AIDS
Synonym: erworbenes Immun-Schwäche-Syndrom
Englisch: acquired immune deficiency syndrome
Definition
Der Begriff AIDS, kurz für Acquired Immune Deficiency Syndrome, bezeichnet den spezifischen Symptomkomplex, der die Endstrecke einer Infektion mit dem HI-Virus (HIV-Infektion) darstellt. Im Verlauf zeigt sich eine schrittweise Zerstörung des Immunsystems durch den Untergang von CD4+ T-Lymphozyten (T-Helfer-Zellen). Die daraus resultierende Immundefizienz der Patienten erzeugt eine hohe Anfälligkeit für AIDS-definierende opportunistische Infektionen und/oder Tumoren.
Geschichte
HIV ist eng mit Viren verwandt, die AIDS-ähnliche Symptome in Primaten auslösen, und es ist allgemein akzeptiert, dass einer dieser Virustypen Anfang des 20. Jahrhunderts auf den Menschen übertragen wurde, obwohl es Hinweise darauf gibt, dass dies in isolierten Fällen bereits früher geschah.
Genaue Angaben über Zeit, Ort, Wirtstier, Art und Anzahl der Übertragungen sind nicht bekannt. Ein Virus, das fast identisch mit dem menschlichen HI-Virus ist und SIV genannt wird, wurde in Schimpansen gefunden. Nach jüngsten Untersuchungen von Virologen der Universität Birmingham/Alabama löst HIV-1, das von dem im Schimpansen gefundenen SI-Virus abstammt, die tödliche Immunschwächekrankheit aus. Durch eine genetische Analyse konnten die Wissenschaftler zeigen, dass das SI-Virus eine Kombination aus zwei Virusstämmen ist, die in bestimmten Meerkatzen vorkommen. Da Meerkatzen von Schimpansen gejagt und gefressen werden, müssen sich die Schimpansen mit den zwei Virusstämmen infiziert haben, aus denen sich dann in ihrem Körper das SI-Virus gebildet hat. Die Übertragung dieses SI-Virus auf den Menschen erfolgte nach Ansicht der Forscher wohl bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts durch den Verzehr von Schimpansenfleisch.
Weitere wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass das HI-Virus zuerst in West-Afrika auftrat, aber es ist nicht mit letzter Sicherheit geklärt, ob es nicht mehrere Virusherde gab, einer davon möglicherweise in Südamerika. Die erste Blutprobe, die nachgewiesenermaßen HIV enthält, wurde 1959 im Kongo genommen. Weitere Proben stammen von einem US-Amerikaner (1969) und einem norwegischen Matrosen (1976)
Epidemiologie
Weltweit waren 2020 etwa 38 Millionen Menschen mit HIV infiziert, 680.000 Menschen starben an den Folgen von AIDS. Als Todesursache nimmt AIDS jedoch nur noch Platz 19 in der Liste der häufigsten Todesursachen ein (WHO, Stand: 2019). Aufgrund der neuen Therapiemöglichkeiten sind die Todesfälle durch AIDS zwischen 2000 und 2019 um 51 % gesunken.[1]
In Deutschland lebten 2020 ca. 91.400 Menschen mit HIV, was einem Anteil von 0,1 % der Bevölkerung entspricht. Etwa 2.000 Menschen in Deutschland haben sich im Jahr 2020 neu mit HIV infiziert, wobei die Tendenz sinkend ist. In Deutschland erkranken rund 900 Menschen pro Jahr an AIDS oder einem schweren Immundefekt.[2] Heutzutage werden in Deutschland 97 % der HIV-Infizierten medikamentös behandelt, weshalb AIDS-bedingte Todesfälle nur noch selten vorkommen.[3]
In verschiedenen ethnischen Gruppen verläuft AIDS unterschiedlich, was auf vererbte genetische Merkmale zurückzuführen ist. Bei Afrikanern oder Asiaten bricht die Krankheit im Durchschnitt am schnellsten aus und verläuft am heftigsten. Bei Westeuropäern dauert es bei 10 - 15 % der Bevölkerung wesentlich länger bis zum Ausbruch, und bei geschätzten 1 % bricht AIDS auch nach 10 - 15 Jahren nicht (eventuell nie) aus. Der Durchschnitt bei der US-amerikanischen Bevölkerung liegt dazwischen.
Es wird angenommen, dass eine Mutation des Gens CCR5 diese Immunität hervorruft. Liegt die Mutation homozygot vor, dann bricht HIV praktisch nicht mehr aus, liegt sie heterozygot vor, dann verlangsamt sich der Infektionsverlauf. Diese Mutation bei wenigen Europäern entstand wahrscheinlich vor etwa 700 Jahren. Vermutlich war sie von Vorteil, weil sie auch eine gewisse Immunität gegen die Pest oder die Pocken verlieh. Diese Eigenschaft verbreitete sich durch natürliche Selektion während der Epidemien in der Bevölkerung. Zufälligerweise verleiht eben diese Eigenschaft heute eine Immunität gegen HIV und damit gegen den Ausbruch von AIDS.
Mikrobiologie
Das HI-Virus ist ein kugelförmiges Virus von ca. 100 nm Durchmesser und gehört zur Familie der Retroviren. Es wurde von Luc Montagnier, einem französischen Virologen, entdeckt. Zur Vermehrung benötigt das Virus Körperzellen, die den CD4-Rezeptor auf der Oberfläche tragen, da das Oberflächenprotein gp120 des HIV eine Bindung mit den CD4-Rezeptoren eingehen kann. Das sind vor allem die CD4-tragenden T-Lymphozyten (CD4-Lymphozyten, "T-Helferzellen"), die beim Menschen für das Einleiten der Immunantwort verantwortlich sind. Das HIV baut zur Vermehrung sein RNA-Genom in DNA-Form in das Genom der Wirtszelle ein (endogene retrovirale Genome), wodurch diese beginnt, Virusproteine und vom Virus benötigte Enzyme zu produzieren.
Die Bekämpfung der Infektion ist deshalb besonders schwierig, da die befallenen Wirtszellen dauerhaft neue Viren produzieren und bei der "Abschrift" der Geninformation häufig "Fehler" passieren, welche zur Folge haben, dass sich die Oberfläche des Virus immer wieder verändert. Man versucht daher zum Beispiel durch CD4-Impfstoffe das Andocken des HIV an den T4-Zellen zu verhindern oder auch die reverse Transkriptase zu hemmen, um die DNA-Synthese abzubrechen.
Frühere Bezeichnungen für das Virus sind:
- LAV = Lymphadenopathie-assoziiertes Virus
- HTLV III = humanes T-Zell-Leukämie-Virus III
- ARV = [AIDS]-assoziiertes Retrovirus
Neben HIV-1 (u. Subtyp O) gibt es in Westafrika eine Variante:
- HIV Typ 2
Infektion
Das HI-Virus wird durch kontaminierte Körperflüssigkeiten übertragen. Die häufigsten Infektionswege sind ungeschützter Sexualkontakt und die Benutzung nicht steriler Spritzen, z.B. bei Drogenkonsum. Bluttransfusionen sind ebenfalls eine mögliche Infektionsquelle, die allerdings heute in Deutschland durch Routine-Untersuchungen der Blutspender kaum noch Bedeutung hat.
Krankheitsverlauf
Nicht jeder, der vom HI-Virus befallen ist, hat automatisch AIDS. Die klinische Diagnose AIDS wird beim Auftreten von opportunistischen Infektionen, den sog. AIDS-definierenden Erkrankungen gestellt. Diese werden ausgelöst durch Erreger, die erst durch die von der HIV-Infektion ausgelöste Immunschwäche überhaupt krank machen können. Vorher gilt ein Patient lediglich als HIV-positiv. Als Maß für die Zerstörung des Immunsystems dient zudem die T-Helfer-Zellen-Zahl im Blut eines HIV-Infizierten. Nach der Zahl der T-Helfer-Zellen richtet sich auch die CDC-Stadien-Einteilung.
Die neurologischen Folgen von AIDS werden häufig unter dem Begriff Neuro-AIDS zusammengefasst.
Nicht-AIDS-definierende Erkrankungen
Neben den AIDS-definierenden Erkrankungen können folgende Infektionen als Sekundärkrankheit im Rahmen von AIDS auftreten:
Betroffenes Organ | Potentielle Erreger |
---|---|
Haut und Schleimhäute | |
Leber (Hepatitis) | |
Lunge (Pneumonie) | |
Lymphknoten |
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Dünn- und Dickdarm (Diarrhoe) |
Therapie
Eine HIV-Infektion wird grundsätzlich schnellstmöglich mit einer antiretroviralen Therapie (ART) behandelt, um die Virusreplikation zu unterdrücken und die Infektiosität zu senken.
Die Therapie muss lebenslang eingenommen werden. Unter der Therapie normalisiert sich die Lebenserwartung und es ist möglich, die Virusreplikation unter die Nachweisgrenze zu senken.
Wenn bei Diagnosestellung bestimmte schwere Infektionen vorliegen (z.B. Pneumocystis-jirovecii-Pneumonie) werden diese behandelt, bevor mit der ART begonnen wird.
Nach zwei Stammzelltransplantationen, bei der die Spender eine Mutation der CCR5-Rezeptor-Gene aufwiesen, waren die Transplantatempfänger virenfrei und benötigten keine ART mehr.[4]
Alternative Theorien
Zur Herkunft und Verbreitung von HIV und AIDS gibt es Theorien, die der gängigen wissenschaftlichen Sichtweise widersprechen (siehe auch AIDS-Leugnung):
- Es wird insbesondere argumentiert, dass die wissenschaftliche Evidenz nicht ausreicht, um Afrika als Herkunftsort zu benennen, um die absichtliche oder versehentliche Herstellung des HI-Virus im Labor auszuschließen oder um eine Übertragung zwischen Tier und Mensch (vom Affen auf den Menschen) anzunehmen. Zudem wird die Theorie aufgestellt, dass das HI-Virus möglicherweise das Ergebnis militärischer Experimente ist.
- Es gibt mehrere Gruppen, zum Beispiel die "Scientific Group for Reappraising the HIV-AIDS hypothesis", die einige 100 "AIDS-Dissidenten" umfasst. Der Zugang zu AIDS-Konferenzen wird ihnen laut eigenen Aussagen in aller Regel verweigert. Die Meinungen dieser Wissenschaftler reichen von der Zweifel an der Existenz von Retroviren oder HIV über die Testmethoden bis hin zu epidemiologischen Schlussfolgerungen, Zweifel an der Existenz einer eigenständigen Krankheit "AIDS" und Kritik an den Methoden der etablierten HIV-AIDS-Forscher.
Eine HIV-Infektion ist in Österreich im Gegensatz zur AIDS-Erkrankung nicht meldepflichtig. Diese erfolgt an das Ministerium in anonymisierter Form. In Deutschland ist bereits die HIV-Infektion meldepflichtig und erfolgt ebenfalls anonymisiert an das Robert-Koch-Institut in Berlin.
Quiz
Bildquelle
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Weblinks
Quellen
- ↑ WHO – The top 10 causes of death, veröffentlicht Dezember 2020
- ↑ Welt-Aids-Tag.de - Daten und Fakten zu HIV, abgerufen am 01.08.2022
- ↑ Robert Koch Institut – HIV-Infektion/AIDS, RKI-Ratgeber, abgerufen am 25.01.2024
- ↑ HIV-Heilung an der Charité. Pressemitteilung Charité Berlin 18.07.2024, abgerufen am 08.08.2024