Silikose
von lateinisch: silex - Kiesel
Synonyme: Staublunge, Staublungenkrankheit, Quarzstaublungenerkrankung
Englisch: silicosis
Definition
Die Silikose ist eine Pneumokoniose, die durch eine langandauernde Einatmung von Quarzstaub-Partikeln entsteht. Sie gehört zu den entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten (BK-Nr. 4101).
Ätiologie
Zu den wichtigsten Expositionsquellen von Kieselsäure bzw. kristallinem Quarzsand (Siliziumdioxid, SiO2) gehören Bergbau, Steinmetzbetriebe, Sandstrahlerei und Zementherstellung, Gießereien sowie Steinbrüche (v.a. Granit).
Pathophysiologie
Die Kristalloberfläche der Siliziumdioxid-Partikel tritt in direkte Wechselwirkung mit den Zellmembranen des Lungengewebes. Nach ihrer Deposition in den Alveolen werden die Kristalle von Alveolarmakrophagen phagozytiert, die daraufhin zu Grunde gehen. Die Siliziumdioxid-Partikel können nicht abgebaut werden und werden erneut freigesetzt, daher wiederholt sich dieser Vorgang. Durch den Zellzerfall werden u.a. Zytokine frei, die eine Entzündungsreaktion mit Fibroblastenaktivierung in Gang setzen. Die Folge ist ein schrittweiser Gewebeumbau des Lungenparenchyms (Lungenfibrose) im Sinne einer hyalinisierenden Fibrose unter Bildung von multiplen konzentrischen Granulomen. Im weiteren Verlauf kann es zur Verschmelzung der Granulome mit Schwielenbildung kommen.
Die Gefährdung wächst mit der Zunahme des alveolengängigen Anteils der Staubfraktion und mit der Expositionszeit. Es sind hauptsächlich die Ober- und Unterlappen der Lunge betroffen.
Verlaufsformen
Akute Silikose
Personen, die auf begrenztem Raum mit Sandstrahlern oder in der Schleifmittelproduktion arbeiten, können bereits nach einer Expositonsdauer von 10 Monaten eine akute Silikose entwickeln. Die Latenzzeit beträgt dann zwischen sechs und 24 Monaten. Die akute Verlaufsform ähnelt der Alveolarproteinose. Sie kann auch nach Beendigung der Exposition einen schweren und progredienten Verlauf annehmen. Aufgrund von Verbesserungen im Arbeitsschutz tritt die akute Silikose immer seltener auf.
Chronische Silikose
Bei langfristiger, eher geringer Exposition kann die Einatmung von Quarzstaub nach einer Latenz von etwa 10 bis 20 Jahren zu kleinen rundlichen Verschattungen im Oberlappen führen, die bei asymptomatischen Patienten als radiologischer Zufallsbefund entdeckt werden (einfache Silikose).
Die noduläre Fibrose kann auch nach Beendigung der Exposition fortschreiten: Die komplizierte Silikose ist durch die Konfluenz und Ausbildung von nicht segmentalen Konglomeraten gekennzeichnet. Werden diese Verdichtungen größer, kann es zu einer gemischten restriktiven und obstruktiven Ventilationsstörung kommen. Die Maximalform wird als progressive massive Fibrose (PMF) bezeichnet.
Klinik
Eine akute Silikose äußert sich typischerweise durch eine rasch fortschreitende Dyspnoe. Es kann zu einer beatmungspflichtigen respiratorischen Insuffizienz kommen.
Die chronische Silikose verursacht in der Regel über lange Zeit keine Symptome. Später treten unspezifische Beschwerden wie Husten und Belastungsdyspnoe auf.
Diagnostik
Die Diagnosestellung der Silikose erfolgt mittels Röntgen-Thorax und HR-CT.
Akute Silikose
Die akute Verlaufsform zeigt sich im Röntgen-Thorax durch ein miliares Verschattungsmuster, im HR-CT durch diffuse Milchglastrübungen und eine Verdickung von Interlobär- und Interlobulärsepten (Crazy Paving).
Chronische Silikose
Typische Befunde der chronischen Silikose sind:
- mediastinale und bihiläre Lymphadenopathie mit oder ohne Verkalkungen (meist nodulär und eierschalenförmig)
- < 1,5 bis 10 mm messende Noduli in zentrilobulärer und perilymphatischer Verteilung: weichteildicht, je höher der Quarzstaubanteil umso dichter und schärfer begrenzt. Sie können partiell oder komplett verkalkt sein und koaleszieren (verschmelzen). Meist sind die dorsalen Ober- und Mittelfelder bevorzugt betroffen.
Bei der progressiven massiven Fibrose finden sich neben der Lymphadenopathie > 1 cm große Konsolidierungen ("silikotische Schwielen"), die partiell verkalken können. Hierbei sind ebenfalls die dorsalen Ober- und Mittelfelder bevorzugt betroffen. Weiterhin findet sich peripher der Schwielen ein kompensatorisches (vikariierendes) Emphysem.
Komplikationen
Kieselsäure wird als potenziell karzinogen eingestuft, sodass das Risiko von Lungenkrebs erhöht ist.
Weiterhin führt Kieselsäure zur Störung der Alveolarmakrophagen: Patienten mit Silikose erkranken häufiger an Tuberkulose, atypischer Mykobakteriose und Pilzinfektionen. Außerdem kann es zur Aktivierung einer latenten Tuberkulose (Silikotuberkulose) kommen.
Silikate haben immunadjuvante Eigenschaften. Daher sind Autoimmunerkrankungen mögliche Komplikationen der Silikose, z.B.:
Durch die Fibrosierung des perivaskulären Interstitiums und Aufbrauchen des pulmonalen Strombahnquerschnittes kann die Silikose auch zu einem Cor pulmonale führen.
Therapie
Zurzeit (2023) gibt es keine kausale Therapiemöglichkeit. Die obstruktive Komponente der Silikose wird – analog zur COPD – mit inhalativen Glukokortikoiden und Bronchodilatatoren behandelt. Des Weiteren ist eine Vermeidung bzw. konsequente Therapie von Infektionen wichtig, um ein Fortschreiten der Erkrankung und das Auftreten von Komplikationen zu verhindern.
Literatur
- AWMF: S2k-Leitlinie: Diagnostik und Begutachtung der Berufskrankheit Nr. 4101 Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) der Berufskrankheitenverordnung Stand 2016
- Müller-Quernheim: Interstitielle Lungenerkrankungen – Pneumokoniosen, 1. Auflage, Thieme Verlag, 2003, DOI:10.1055/b-0034-18731
- Universität Heidelberg: el-IPH: Silikose abgerufen am 18.08.2022
Weblinks
- Ing SK, Kho SS. Chronic Silicosis. New Engl J MEd 2024 - Fallbericht mit Abb.
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