
Herzbeteiligung bei Vaskulitiden und anderen Autoimmunerkrankungen | Immunsuppressive Therapie der Grunderkrankung; symptomorientierte Therapie |
Herzbeteiligung bei endokrinologischen und Stoffwechselerkankungen | Ausgleich der hormonellen und metabolischen Faktoren |
Hypo-/Hyperthyreose | |
Diabet. autonome Neuropathie | |
Anämie | Transfusion und Ursachenklärung |
Niereninsuffizienz | Ggf. Dialyse |
Quiz
Fortbildung
Leitlinien
Literatur
- Fischer, Denise / Kindermann, I. u.a.: Kognitive Einschränkungen bei Herzinsuffizienz. In: herzmedizin 26 (2009). H.2, S.63-68. Volltext abrufen
- Leitlinie: Evidenzbasierte Leitlinie zu Diagnose und Therapie der Herzinsuffizienz (evidence.de, Universität Witten/Herdecke)
Quellen
- ↑ Epidemiologie, Risiko- und Prognosefaktoren. NVL Chronische Herzinsuffizienz, 3. Aufl., Abgerufen am 22.08.2023
- ↑ Anker et al. Empagliflozin in Heart Failure with a Preserved Ejection Fraction New England Journal of Medicine 2021
- ↑ DGK: Pocket-Leitlinie: Akute und chronische Herzinsuffizienz (Version 2021) abgerufen am 07.02.2023
Bildquelle
- Bildquelle Flexikon-Quiz: ©Herbert Goetsch / Unsplash