Alveolarproteinose
Synonyme: pulmonal-alveoläre Proteinose, pulmonale Alveolarproteinose
Englisch: pulmonary alveolar proteinosis (PAP)
Definition
Bei der Alveolarproteinose, kurz PAP, handelt es sich um eine seltene Lungenerkrankung, die durch eine pathologische Akkumulation von surfactant-reichem, lipoproteinösem Material in den Alveolen gekennzeichnet ist.
Epidemiologie
Die Alveolarproteinose ist eine seltene Erkrankung, die vor allem im mittleren Lebensalter auftritt. Bei der genetischen Form sind v.a. Kinder betroffen. Männer erkranken häufiger als Frauen. Die Prävalenz wird auf ca. 6 bis 7 Fälle pro Million Personen geschätzt. 80 % der autoimmunen PAP-Patienten sind Raucher.
Ätiopathogenese
Autoimmune PAP
Über 90 % der PAP-Fälle sind autoimmuner Genese. In diesen Fällen lassen sich GM-CSF-Antikörper nachweisen. Die Folge ist eine gestörte Reifung und Funktion der Alveolarmakrophagen und eine beeinträchtigte Surfactant-Clearance. Eine relevante Staubbelastung liegt in bis zu 50 % der Fälle vor.
Sekundäre PAP
Seltener ist die sogenannte sekundäre Alveolarproteinose (5 - 10 %), die eine Vielzahl an Ursachen haben kann:
- Hämatologische Erkrankungen (75 % der sekundären PAP-Fälle): z.B. MDS, ALL, AML, CML, Hodgkin-Lymphom
- Immunschwäche: SCID, Agammaglobulinämie, nach Organtransplantation
- Inhalation von toxischen Substanzen: z.B. organische oder anorganische Stäube oder Dämpfe wie Quarz oder Metall.
- Infektionen: z.B. CMV-Infektion, HIV-Infektion, Tuberkulose, Nokardiose, PJP
- Malignome: Adenokarzinome, Glioblastoma, Melanome
- Andere: membranöse Glomerulonephritis, Dermatomyositis
Kongenitale PAP
In ca. 2 % der Fälle liegt eine genetische Ursache zu Grunde:
- Mutationen mit Beteiligung der Surfactant-Produktion: SFTPB, SFTPC, ABCA3, NKX2-1
- Mutationen des GM-CSF-Rezeptors: CSF2RA und CSF2RB (α- oder β-Untereinheit)
- Lysinurische Proteinintoleranz: SLC7A7
- Mutationen in Makrophagen und Abbau von Surfactant: GATA2
- Mutationen im Telomerase-Komplex: TERT
Pathophysiologie
Die Alveolarproteinose führt zu einer restriktiven Ventilationsstörung mit reduzierter Vitalkapazität. Häufig wird auch eine hypoxische oder hyperkapnische respiratorische Insuffizienz beobachtet.
Klinik
Die Krankheit macht sich in der Regel durch Belastungsdyspnoe bemerkbar. Weitere häufige Symptome sind Husten, Müdigkeit und Gewichtsverlust sowie gelegentlich Brustschmerzen oder Hämoptysen. In einem Drittel der Fälle sind die Patienten jedoch asymptomatisch.
Mögliche Komplikationen der Alveolarproteinose sind Infektionen mit Pilzen oder Bakterien sowie das Auftreten eines Spontanpneumothorax. Es besteht die seltene Gefahr der Entwicklung einer Lungenfibrose mit Cor pulmonale.
Mutationen in SLC7A7 führen zu lysinurischer Proteinintoleranz. Häufige Manifestationen sind Nieren- und Pankreasinsuffizienz sowie verschiedene pulmonale Manifestationen wie PAP.
Diagnostik
Grundlegend sind Anamnese und klinische Untersuchung. Bei der Lungenfunktionsprüfung zeigt sich eine mehr oder weniger ausgeprägte restriktive Ventilationsstörung. Die BGA ergibt häufig eine Hypoxämie bei Belastung und bei 30 % der Patienten auch in Ruhe. In den meisten Fällen ist die Kombination aus typischer Radiologie und den Ergebnissen der bronchoalveolärer Lavage (BAL) für die Diagnose ausreichend. Gelegentlich kann eine transbronchiale Biopsie erforderlich sein, während eine chirurgische Lungenbiopsie meist nicht notwendig ist.
Radiologie
Initial wird oft ein Röntgenthorax angefertigt, das in den meisten Fällen noduläre, weiche Infiltrate, seltener retikuläre, gröbere Infiltrate zeigt. Methode der Wahl ist die HRCT. Hinweisend ist ein Crazy-Paving-Muster, das durch verdickten Inter- und Intralobulärsepten und Milchglastrübungen in geographischer Verteilung gekennzeichnet ist.
Die genetische PAP weist teilweise radiologische Unterschiede auf: Häufig sind diffuse Milchglastrübungen und Lungenzysten.
Bronchoalveoläre Lavage
Weiterhin sollte eine Bronchoskopie mit BAL erfolgen. Die BAL-Flüssigkeit hat ein milchiges Aussehen. Die BAL-Zytologie kann einen erhöhten Anteil an Lymphozyten und eine erhöhte Gesamtzellzahl zeigen. Die Diagnose wird durch den Nachweis PAS-positiver extrazellulärer Korpuskeln und schaumiger Makrophagen bestätigt.
Labor
Ein Titer von Anti-GM-CSF-Autoantikörpern > 19 µg/ml hat eine Sensitivität und Spezifität von fast 100 % für die Diagnose einer autoimmunen PAP, während ein Titer < 10 µg/ml normal ist.
Differenzialdiagnose
Differenzialdiagnostisch sollte an andere Erkrankungen gedacht werden, die mit Crazy-Paving-Muster in der CT assoziiert sein können, darunter akute Exazerbationen der idiopathischen Lungenfibrose (IPF), akute interstitielle Pneumonien, akutes Atemnotsyndrom (ARDS), Lungenödem, medikamenteninduzierte Pneumonitis und Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie.
Therapie
Der Goldstandard der Behandlung ist die Ganzlungenlavage (WLL), die das eiweißhaltige Material aus den Alveolen entfernt und so die Oxygenierung wiederherstellt. Voraussetzungen sind eine Vollnarkose und die Intubation über einen doppellumigen Endotrachealtubus. Jeweils eine Lunge wird mit bis zu 40 l erwärmter Kochsalzlösung behandelt, während der Patient auf der kontralateralen Seite beatmet wird. Die Flüssigkeit wird so lange appliziert, bis sie klar wird. Während des Verfahrens sind regelmäßige bronchoskopische Lagekontrollen des Tubus und physiotherapeutische Maßnahmen erforderlich.
Bei der autoimmunen Form wird inhalativ und subkutan GM-CSF (z.B. Molgramostim, Sargramostim) substituiert. Rituximab und eine Plasmapherese kann in schweren, refraktären Fällen in Betracht gezogen werden. Die Verwendung von Immunsuppressiva wie Glukokortikoiden wird nicht empfohlen.
Es wurde ein Fall eines Rezidivs nach einer Lungentransplantation dokumentiert; dennoch kann eine Lungentransplantation mit Vorsicht erwogen werden. Im Hinblick auf eine gezielte Beeinflussung der Lipidhomöostase kommt eine Statintherapie infrage, jedoch mit geringer Evidenz. In den äußerst seltenen Fällen von PAP mit fortschreitender Fibrose werden antifibrotische Medikamente eingesetzt.
Bei der kongenitalen PAP unterscheiden sich die Therapiemöglichkeiten je nach Genmutation. Bei einer gestörten Surfactantproduktion sind Glukokortikoide Therapie der Wahl. Andere Immunmodulatoren können in Kombination eingesetzt werden. In fortgeschrittenen Fällen muss eine Lungentransplantation in Betracht gezogen werden. Bei genetischen Defekten des GM-CSF-Rezeptors hingegen kommt eine WLL infrage.
Prognose
Die Alveolarproteinose zeigt sehr variable Verläufe. Spontanremissionen, aber auch ein respiratorisches Versagen sind möglich.