Abkürzung: HIV (Human Immunodeficiency Virus)
Synonyme: LAV (Lymphadenopathie-assoziiertes Virus), HTLV III (Humanes T-Zell-lymphotropes Virus III), ARV (AIDS-assoziiertes Retrovirus), AIDS-Virus, häufig fälschlicherweise auch HIV-Virus
Englisch: HIV
Das HI-Virus ist ein zur Gruppe der Lentivirinae innerhalb der Familie der Retroviridae gehöriges RNA-Virus, das eine HIV-Erkrankung verursacht, die üblicherweise im Spätstadium zu AIDS führt.
Bisher sind zwei Typen von HI-Viren bekannt, das HIV-1 (inclusive Subtyp 0) mit den Subtypen M (Major), N (New) und O (Outlies) sowie das HIV-2, das im Wesentlichen in Westafrika endemisch ist und eine geringere Pathogenität aufweist. HIV-1 tritt sowohl global als auch in Deutschland deutlich häufiger auf als HIV-2. Deshalb liegt der Schwerpunkt der pharmakologischen Forschung auf dieser Virusvariante. Unter HIV-1 ist der M-Subtyp weltweit der häufigste.
Das HI-Virus ist das am besten untersuchte und am stärksten beforschte Virus überhaupt.
Über die Geschichte des HI-Virus berichten die meisten Quellen uneinheitlich.
Die am weitesten akzeptierte Lehrmeinung beinhaltet die Übertragung des Virus von Primaten auf den Menschen im Laufe der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Grund für diese Annahme ist die Ähnlichkeit zu in diesen Tieren vorkommenden Viren, vor allem dem SI-Virus (Simian Immunodeficiency Virus), das in Primaten Symptome auslöst, die denen von mit HIV infizierten Menschen ähneln.
Allgemein wird angenommen, dass die ersten Fälle von HIV-Infektionen in Afrika auftraten; von dort aus lässt sich die Erkrankung nach Haiti und später in die USA verfolgen, wo erste HIV-Fälle 1981 beschrieben wurden. Von ersten Infektionen in Europa wurde 1982 berichtet. Im Nachhinein untersuchte Blutproben wiesen HIV-Fragmente in Blutproben nach, die 1959 im Kongo entnommen wurden.
Die erste Isolierung des HI-Virus gelang Luc Montagnier 1983 aus einem Patienten mit Symptomen einer Lymphadenopathie; er nannte das Virus LAV (lymphadenopathia-associated virus). Dasselbe Virus wurde Monate später von Robert Gallo erneut isoliert, der es aufgrund seiner Ähnlichkeit zu den bereits bekannten lymphotropen Retroviren als HTLV III (human t cell lymphotropic virus) bezeichnete. Zwischen beiden Forschern entbrannte ein Streit um die Erstbeschreibung des Erregers, der erst durch eine gemeinsame Konferenz in Paris beigelegt werden konnte.
Erste Testmöglichkeiten gegen HIV kamen 1985 in Umlauf; sie basierten auf dem Nachweis von virusspezifischen Antikörpern im Blut. Dadurch wurde die Testung von Blutprodukten auf Virusbefall möglich.
Die Bindung des Virus an den CD4-Rezeptor von T-Zellen und Makrophagen wurde noch im selben Jahr nachgewiesen. 1986 entdeckte man das Typ-II-HIV und stellte mit dem AZT das erste lebensverlängernde Medikament vor.
Seit 1996 ist die Kombinationstherapie mit mehreren Virostatika Standard in der Behandlung von AIDS.
Das HI-Virus hat einen Durchmesser von etwa 100 nm und erscheint auf elektronenmikroskopischen Bildern in etwa rund.
Im Zentrum des Virus befinden sich zwei Kopien des Virus-Genoms in Form einzelsträngiger RNA-Moleküle, an die Proteine, vor allem das Nukleokapsid-Protein p9, gebunden sind. Ebenfalls mit der Nukleinsäure assoziiert sind die drei Hauptproteine des Virus, die Reverse Transkriptase, die Virus-Protease und die Integrase.
Das Genom des HI-Virus ist von einem Kapsid eingeschlossen, das von den Proteinen p24 und p7 gebildet wird.
Bei der Freisetzung des Virus aus der Wirtszelle umgibt sich das Kapsid typischerweise mit einer Virushülle aus Phospholipiden der Wirtszellmembran. An diese Membranlipide sind virale Matrixproteine gebunden, vor allem Protein p17.
In der Lipiddoppelschicht selbst sind neben Resten zellulärer Membranproteine zwei virale Glykoproteine verankert, das Transmembranprotein gp41 und das extrazelluläre Protein gp120, das für die Infektion von Körperzellen mit dem Virus von Bedeutung ist.
Das Genom des HI-Virus enthält nur neun Gene, so dass das Virus bei Replikation und Transkription seiner Proteine weitgehend auf zelluläre Enzyme und Substrate angewiesen ist.
Das Virusgenom besteht aus zwei Kopien einer Plusstrang-RNA-Kette, die im Core mit Proteinen assoziiert vorliegt, jedoch bei der Transkription nicht direkt als mRNA fungieren kann.
Am 5'- und 3'-Ende der RNA befinden sich sogenannte LTR-Regionen (long terminal repeats), die bei der Bildung viraler Genprodukte als starke Promotoren wirken; dazwischen befinden sich die Gene des HI-Virus, die für alle strukturellen und enzymatisch wirksamen Proteine kodieren.
Die RNA des HI-Virus weist nach bisherigen Erkenntnissen neun Gene auf; davon kodieren lediglich drei Gene (gag, pol, env) für weitergegebene Proteine, die anderen sechs Gene (Rev, Nef, Tat, Vif, Vpr, Vpu) kodieren für Regulationsfaktoren genetischer Prozesse.
Das HI-Virus besitzt nur einen Teil der Proteinausstattung, die für den Ablauf des viralen Vermehrungszyklus benötigt wird; es ist daher auf den Replikations- und Transkriptionsapparat der Wirtszelle angewiesen.
Nach Infektion einer Zelle wird das RNA-Genom des Virus in DNA transkribiert und in das Genom der Wirtszelle integriert (siehe unten: Pathomechanismus).
Sowohl die reverse Transkriptase als auch die menschlichen RNA-Polymerasen bauen statistisch gesehen etwa jede 10 000. Base fehlerhaft ein. Da beide Enzyme keine Möglichkeit von Proofreading oder Fehlpaarungsreparatur haben, verursachen sie damit mit einer Wahrscheinlichkeit von 10-4 fehlerhafte Informationen, so dass jede neu synthetisierte Nukleinsäure statistisch zwischen 3 und 5 Fehler enthält. Auf diese Weise entstehen mit der Zeit diverse Mutanten des HI-Virus, von denen einige vermehrungsfähig sind und andere Zellen infizieren. Sie weisen aber Unterschiede in der Aminosäuresequenz ihrer Proteine auf: Im Laufe der HIV-Erkrankung verändert sich damit die Struktur der Viren kontinuierlich und entzieht sich unter anderem so einer effektiven Immunabwehr.
Genom-Mutationen können zu insgesamt aggressiveren Virus-Varianten führen. Anfang des Jahres 2005 wurde in New York bei einem HIV-Patienten eine neue Variante des HI-Virus gefunden, die einen deutlich schnelleren Erkrankungsverlauf verursacht und eine multiple Resistenz gegen HIV-Therapeutika besitzt ("Super-HIV"). Diese Virus-Mutation scheint die Cytokin-Rezeptoren CCR5 und CXCR4 (X4) gleichzeitig für die Virusbindung nutzen zu können.
Neben den oben erläuterten regulatorischen Proteinen kodiert das Virusgenom vor allem für Strukturproteine und drei Enzyme, die nach der Freisetzung des Virus Bestandteil des Partikels sind.
Die strukturellen Proteine tragen Abkürzungen (p für Protein, gp für Glykoprotein) und Nummern, die das Molekulargewicht in Kilodalton (kDa) angeben:
Nach heutigem Wissensstand gliedert sich der virale Zyklus in sieben Phasen, die das Virus von Befall der Wirtszelle bis zu seiner erneuten Freisetzung durchlaufen muss.
Nach dem Eindringen des Virus in die Blutbahn des Menschen hat das Virus die Möglichkeit, über sein Oberflächenprotein gp120 an den CD4-Rezeptor verschiedener Blutzellen zu binden, vor allem CD4+-T-Zellen und Makrophagen. Prinzipiell sind jedoch alle Zellen, die den CD4-Rezeptor exprimieren, potentielle Zielzellen des Virus; dies trifft damit auch auf bestimmte Mikroglia-Zellen des ZNS und Zellen des Gastrointestinaltraktes zu.
Nach der Bindung des HI-Virus an seine Wirtszelle bildet sich innerhalb der Zellmembran eine Einbuchtung aus. Durch Vermittlung weiterer Rezeptoren, vor allem der Cytokin-Rezeptoren CCR5 und CXCR4, kann das Virus fester binden und seine Membran mit der Lipiddoppelschicht der Wirtszelle fusionieren. Dabei wird das Kapsid in das Zytosol freigesetzt.
In einem weiteren, als Uncoating bezeichneten Vorgang, setzt das Kapsid innerhalb des Zytoplasmas der Wirtszelle das Virusgenom frei. Die dabei relevanten Mechanismen sind noch weitgehend unverstanden.
Zusammen mit der Virus-RNA werden auch die im Viruskapsid enthaltenen Proteine freigesetzt. Die in die Zelle eingeführte reverse Transkriptase beginnt unmittelbar mit der Synthese des komplementären DNA-Stranges und danach mit der Bildung von DNA-Doppelsträngen, die sich zu Ringen schließen. Als Primer benutzt sie dabei menschliche tRNA-Moleküle, die im Zytoplasma vorhanden sind oder als Bestandteile des Kapsides aus lysierten Zellen mitgenommen wurden.
Die ringförmigen DNA-Doppelstränge werden durch das Enzym Integrase katalysiert vermutlich an zufälligen Stellen in das Genom der Wirtszelle eingebaut; damit liegt das HI-Virus als sogenanntes Provirus vor. Seine Gene lassen sich nun durch die menschliche RNA-Polymerase II ablesen, wobei die LTRs als starke Promotoren wirken.
Auch in der Latenzzeit kann das Immunsystem kompromittiert sein; die Ursache hierfür ist ebenfalls bisher unbekannt. Beim Befall größerer Mengen von immunkompetenten Zellen beginnt der Ausbruch von AIDS.
Nach Beendigung der Latenzphase beginnt die Wirtszelle mit der Transkription viraler Gene, wobei die vom HIV-Genom kodierten Regulatorproteine und wirtseigene Transkriptionsfaktoren an der Regulation beteiligt sind.
Von der gebildeten mRNA werden die viralen Proteine translatiert und posttranslational modifiziert: Zelleigene Glykosyltransferasen sorgen für die Glykosylierung der Hüllproteine gp41 und gp120, während die viruseigene Protease die beiden Proteine aus dem Vorläuferprotein gp160 freisetzt. Sie spaltet auch das Genprodukt von pol in die drei Enzyme Protease, Integrase und reverse Transkriptase
Aufgrund noch nicht verstandener Mechanismen bilden sich an bestimmten Stellen der Zellmembran Komplexe viraler Proteine, die die Ausknospung der Membran verursachen.
Schließlich entstehen reife Viruspartikel, die alle für einen weiteren Infektionszyklus benötigten Proteine enthalten.
Durch Lyse der Wirtszelle werden sie wieder ins Blut freigesetzt und binden erneut an CD4+-Zellen.
In Patienten mit einer bestimmten Mutation des Zytokinrezeptors CCR5 kann sich das HI-Virus nur schwer replizieren, da die Virusfusion erschwert ist. Bei heterozygoten Merkmalsträgern ist die Infektion erschwert, bei homozygoten Personen scheint eine natürliche Resistenz gegen HIV vorzuliegen.
Die genauen Mechanismen der Wirkung von HIV auf das Immunsystem sind noch weitgehend unbekannt. Man weiß, dass nach einer Infektion mit dem HI-Virus das Immunsystem über die primäre Immunantwort in der Lage ist, die Viruslast im Blut nahezu auf null zu senken; allerdings überdauern HI-Viren in T-Helferzellen und anderen Zellen und entziehen sich auf nicht genau verstandene Weise dem Immunsystem: Vermutlich exprimieren die infizierten Zellen keine viralen Proteine auf ihrer Oberfläche und können damit nicht als befallen erkannt werden. Die sekundäre Immunantwort läuft aufgrund der T-Zell-Hemmung nur schwach ab und spielt daher bei der Abwehr von HIV nur eine untergeordnete Rolle.
Paradoxerweise sinkt die Anzahl der T-Helferzellen im Blut stärker ab, als man den Virustitern nach erwarten dürfte. Man vermutet, dass es neben dem Befall dieser Zellen durch das HI-Virus noch andere Mechanismen gibt, die zu einer Suppression der T-Zell-vermittelten Immunantwort führen.
Die HIV-Infektion ist weltweit zu einer der häufigsten Krankheiten geworden, als Todesursache nimmt die durch das Virus bedingte Erkrankung AIDS Platz vier in der Liste der häufigsten erkrankungsbedingten Todesursachen ein.
Weltweit haben sich seit der Entdeckung des HI-Virus etwa 60 Millionen Menschen infiziert, davon lebten im Jahr 2002 42 Millionen Menschen, darunter etwa 60 000 in Deutschland. Jährlich infizieren sich etwa 1,8 Millionen Menschen mit dem Virus, davon 160 000 Kinder. In Deutschland nimmt man an, dass sich pro Jahr etwa 2000 Menschen neu mit HIV anstecken. Große Teile Afrikas und Südostasiens gelten als Hochrisikogebiete; in manchen Ländern dieser Regionen gelten zwischen 30 und 50% der Bevölkerung als infiziert.
Im menschlichen Organismus ist das HI-Virus in den meisten Körperflüssigkeiten nachzuweisen. Neben dem Blut und der Lymphe kommt das Virus auch in Speichel, Vaginalsekret, Ejakulat und Muttermilch vor.
Das HI-Virus ist vermutlich nicht plazentagängig, kann aber über Blutkontakte während des Geburtsvorganges auf das neugeborene Kind übertragen werden.
Das HIV ist sehr empfindlich gegenüber Luftexposition und Desinfektionsmitteln, so dass eine Übertragung durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion nahezu ausgeschlossen ist.
Vor allem ein direkter Kontakt mit Körperflüssigkeiten, vorwiegend Blut und Genitalsekreten, führt (allerdings statistisch gesehen nur in seltenen Fällen) zu einer Aufnahme des Virus und damit zu einer HIV-Infektion.
Typische Übertragungswege beinhalten den Geschlechtsverkehr, Gebrauch von infizierten Kanülen (Nadelstichverletzung) und medizinischen Geräten, intravenöse Übertragung von Blutprodukten und die perinatale Weitergabe.
(CDC = Centers for Disease Control and Prevention)
Die HIV-Infektion kann klinisch sowie laborchemisch in jeweils drei Kategorien unterteilt werden.
Laborchemisch unterscheiden die CDC ebenfalls drei Kategorien anhand der Anzahl CD4-positiver Lymphozyten:
Eine Testung auf HIV bedarf grundsätzlich der Einwilligung des Patienten. Eine Testung ohne Einwilligung des Patienten ist nicht erlaubt und letztendlich sogar ein Straftatbestand. Dies gilt auch im Krankenhaus, bei Untersuchungen vor operativen Eingriffen und bei Einstellungsuntersuchungen.
Da erst nach etwa 6 Wochen die ersten viralen Proteine in ausreichender Konzentration im Blut nachweisbar sind, muss nach einer Exposition diese Zeitspanne abgewartet werden, bevor ein aussagekräftiger Test durchgeführt werden kann.
Der routinemäßig durchgeführte HIV-Suchtest beruht auf dem serologischen Nachweis von im Blut befindlichen Antikörpern gegen Proteine von HIV-1 und HIV-2, sowie des p24-Proteins des Viruskapsids (kombinierter Antigen/Antikörpertest) im ELISA-Verfahren. Bis zur Nachweisbarkeit spezifischer Antikörper nach einer Infektion mit dem HI-Virus vergehen im Durchschnitt 22 Tage. Das p24-Antigen ist bereits nach 16 bis 18 Tagen im Serum nachweisbar. Der Test weist eine hohe Sensitivität auf. Auf Grund der niedrigen Prävalenz von HIV in Deutschland ist die Rate an falsch positiven Testergebnissen im Suchtest jedoch verhältnismäßig hoch (geringe Prätestwahrscheinlichkeit), weshalb nach einem positiven Befund im Suchtest immer ein Bestätigungstest erfolgen sollte.
Für die Untersuchung werden 3 ml Serum benötigt.
Üblicherweise wird bei einem positiven Testergebnis im ELISA-Suchtest ein zweimal durchzuführender Nachweis viraler Proteine durch einen Western Blot (Bestätigungstest) angeschlossen, um falsch positive Resultate zu vermeiden. Damit lässt sich die Wahrscheinlichkeit einer falsch diagnostizierten HIV-Infektion auf einen von 20.000 Fällen reduzieren. Der Bestätigungstest gilt als positiv, wenn Antikörper gegen mindestens ein Glykoprotein (env-Gen) und ein weiteres Protein aus einem anderen Genombereich (gag- oder pol-Gen) nachweisbar sind. Der Test weist eine hohe Spezifität auf.
Ein bestätigtes positives Ergebnis bedeutet, dass der Patient mit HI-Viren Kontakt hatte und Antikörper gebildet hat, erlaubt jedoch keine Aussage über das Stadium des Infektes. Bei unklaren Testergebnissen sollte eine Verlaufskontrolle nach 1 bis 3 Wochen erfolgen, bei dringendem Verdacht auf eine Infektion mit dem Hi-Virus ist eine RT-PCR durchzuführen.
Ein anderes, aus Kostengründen nicht routinemäßig durchgeführtes Verfahren zur HIV-Testung basiert auf dem Nachweis von viraler RNA mittels RT-PCR und anschließenden Quantifizierungsverfahren. Die RT-PCR verfügt über eine hohe Spezifität und Sensitivität und ist in der Lage, auch geringe Mengen an Viruskonzentration (40 Kopien/ml) im Blut zu detektieren. Im Vergleich zu den serologischen Testverfahren ist der Nachweis von viraler RNA im Blut bereits nach durchschnittlich 11 Tagen möglich, was die RT-PCR zu einem verlässlichen Diagnostikum im Frühstadium der Infektion macht.
Die Hauptindikation für die Durchführung einer RT-PCR liegt insbesondere bei der Bestimmung der Viruslast zur Beurteilung der Krankheitsprogression und dem Monitoring der antiretroviralen Therapie. Weitere Indikationen sind:
Für die Untersuchung werden 5 ml EDTA-Blut benötigt.
Neben den labormedizinischen Nachweisverfahren gibt es inzwischen auch HIV-Schnelltests, die Antikörper gegen HIV-1 und HIV-2 nachweisen können. Es gibt auch neuere Tests, die analog zum ELISA-Suchtest zusätzlich zu den Antikörpern das p24-Antigen bestimmen können. Die Test liefern schnell (15 Minuten) ein Ergebnis, sind jedoch anfällig für Anwendungsfehler und erfordern bei einem positiven Ergebnis einen anschließenden Bestätigungstest (s.o.). HIV-Schnelltests sind seit 2018 in Deutschland als Heimtests frei verkäuflich.
Bei bekannter HIV-Infektion sollten weitere Laborparameter bestimmt und Koinfektionen ausgeschlossen werden. Die Wahl der Parameter richtet sich insbesondere nach dem Ausmaß des Immundefektes (CD4+-T-Helfer-Zellzahl) und der klinischen Symptomatik des Patienten.
Bei der Erstuntersuchung nach positivem Testergebnis sollten folgende Parameter bestimmt werden:
Bei niedriger Zellzahl der CD4+-T-Helfer-Zellen (< 100/µl) sollten monatliche Kontrolluntersuchungen und der regelmäßige Ausschluss opportunistischer Infektionen erfolgen.
Mittlerweile gibt es eine Reihe von antiretroviralen Medikamenten, die an verschiedenen Stellen im Vermehrungszyklus von HIV ansetzen (siehe auch: Virostatikum):
Durch eine Hemmung der reversen Transkriptase kann das Virusgenom nicht mehr in DNA umgeschrieben werden und damit wird die Möglichkeit der Bildung neuer Viren unterbunden.
Heute stehen zur Hemmung der reversen Transkriptase eine Reihe von Medikamenten zur Verfügung, vor allem Analoga von Nukleosiden, die als Substrat verwendet werden können und zur Hemmung des Enzyms beziehungsweise zum Abbruch der DNA-Kette führen:
Durch die Hemmung der Integrase kann die zuvor gebildete virale DNA nicht mehr in das Genom der Wirtszelle eingebaut werden. Folglich wird die Translation von viralen Genprodukten unterbunden. Medikamente, die der Gruppe der Integrase-Inhibitoren angehören sind:
Die Protease spaltet die nach den viralen Genen translatierten Aminosäureketten in funktionelle Proteine. Durch eine Hemmung des Enzyms unterbleibt dieser Schritt mit der Folge eines Mangels an Genprodukten für das Assembling neuer Viren.
Gängige Präparate, die zur Therapie einer HIV-Infektion eingesetzt werden, sind im Folgenden aufgelistet:
Protease-Hemmer haben üblicherweise starke Wechselwirkungen, da sie mit Cytochrom-P-450-Enzymen der Leber interagieren und damit den Abbau anderer Substanzen über den P-450-Weg beeinflussen.
Die Therapie einer HIV-Erkrankung erfolgt üblicherweise nicht über ein Schema. Allerdings folgt die Gabe von Medikamenten einigen Grundsätzen: Man kombiniert mehrere Medikamente, um eine Bildung resistenter Viren zu verzögern (HAART). Die bis vor kurzem dogmatische Devise "Hit early, hit hard" hat sich in letzter Zeit etwas relativiert, da bei einigen Patienten bereits im Frühstadium Resistenzen auftraten und die Medikamente oft massive unerwünschte Wirkungen zeigen.
Prinzipiell besteht bei jeder HIV-infizierten Person die Indikation für eine dauerhafte medikamentöse Therapie, unabhängig vom Immunstatus und von der Viruslast. Der Grund dafür ist das Fortschreiten des Immundefektes bei unbehandelter Infektion mit den damit assoziierten Risiken.
Eine zeitnahe Therapieeinleitung sollte erfolgen:
Selten beobachtet man asymptomatische und niedrig-virämische Verläufe, die nicht mit einem Immundefekt einhergehen (sogenannte "Elite Controller"). Für solche Sonderfälle besteht aktuell (2021) keine Evidenz für die vorteilhafte Anwendung einer antiretroviralen Therapie, sodass die Therapieeinleitung verzögert werden kann. Gleiches gilt für asymptomatisch Infizierte ohne Kompromittierung des Immunstatus.
Unter bestimmten Umständen ist eine Verzögerung der Therapieeinleitung um einige Wochen sogar empfohlen, um ein Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS) zu verhindern. Dazu gehören behandlungsbedürftige opportunistische Infektionen wie die zerebrale Kryptokokkose und ggf. die Tuberkulose.
Folgende Vorraussetzungen sollten bei Beginn einer HIV-Therapie gegeben sein:
Die Prophylaxe einer HIV-Infektion nimmt einen wichtigen Stellenwert ein, da keine vollständige Viruselimination möglich ist. Latexhandschuhe sind bei der Arbeit mit Blut oder Blutprodukten Standard. Blutkonserven werden routinemäßig auf einen Virusbefall getestet. Geschützter Geschlechtsverkehr mit Gebrauch von Kondomen gilt besonders unter Risikogruppen (Homosexuelle, Prostituierte, andere promiskuitiv aktive Menschen) als der beste Weg der Prophylaxe einer geschlechtlich übertragenen Infektion.
Neben der Prophylaxe mit Kondomen ist in Hochrisikogruppen auch eine medikamentöse Präexpositionsprophylaxe (PrEP) mit der Kombination Tenofovir/Emtricitabin (Truvada®) möglich. Sie ist ein Europa seit August 2016 zugelassen. Die Erfolgsraten der medikamentösen Prophylaxe liegen in klinischen Studien zwischen 62 und 86%.
Die Gabe von antiretroviralen Medikamenten nach einer möglichen Infektion bezeichnet man als Postexpositionsprophylaxe (PEP). Die Therapie sollte möglichst schnell nach dem Ereignis (nach Möglichkeit innerhalb von 24 Stunden, besser innerhalb von 2 Stunden) erfolgen und für mindestens 28 Tage durchgeführt werden. Bei mehr als 72 Stunden zwischen Exposition und möglichem Beginn der PEP ist die Prophylaxe nach derzeitigem Kenntnisstand (2021) nicht mehr zu empfehlen.
Die Standardprophylaxe (medikamentöse PEP) besteht aus einer Kombinationstherapie:
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Indikationen zur HIV-PEP bei beruflicher Exposition (Indexperson HIV-positiv) sind:
Expositionsereignis | Viruslast > 50 Kopien/ml* | Viruslast < 50 Kopien/ml |
---|---|---|
|
Empfehlen | Empfehlen |
|
Empfehlen | Anbieten |
|
Anbieten | Nicht indiziert |
|
Nicht indiziert | Nicht indiziert |
* oder unbekannt
Indikationen zur HIV-PEP bei nicht-beruflicher Exposition sind:
Parenterale Exposition | |
---|---|
Expositionsereignis | PEP-Indikation |
Versehentliche Transfusion von HIV-haltigen Blutkonserven oder Erhalt von mit hoher Wahrscheinlichkeit HIV-haltigen Blutprodukten oder Organen | PEP empfehlen |
Nutzung eines HIV-kontaminierten Injektionsbestecks durch mehrere Drogengebrauchende gemeinsam | PEP empfehlen |
Verletzung an altem, weggeworfenem Spritzenbesteck – z.B. bei spielenden Kindern | keine PEP-Indikation |
Sexuelle Exposition | |
Expositionsereignis | PEP-Indikation |
Ungeschützter insertiver oder rezeptiver vaginaler oder analer Geschlechtsverkehr (z.B. infolge eines geplatzten Kondoms) mit einer bekannt HIV-infizierten Person |
PEP empfehlen, wenn:
PEP anbieten, wenn:
keine PEP-Indikation, wenn:
|
Sexuelle Exposition bei unbekanntem HIV-Status der Indexperson | |
Expositionsereignis | PEP-Indikation |
Ungeschützter Analverkehr zwischen Männern | PEP anbieten |
Ungeschützter heterosexueller Vaginal- oder Analverkehr
|
PEP anbieten |
Ungeschützter heterosexueller Vaginal- oder Analverkehr | keine PEP-Indikation |
Ungeschützter Oralverkehr mit Aufnahme von Sperma eines sicher oder wahrscheinlich mit HIV-infizierten Partners | keine PEP-Indikation |
Küssen oder Hautkontakt | keine PEP-Indikation |
Von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlene Impfungen bei Patienten mit einer HIV-Infektion und zugehörige Anwendungshinweise finden sich im Hauptartikel Impfindikationen (HIV).
Eine Eradikationstherapie im Sinne einer Heilung ist bis heute (2021) nicht in Sicht. Allerdings ist durch die Einführung wirksamer Medikamente das Bewusstsein der Gefahr einer HIV-Infektion in der Bevölkerung zurückgegangen. In den letzten Jahren lässt sich daher wieder eine leichte Zunahme der Neuinfektionen beobachten.
Fachgebiete: Immunologie, Virologie
Diese Seite wurde zuletzt am 29. Januar 2022 um 13:29 Uhr bearbeitet.
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