Hämoptyse
Synonyme: Hämoptoe, Bluthusten
Englisch: hemoptysis
Definition
Als Hämoptyse wird das Abhusten von bluthaltigem Sekret aus dem Respirationstrakt bezeichnet. Sie muss von Blutungen aus der Nasenhöhle (Epistaxis) oder dem Gastrointestinaltrakt (Hämatemesis bzw. Pseudohämoptysen) abgegrenzt werden. Bei Aushusten größerer Blutmengen spricht man auch von einer Hämoptoe.
- ICD10-Code: R04.2
Nomenklatur
Die Angaben zur Definition der Hämoptoe variieren in der Literatur zwischen 100 und 1.000 ml in 24 Stunden (meist > 400 ml) oder 100-150 ml pro Hustenanfall. Oftmals werden beide Begriffe auch synonym verwendet.
Weiterhin wird der Begriff Hämoptyse häufig sowohl für blutig tingiertes Sputum, das rosafarbene schaumige Sputum bei Lungenödem oder reines Blut verwendet.
Ätiologie
Zu den häufigsten Ursachen für Hämoptysen zählen Bronchitiden, Bronchiektasien und Bronchialkarzinome. Eine Hämoptyse kann überall im Respirationstrakt entstehen. Meistens stammt das Blut aus den Bronchien bzw. aus den Bronchialarterien (Hochdrucksystem), seltener aus den Pulmonalgefäßen (Niederdrucksystem).
Infektionen
- Bronchitis: Bei viraler Bronchitis meist blutig tingiertes Sputum und geringe Hämoptyse. Bei chronischer Bronchitis können bakterielle Superinfektionen (z.B. Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis) die Entzündung und das Blutungspotenzial verstärken.
- Bronchiektasien: Rezidivierende bakterielle Infektionen führen zu Dilatation, Entzündung und verstärkter Vaskularisation der betroffenen Atemwege und begünstigen eine potentiell letale Hämoptoe.
- Tuberkulose: Früher weltweit häufigste Ursache, inzwischen in Industrieländern seltener. Blutungsquellen sind Kavernen oder seltener eine Erosion eines Pulmonalarterienaneurysma in eine Kaverne (Rasmussen-Aneurysma). Kavernen können auch durch Pilze, Nokardien oder nicht-tuberkulöse Mykobakterien (NTM) entstehen.
- Myzetome: Entstehen in Kavernen durch Aspergillus-Spezies. Die Neovaskularisierung kann zur Blutung führen.
- Lungenabszesse, nekrotisierende Pneumonien: Blutung durch Absterben des Lungenparenchyms. Meist Staphylococcus aureus, Klebsiella pneumoniae oder Anaerobier.
- Paragonimiasis: Infektion mit dem Lungenegel Paragonimus westermani oder verwandten Arten. Weltweit häufige Ursache der Hämoptyse, insbesondere in Südostasien und China.
Gefäßerkrankungen
- Lungenödem: Aufgrund des erhöhten linksventrikulären enddiastolischen Drucks. Meist rosafarbiges, schaumiges Sputum, jedoch auch Abhusten von reinem Blut möglich.
- Lungenembolie mit Lungeninfarkt: Hämoptysen entwickeln sich eher selten
- pulmonale Hypertonie (z.B. bei Herzklappenfehlern, insbesondere Mitralstenose)
- Gefäßektasie in einem Atemweg oder pulmonale arteriovenöse Malformation
- Ruptur einer aortobronchialen Fistel: kann zu einer massiven Blutung führen. Die Fisteln entstehen bei Aortenerkrankungen (z.B. Aortenaneurysma).
- diffuse alveoläre Hämorrhagie (DAH): starke Blutung in das Lungenparenchym, jedoch selten Hämoptysen. Ursächlich sind z.B. systemischer Lupus erythematodes, Kokain, toxische Gase, Stammzelltransplantationen.
- pulmorenale Syndrome (Granulomatose mit Polyangiitis, Goodpasture-Syndrom): Hämoptyse und/oder Hämaturie
Krebserkrankungen
Bronchialkarzinome (incl. Karzinoid und SCLC) führen häufig zu Hämoptysen. Auch Lungenmetastasen oder das Kaposi-Sarkom können eine Blutung auslösen.
Weitere Ursachen
- pulmonale Endometriose: zyklusabhängige (katameniale) Hämoptysen
- Fremdkörperaspiration
- diagnostische oder therapeutische Verfahren: Pulmonalvenenisolation, Pulmonalarterienkatheterisierung
- Thrombozytopenie, Koagulopathie, Antikoagulation, Thrombozytenaggregationshemmung: begünstigen Hämoptysen bereits bei Bagatelltraumen
- Trauma
Differenzialdiagnostik
Zentrale diagnostische Fragen sind:
- Wie stark ist der Blutverlust?
- Wo liegt die Blutungsquelle?
- Wie ist der Allgemeinzustand des Patienten?
Blutverlust
Die Angaben des Patienten sind hilfreich, jedoch nicht immer zuverlässig zu deuten. Für den medizinischen Laien können Rotverfärbungen eines eitrigen Sputums bereits dramatisch erscheinen. Andererseits nehmen besonders indolente Patienten auch große Hämoptoen als Lapalie hin.
Eine Objektivierung sollte daher durch Abnahme eines Blutbildes und Bestimmung des Hämatokrits erfolgen. Bei dieser Gelegenheit können zugleich die Blutgerinnung (INR, PTT) und der nephrologische Status (Retentionswerte, Urinstatus) als mögliche Hinweise auf die Ätiologie bestimmt werden.
Blutungsquelle
Hinweise zur Blutungsquelle liefert die Beschaffenheit des blutigen Sekrets (s.u.) und die körperliche Untersuchung des Nasenrachenraums und des Gastrointestinaltraktes, sofern möglich. Bei Bedarf sollte hierzu konsiliarischer Rat durch einen HNO-Arzt bzw. Gastroenterologen eingeholt werden.
Beschaffenheit des Blutes
Das Blut bei echten Hämoptysen ist in der Regel hellrot und hat einen leicht alkalischen pH-Wert. Dies kann differentialdiagnostisch zum Ausschluss einer Blutung aus dem Magen mit Hämatemesis (saurer pH, dunkelrotes Hämatin) führen.
Übler Geruch des blutigen Sekrets weist auf einen Lungenabszess oder eine Bronchiektase hin. Ist genügend Sputum zu gewinnen, sollte eine mikrobiologische Diagnostik eingeleitet werden.
Lokalisation der Blutungsquelle
Die Lokalisation der Blutungsquelle kann mittels Röntgen-Thorax, HRCT, MRT und Bronchoskopie erfolgen. Lässt sich die Blutungsquelle dennoch nicht bestimmten, liegt eine idiopathische Hämoptyse vor.
Über den sinnvollen Einsatz der apparativen Diagnostik entscheiden anamnestische Angaben und die erste körperliche Untersuchung des Patienten.
Anamnese
Wichtig ist es zunächst, die Charakteristik der Hämoptyse zu erfragen und nach Möglichkeit selbst zu beurteilen:
- Ist es der erste blutige Auswurf? Frühere Hämoptysen?
- Ist der Auswurf eitrig, schleimig?
- Handelt es sich um eine Blutbeimengung oder ist Blut der Hauptbestandteil?
Weiterhin sollten Vorerkrankungen erfragt werden. Insbesondere chronische Erkrankungen der Lungen und der Niere spielen eine besondere Rolle:
- Fieber, Schüttelfrost oder vorausgegangener Husten?
- Nikotinabusus, B-Symptomatik?
- Rezidiv eines Bronchialkarzinoms?
- bekannte Neoplasien oder Metastasen?
- Risikofaktoren für Bronchiektasien (z.B. zystische Fibrose, Sarkoidose)?
- AIDS (endobronchiales Kaposi-Sarkom)?
- Medikamenten-, Reiseanamnese
Körperliche Untersuchung
Initial sollten die Vitalfunktionen überprüft werden (Hypoxämie, Tachypnoe, Tachykardie?), die Nasen- und Mundhöhle inspiziert, das Atemmuster beobachtet sowie Herz und Lunge auskultiert werden:
- Feinblasige Rasselgeräusche (z.B. alveoläres Ödem bei Herzklappenfehler?)
- Grobblasige Rasselgeräusche (Bronchiektase?)
- Pleurareiben (Lungenembolie?)
- Giemen und Brummen (chronische Bronchitis?)
- Herzgeräusche (Herzklappenfehler?)
Weitere hilfreiche Zeichen sind Trommelschlägelfinger oder Zeichen einer Gerinnungsstörung (z.B. Ekchymosen, Petechien) sowie Teleangiektasien.
Labor
- großes Blutbild und Gerinnungsstatus: Infektion? Anämie? Thrombozytopenie?
- Elektrolyte
- Nierenwerte
- Urinstatus
Apparative Diagnostik
Bei geringer Hämoptyse ist eine ambulante Abklärung möglich, jedoch sollte immer ein Röntgen-Thorax angefertigt werden. Bei Patienten ohne Risikofaktoren einer Krebserkrankung und mit normaler Röntgenaufnahme, handelt es sich häufig um eine Bronchitis. Bei persistierender Blutung ist eine weiterführende Diagnostik indiziert.
Bei Patienten über 40 Jahren, Raucheranamnese oder rezidivierenden Hämoptysen ist eine Computertomografie (CT) indiziert, um z.B. Raumforderungen, Bronchiektasen und Parenchymläsionen darzustellen. Weiterhin kann eine CT-Angiographie aktive Extravasate lokalisieren. Mithilfe der flexiblen Bronchoskopie lässt sich ein endobronchiales Karzinom ausschließen. Sie wird in einigen Fällen (z.B. bei zystischer Fibrose) nicht empfohlen, da sie die definitive Behandlung verzögert. Des Weiteren kann eine konventionelle Angiographie durchgeführt werden.
Therapie
Bei einer massiven Hämoptyse bzw. Hämoptoe ist eine Akuttherapie angezeigt, während bei leichten Hämoptysen vorrangig eine diagnostische Abklärung erfolgen sollte. Die Akuttherapie verfolgt drei Ziele:
- Schutz der Atemwege und des nicht blutenden Lungenflügels, da der Patient rasch ersticken kann
- schnelle Lokalisation der Blutungsquelle: z.B. durch CT-Angiographie, Angiographie oder Bronchoskopie
- Stillen der Blutung
Ist die Blutungsquelle bekannt, wird der Patient mit der blutenden Seite nach unten gelagert. Eine endotracheale Intubation sollte primär vermieden werden, da Blut und Blutgerinnsel durch den endotrachealen Tubus weniger effektiv abgesaugt werden kann, als durch den Hustenreflex. Wenn eine Intubation jedoch notwendig ist, sollte der nicht betroffene Lungenflügel selektiv intubiert oder durch einen endotrachealen Doppellumentubus geschützt werden.
Die Blutstillung kann über das Lumen der Atemwege, über das beteiligte Blutgefäß oder durch eine operative Resektion des entsprechenden Gefäßes und Atemwege erfolgen. Bei einer peripheren Blutung ist eine gezielte Isolation und Okklusion des zuführenden Bronchus (z.B. mittels Ballonkatheter oder Tamponaden) das Ziel der Bronchoskopie. Bei einer Blutung aus zentralen Atemwegen wird ein Elektrokauter oder eine Argon-Plasma-Koagulation eingeesetzt. Auch das Spülen mit vasokonstriktiven Substanzen (z.B. verdünnte Katecholaminlösung, kalte physiologische Kochsalzlösung) kann erwogen werden. Bei massiver Hämoptyse stellt die Embolisation der ursächlichen Bronchialarterie das Verfahren der Wahl dar. Dadurch kann in > 80 % d.F. eine sofortige Stillung der Blutung erreicht werden, sie birgt jedoch das Risiko einer Embolisierung der Arteria spinalis anterior (Spinalis-anterior-Syndrom). Die operative Resektion weist eine Mortalitätsrate von bis zu 15-40 % auf und wird nur bei persistierenden Blutungen trotz initialer Therapiemaßnahmen durchgeführt.