Anti-GBM-Erkrankung
nach dem amerikanischen Pathologen Ernest William Goodpasture (1886–1960)
Synonym: Goodpasture-Syndrom
Englisch: Goodpasture syndrome, Goodpasture's syndrome, anti-GBM-disease
Definition
Die Anti-GBM-Erkrankung, auch bekannt als Goodpasture-Syndrom, ist eine seltene Autoimmunerkrankung, die primär die Lunge und die Nieren befällt. Es handelt sich um eine Kleingefäßvaskulitis, bei der Antikörper sowohl gegen die glomeruläre, als auch gegen die pulmonalkapilläre Basalmembran gebildet werden. Diese anti-GBM-Antikörper rufen eine Typ-II-Reaktion hervor.
Terminologie
Es existieren zwei verschiedene Manifestationsformen von anti-GBM-Antikörper-assoziierten Vaskulitiden. Beim Vollbild (Anti-GBM-Erkrankung) manifestiert sich die Erkrankung sowohl in der Niere als auch in der Lunge. Diese pulmorenale Form wurde ursprünglich als "Goodpasture-Syndrom" beschrieben. Dieser Begriff ist auch heute (2024) noch geläufig, wird jedoch zunehmend zu Gunsten des Begriffs der Anti-GBM-Erkrankung verlassen.
In etwa der Hälfte der Fälle beschränkt sich die Erkrankung jedoch auf die Niere, ohne pulmonale Manifestation. In diesem Fall spricht man von einer Anti-GBM-Nephritis.
siehe auch: Anti-GBM-Nephritis
Epidemiologie
Die Krankheit ist sehr selten. Die Inzidenz beider Manifestationsformen zusammen beträgt etwa 1 bis 2 Fälle pro 1.000.000 Menschen pro Jahr. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, wobei Männer etwas häufiger betroffen sind. Einen weiteren leichten Inzidenzanstieg gibt es zwischen dem 60. und dem 70. Lebensjahr, hier sind Frauen etwas häufiger betroffen.
In etwa 40 bis 60 % der Fälle ist nur die Niere betroffen, in den anderen Fällen kommt es zu einer Lungenbeteiligung.
Ätiopathogenese
Die Ätiologie der Anti-GBM-Erkrankung ist bisher (2024) nicht abschließend geklärt. Es werden verschiedene Faktoren als Auslöser diskutiert, z.B. werden verschiedene HLA-Merkmale mit einem erhöhten Risiko für die Entstehung der Anti-GBM-Erkrankung in Verbindung gebracht (u.a. HLA-DR15 und HLA-DR4). Andere Merkmale (z.B. HLA-DR1 und HLA-DR7) scheinen hingegen einen protektiven Effekt zu haben.
Eine pulmonale Beteiligung wird durch vorbestehende Lungenerkrankungen, Nikotinabusus und eine vorausgegangene Kohlenwasserstoffexposition (z.B. organische Lösungsmittel, Benzol, Kerosin) begünstigt. Auch vorangegangene Infektionen der oberen Atemwege haben einen prädisponierenden Effekt. Es wurde z.B. ein Anstieg der Inzidenz während der Covid-19-Pandemie beobachtet.
Auch vorangegangene Nierenschäden, insbesondere durch ANCA-assoziierte Vaskulitiden oder membranöse Glomerulonephritiden, erhöhen das Risiko für eine Anti-GBM-Erkrankung.
Die pathogenetisch ursächlichen glomerulären Basalmembran-Antikörper richten sich gegen die NC1-Domäne der α3- oder α5-Kette des Kollagens Typ IV, das sich vor allem in der Niere und der Lunge befindet. Die betreffenden Epitope sind physiologischerweise nicht auf der Oberfläche des Proteins exponiert (sog. kryptisches Epitop). Vermutlich kommt es durch Nieren- bzw. Lungenschädigungen zu einer Konformationsänderung im betroffenen Protein, wodurch die Epitope so gelagert werden, dass autoimmune Antikörper an sie binden können. Daraus resultiert eine Typ-II-Reaktion mit Aktivierung des Komplementsystems.
Klinik
Es bestehen relativ lange keine oder unspezifische Symptome wie Appetitlosigkeit oder Emesis. Der weitere Krankheitsverlauf hängt vom Ausmaß der Organmanifestation ab.
Nierenmanifestation
Der Nierenbefall führt zu einer rasch progressiven Glomerulonephritis, die unbehandelt in einer terminalen Niereninsuffizienz mündet. Symptome sind unter anderem:
- Abgeschlagenheit
- Ödeme
- rasch abfallende glomeruläre Filtrationsrate, im Verlauf weniger Wochen terminales Nierenversagen mit Elektrolytstörungen, Azidose oder Urämie möglich
- normozytäre Anämie
- arterielle Hypertonie
Lungenbeteiligung
- Dyspnoe
- Husten
- Im Spätstadium Hämoptysen mit konsekutiver Anämie und Lungensiderose
Diagnostik
Labordiagnostik
Labordiagnostisch finden sich erhöhte Entzündungswerte, erhöhte Nierenretentionsparameter und z.T. eine ausgeprägte Anämie aufgrund der chronisch-rezidivierenden Lungenblutungen.
In der Urindiagnostik kann eine Hämaturie (teils mit Makrohämaturie) und eine Proteinurie (subnephrotisch) festgestellt werden.
Die Diagnose wird durch die Bestimmung von Antibasalmembran-Antikörpern mittels indirekter Immunfluoreszenz oder ELISA gesichert. Gleichzeitig werden auch ANCA-Antikörper bestimmt, da ANCA-assoziierte Vaskulitiden eine Differenzialdiagnose sind und etwa ein Drittel der Patienten mit anti-GBM-Antikörpern auch ANCA-Antikörper im Blut haben. Bei diesen "doppelt positiven" Patienten ist das Rezidivrisiko höher.
Pathohistologie
Histologisch imponieren in einer Nierenbiopsie Halbmonde, oft in > 80 % der Glomeruli. Zudem finden sich lineare Ablagerungen von Immunglobulinen entlang der glomerulären Basalmembran. Diese können auch bei anderen Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus oder systemischer Lupus erythematodes) nachgewiesen werden, in Zusammenhang mit einer starken glomerulären Entzündungsreaktion spricht der Befund jedoch für das Vorliegen einer Anti-GBM-Nephritis.
Bildgebung
Die Lungenbeteiligung ist radiologisch mittels Röntgen-Thorax und Computertomographie feststellbar. In der Lunge können diffuse, bilaterale Verschattungen sichtbar sein.
Therapie
Unbehandelt führt die Krankheit immer zum Tod.
Zur Eliminierung der Antikörper wird eine Plasmapherese (täglich über 10 bis 20 Tage) durchgeführt. Zudem erfolgt eine immunsuppressive Therapie mit Glukokortikoiden in Kombination mit Cyclophosphamid. Unter dieser Therapie liegt das 1-Jahres-Überleben bei > 90 %. Der Therapieerfolg wird mittels Kontrolle der Autoantikörper beurteilt. Die meisten Patienten sind nach etwa 4 Wochen antikörperfrei.
In therapierefraktären Fällen wird Rituximab eingesetzt, jedoch ist die Datenlage hierzu nicht eindeutig (2024). Patienten, bei denen zusätzlich ANCA-Antikörper detektiert wurden, erhalten eine Erhaltungstherapie, z.B. mit Rituximab oder Azathioprin.
Weiterhin werden auftretende Lungeninfekte sofort antibiotisch behandelt. Das Rauchen sollte eingestellt werden. Rezidive sind möglich, aber selten.
Eine Transplantation darf erst erfolgen, wenn keine Autoantikörper mehr nachweisbar sind, um ein Rezidiv im Spenderorgan zu vermeiden.
Prognose
Die Prognose hat sich in den letzten Jahrzehnten verbessert, dennoch erleidet etwa die Hälfte der Patienten ein dialysepflichtiges Nierenversagen. Die Prognose für die Nierenfunktion ist umso schlechter, je mehr Halbmonde in der Histologie gesehen werden. Patienten mit einer initialen Dialysepflicht und annähernd 100 % Halbmonde haben eine sehr schlechte renale Prognose.
Literatur
- e.Medpedia – Anti-GBM-Nephritis und Goodpasture-Syndrom, abgerufen am 23.01.2024
- Windpessl et al., Anti-GBM-Nephritis, Die Nephrologie, 2023
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