Nephrotisches Syndrom
Englisch: nephrotic syndrome
Definition
Als nephrotisches Syndrom bezeichnet man den Symptomenkomplex aus
- erhöhtem Eiweiß im Urin (Proteinurie > 3,5 g/d),
- erniedrigtem Eiweiß im Blut (Hypoproteinämie < 60 g/L),
- erhöhten Blutfettwerten (Hyperlipoproteinämie) und
- peripheren Ödemen (bedingt durch Hypoalbuminämie).
Das nephrotische Syndrom ist ein Zeichen für die Schädigung der Nierenkörperchen (Glomeruli) bei verschiedenen Krankheiten mit Nierenbeteiligung.
Im Kindesalter ist das nephrotische Syndrom definiert als Proteinurie > 1 g/m2 KOF/Tag in Verbindung mit einer Hypoalbuminämie < 2,5 g/dl.
- ICD10-Code: N04.-
Ätiologie
Das nephrotische Syndrom selbst ist keine Krankheit, sondern ein Syndrom, das bei einer Reihe von verschiedenen Krankheiten mit Nierenbeteiligung auftreten kann. Es wird durch eine Störung der Blut-Harn-Schranke, häufig bedingt durch einen Defekt der glomerulären Basalmembran (GBM), ausgelöst. Bei erhaltener Perfusion liegt eine gestörte Filtrationsbarriere vor, wodurch es zu einer selektiv-glomerulären Proteinurie kommt. Das Syndrom kann in seltenen Fällen angeboren vorliegen (kongenitales nephrotisches Syndrom), ist jedoch meist erworben.
Zu den häufigsten Ursachen des nephrotischen Syndroms zählen:
- Membranöse Glomerulonephritis: die häufigste Ursache für das nephrotische Syndrom bei Erwachsenen
- idiopathisch
- sekundär: systemische Vaskulitiden, SLE, Tumorerkrankungen, Diabetes mellitus, Thyreoiditis, Infektionen (Hepatitis B, Hepatitis C, HIV, Treponema pallidum, Helicobacter pylori, Malaria, Toxoplasma gondii)
- Minimal-Change-Glomerulonephritis: die häufigste Ursache bei Kindern (> 90 %)
- Fokal segmentale Glomerulosklerose: ca. 20 % bei Kaukasiern, häufiger bei Menschen afrikanischer Abstammung
- Membranoproliferative Glomerulonephritis: ca. 5 %
Weniger häufige Ursachen sind:
- Diabetische Glomerulosklerose
- Amyloidosen: assoziiert mit Plasmozytom, Tuberkulose, rheumatoider Arthritis oder anderen Erkrankungen
- Sarkoidose
- C1q Nephropathie
- Akute interstitielle Nephritis: durch Schwermetalle (z.B. Quecksilber), Gifte oder Medikamente wie Goldsalze, NSAIDs, Penicillamin, monoklonale Antikörper etc.
Klinik
Durch die Schädigung der Glomeruli kommt es zu einem deutlichen Verlust an Eiweiß (Proteinen). Dies führt zu einer Reihe charakteristischer Symptome.
Proteinurie und Hypoproteinämie
Proteinurie von über 3,5 g pro Tag (bei einer Körperoberfläche von 1,73 m2). Die Symptome des Proteinverlusts sind:
- Infektionen (Verlust von Immunglobulinen)
- Aszites und Ödeme (Sinken des onkotischen Drucks des Plasmas)
- Thrombosen, Nierenvenenthrombose (Verlust von AT-III)
Ödeme
Der Organismus verliert große Mengen an Albumin. Durch die entstehende Hypoproteinämie bzw. Hypalbuminämie sinkt die Osmolarität im Gefäßbett - Flüssigkeit wird in das Interstitium verschoben, das zirkulierende Blutvolumen nimmt ab. Reaktiv steigt die Retention von Wasser und Natrium durch die Nieren an - die Ödeme werden verstärkt. Klinisch zeigen sich hier:
- Gewichtszunahme
- Gesichts- und Lidödeme
- Lungenödem
Hyperlipoproteinämie
Die Entstehung der Hyperlipoproteinämie ist nicht so einleuchtend und verständlich wie es bei den Ödemen der Fall ist. Es ist anzunehmen, dass durch den Verlust von Proteinen über die Niere die Synthese von Lipoproteinen in der Leber kompensatorisch gesteigert ist. Zudem ist bei vorliegendem nephrotischen Syndrom der Transport der Lipoproteine und deren Abbau eingeschränkt.
Komplikationen
Als Komplikation treten bei einem nephrotischen Syndrom vermehrt Thrombosen auf, die auf einen Verlust von Antithrombin III zurückzuführen sind. Besonders hoch ist das Risiko für Thrombosen wenn bereits vorher eine Hyperkoagulabilität (z.B. Faktor-V-Leiden-Mutation) vorlag.
Differentialdiagnosen
Nephrotisches Syndrom | Nephritisches Syndrom |
---|---|
Ödeme durch Hypoalbuminämie | Ödeme durch Wasserretention |
Proteinurie | Hämaturie |
Hypoproteinämie | Hypertonie |
Hyperlipoproteinämie | ggf. Flankenschmerzen |
Therapie
Die Therapie richtet sich auf die Behandlung der Grunderkrankung, bzw. die Beseitigung der Auslöser des nephrotischen Syndroms. Als zusätzliche Maßnahmen kommen in Frage:
- Flüssigkeitsbilanzierung
- Diät (Kochsalzrestriktion sowie adäquate Proteinzufuhr)
- Medikamentöse Therapie
- Diuretikagabe (kaliumsparende Diuretika und Thiaziddiuretika, später evtl. auch Schleifendiuretika)
- Glukokortikoide
- Albumininfusion
- CSE-Hemmer
- Antihypertensiva z.B. ACE-Hemmer (Cave: Kontraindikationen beachten, Hyperkaliämie-Risiko)
- Thromboseprophylaxe mit Heparin oder Phenprocoumon. Aufgrund des Antithrombin III-Verlustes sind höhere Dosen und engmaschigere Kontrollen in der Heparintherapie notwendig.
- Cyclophosphamid
- Ciclosporin
- Mycophenolat-Mofetil
- Rituximab
Anm.: Die Gabe von Glukokortikoiden führt nach vierwöchiger Behandlungszeit zur Einteilung in ein steroidsensibles oder steroidresistentes nephrotisches Syndrom.
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