Lungenödem
Englisch: pulmonary edema
Definition
Das Lungenödem ist eine Flüssigkeitsansammlung (Ödem) in der Lunge.
Pathophysiologie
In der Lunge behindern Diffusionswiderstände durch Flüssigkeitsansammlung im Interstitium oder in den Alveolen maßgeblich den Gasaustausch. Die Aufrechterhaltung der Flüssigkeitsbalance ist daher in der Lunge von besonderer Bedeutung. Die grundlegenden Regulationsmechanismen für diese Balance sind noch (2023) nicht vollständig geklärt.
Im Gegensatz zur terminalen Strombahn des Körperkreislaufs gibt es in der Lungenstrombahn normalerweise keine druckgetriebene Auswärtsfiltration aufgrund des hohen osmotischen Druckes im Vergleich zum geringen hydrostatischen Druck in der Kapillare.
Eine Erhöhung des pulmonalen Kapillardrucks führt daher schnell zu einem verstärkten Flüssigkeitsausstrom. Eine Flüssigkeitsansammlung in Interstitium oder Alveolen wird aber normalerweise durch verschiedene Mechanismen verhindert:
- Abnahme des interstitiellen kolloidosmotischen Druckes durch Verdünnung und damit Abnahme des Netto-Flüssigkeitsstroms nach der Starling-Gleichung
- Steigerung des Flüssigkeitsabstroms durch das Lymphsystem
- Rücktransport von Flüssigkeit aus den Alveolen in das Interstitium
Bei starker Erhöhung des pulmonalen Kapillardrucks kann es trotz dieser Mechanismen rasch zu einem Lungenödem kommen.
Durch die pulmonale Flüssigkeitsansammlung kommt es zu einer Abnahme der Lungencompliance und Vitalkapazität sowie zu einer Erhöhung des Atemwegswiderstandes. Zudem verlängert sich die Diffusionsstrecke für den Gasaustausch. Die Folge ist eine respiratorische Insuffizienz.
Lokalisation
Ein Lungenödem kann im bindegewebigen Stützgerüst der Lunge bzw. in den Zellzwischenräumen (Lungeninterstitium) oder in den Lungenbläschen (Alveolen) lokalisiert sein. Man unterscheidet daher:
Da das Lungengewebe aufgrund seiner geringen Zelldichte nur eine geringe Kapazität zur Aufnahme von Flüssigkeit hat, geht das interstitielle Lungenödem in der Regel schnell in ein intraalveoläres Ödem über.
Ursachen
Lungenödeme kann man grob in kardiogene Ödeme und nicht-kardiogene Ödeme einteilen.
Eine genauere Einteilung basiert auf den zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen, wobei eine klare Trennung nicht immer möglich ist. Man unterscheidet vereinfacht:
- Anstieg des mikrovaskulären Drucks bzw. Abfall des interstitiellen hydrostatischen Drucks
- Abfall des mikrovaskulären Drucks bzw. Anstieg des interstitiellen kolloidosmotischen Drucks
- Schädigung des Endothels und der epithelialen Barriere
- weitere Ursachen
Gestörter hydrostatischer Druck
Die häufigste Art des Lungenödems ist ein kardiogenes Lungenödem mit erhöhtem mikrovaskulärem Druck. Grundlage ist ein akutes oder chronisches Pumpversagen des linken Herzens, also eine Linksherzinsuffizienz. Das linke Herz ist nicht in der Lage, das ankommende Blut weiterzubefördern. Es kommt zum Rückwärtsversagen. Dadurch steigt der Druck im linken Vorhof und das Blut akkumuliert in den Lungenvenen – es entsteht eine Stauungslunge. Durch den erhöhten Druck in den Gefäßen wird die Flüssigkeit in das Interstitium und – bei fortbestehender Insuffizienz – in die Lungenalveolen abgepresst. Ursächlich für die Linksherzinsuffizienz sind z.B. eine hypertensive Herzerkrankung, eine Mitralklappenstenose, eine Aortenklappenstenose oder tachykarde Herzrhythmusstörungen.
Seltener entsteht ein erhöhter mikrovaskulärer Druck durch:
- pulmonale venookklusive Erkrankung (PVOD)
- fibrosierende Mediastinitis, mediastinale Raumforderungen
- vermehrte Volumenbelastung bzw. transfusionsinduzierte Hypervolämie (transfusion-associated circulatory overload, TACO): Sie entsteht durch vermehrte Infusionen, insbesondere bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion.
Umgekehrt kann auch ein Abfall des interstitiellen hydrostatischen Drucks zu einem Lungenödem führen. Ursächlich sind dann: zum Beispiel:
- akute Resorptionsatelektasen (z.B. durch Mukusimpaktion): Sie können zu einem Transsudat in die Alveolen führen ("Drowned Lung Syndrome").
- akute Reexpansion bei Hydro- oder Pneumothorax (Reexpansionsödem)
Gestörter kolloidosmotischer Druck
Ein Abfall des mikrovaskulären kolloidosmotischen Drucks entsteht z.B. durch:
- Inadäquate Volumentherapie (Transfusion von Kristalloiden)
- Hypoalbuminämie bei Lebererkrankung oder Nierenerkrankung (renales Lungenödem)
- Malnutrition
Umgekehrt führt eine Obstruktion der Lymphbahnen (z.B. bei Silikose) zu einem Anstieg des interstitiellen kolloidosmostischen Drucks.
Gestörte Epithelbarriere
Eine Endothelschädigung und Zerstörung der epithelialen Barrieren führen zu einem permeabilitätsbedingten (meist alveolären) Lungenödem. Es entsteht bei einem diffusen Alveolarschaden (DAD), der klinisch mit einem akuten Atemnotsyndrom (ARDS) einhergeht. Ursächlich sind z.B.
- Infekte: Mykoplasmen, Viren u.v.m.
- Inhalationsnoxen: Rauchgas, Chlorgas, Schwefeldioxid, Sauerstofftoxikose
- Aspiration: Süßwasser, Salzwasser, Magensaft (Mendelson-Syndrom)
- Medikamente: Azathioprin, Bleomycin, Busulfan, Chlorambucil, Cytarabin, Melphalan, Methotrexat, Mitomycin, Hydrochlorothiazid, Nitrofurantoin, Salicylate, Phenylbutazon
- Schock: Trauma, Sepsis
- Anaphylaxie
Permeabilitätsbedingte Lungenödeme ohne diffusen Alveolarschaden entstehen z.B. bei übermäßiger Einnahme von Opiaten und bei der transfusionsassoziierten Lungeninsuffizienz (TRALI).
Weitere Ursachen
- akute Pankreatitis
- kardiopulmonaler Bypass
- Fettembolie
- Luftembolie
- Urämie
- Hitze
- Blasenmole
- Radiation
- nach Lymphangiographie
- Schädigung von Kapillaren durch hohen Druck: Höhenlungenödem (HAPE), neurogenes Lungenödem (z.B. bei Schädel-Hirn-Trauma)
Symptome
Die Symptome des Lungenödems sind abhängig vom Grad der Ausprägung. Zu den typischen Symptomen des interstitiellen Lungenödems zählen:
- Dyspnoe, Tachypnoe, Orthopnoe
- verschärftes Atemgeräusch, ggf. Giemen
- Husten (Asthma cardiale)
Bei einem alveolären Lungenödem treten folgende Beschwerden auf:
- schaumiges, teils hämorrhagisches Sputum ("fleischwasserfarbener Schaum")
- Tachykardie
- Zyanose, Blässe
- Unruhe bis hin zur "Todesangst durch Ersticken"
In schweren Fällen kommt es zur Asphyxie.
Diagnostik
Klinische Untersuchung
Bei der Auskultation der Lunge fallen feuchte, grobblasige Rasselgeräusche auf, die in schweren Fällen schon ohne Stethoskop hörbar sind ("Brodeln" der Lunge). Das Atemgeräusch ist abgeschwächt, der Klopfschall normal bis gedämpft. Bei einem interstitiellem Lungenödem ist der Auskultationsbefund in der Regel unauffällig.
Bildgebung
Radiologische Zeichen eines Lungenödems im Röntgenthorax sind:
- basoapikale Umverteilung (Kranialisation)
- verdickte Interlobulärsepten (u.a. Kerley-B-Linien)
- unscharfe Begrenzung von Lungengefäßen, Herzschatten und Zwerchfellkuppeln
- Parahiläre schmetterlingsförmige Verschattungen
- Milchglastrübung
Als indirekte Zeichen gelten:
siehe Hauptartikel: Lungenödem (Radiologie)
Therapie
Zur symptomatischen Therapie wird eine Reihe von Sofortmaßnahmen eingeleitet. Eine sitzende Lagerung bessert oft bereits die Luftnotsymptomatik, da so der hydrostatische Druck in den Lungengefäßen gesenkt wird. Die langsame intravenöse Gabe von 5 mg Morphin verringert die Angstsymtomatik und die damit verbundene Atemarbeit. Bei bestehender Atemdepression oder Hypotonie ist sie allerdings kontraindiziert. In der Akutsituation erfolgt zudem die Applikation von Sauerstoff über eine Nasensonde. Gegebenenfalls kann eine Atemunterstützung mittels CPAP notwendig sein. In schweren Fällen ist eine Intubation und maschinelle Beatmung erforderlich.
Die Akuttherapie des Lungenödems richtet sich außerdem nach der Ursache: Bei einem kardialen Lungenödem empfiehlt sich eine Vorlastsenkung mittels Nitroglycerin und einem Schleifendiuretikum (20 bis 40 mg Furosemid i.v.). Ein toxisches oder allergisches Lungenödem wird mit inhalativen Glukokortikoiden behandelt.
Die Kausaltherapie besteht in der Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung (z.B. Linksherzinsuffizienz).
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