Bronchiektase
Englisch: bronchiectasis
Definition
Als Bronchiektase wird eine irreversible Ausweitung bzw. Aussackung eines Bronchus bezeichnet. Bronchiektasen treten bevorzugt in den dorsobasalen Lungenabschnitten auf und sind häufig von entzündlichen Vorgängen in der Bronchuswand und im umliegenden Gewebe begleitet. Sind die Bronchiolen betroffen, spricht man von einer Bronchiolektase.
Der Begriff Bronchiektasie dient als Name für das mit den Bronchialveränderungen verbundene Krankheitsbild.
- ICD10-Code: J47, Q33.4 (angeboren)
Epidemiologie
Die Prävalenz von Bronchiektasen hat mit dem höheren Durchschnittsalter der deutschen Bevölkerung in den letzten Jahren zugenommen (Stand 2024). Die Angaben liegen zwischen 1:1.000 und 1:250.000 Erwachsenen. Frauen sind im Vergleich zu Männer etwas häufiger betroffen. Nach dem 65. Lebensjahr nimmt die Häufigkeit zu.
Einteilung
...nach Ätiologie
Man unterscheidet angeborene (kongenitale) und erworbene Bronchiektasen.
Kongenitale Bronchiektasen
Kongenitale Bronchiektasen sind selten und können auf Fehlbildungen in der Embryonalzeit oder angeborenen Erkrankungen mit eingeschränkter mukoziliärer Clearance beruhen. Zu nennen sind:
- Zystische Fibrose (Mukoviszidose)
- Primäre ziliäre Dyskinesie (inkl. Kartagener-Syndrom)
- Tracheobronchomegalie (Mounier-Kuhn-Syndrom): Atrophie der elastischen Fasern und glatten Muskulatur der Trachea und der Bronchien der 1. bis 4. Generation
- Williams-Campbell-Syndrom: Knorpelstörung der Bronchien der 4. bis 6. Generation
- Yellow-Nail-Syndrom
Weitere kongenitale Erkrankungen können für Bronchiektasen prädisponieren, z.B.:
- angeborene Immunstörungen, z.B. variables Immundefektsyndrom (CVID), selektiver IgA-Mangel
- Alpha-1-Antitrypsin-Mangel
- Bruton-Gitlin-Syndrom
- Chediak-Higashi-Syndrom
- Louis-Bar-Syndrom
- Wiskott-Aldrich-Syndrom
Erworbene Bronchiektasen
Infektiöse Ursachen
Erworbene Bronchiektasen sind häufiger anzutreffen und entstehen durch eine Schädigung der Bronchialwand. Ursächlich sind häufig chronische, rekurrierende oder einmalige Infektionen und Entzündungen der Atemwege (Pneumonie, Bronchitis).
Frühkindlich erworbene Bronchiektasen entstehen v.a. durch virale Atemwegsinfekte mit begleitender Bronchiolitis (inkl. Swyer-James-Syndrom), aber auch durch Masern und Keuchhusten. Im Erwachsenenalter sind bakterielle und pilzbedingte Infektionen (inkl. Tuberkulose und NTM) häufiger.
Immunologische oder inflammatorische Ursachen
Zu den immunologischen oder inflammatorischen Ursachen zählen:
- Allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA)
- chronische Aspiration (z.B. von Mageninhalt)
- Inhalation toxischer Gase (z.B. Ammoniak)
- Autoimmunerkrankungen: rheumatoide Arthritis, Sjögren-Syndrom, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
- Bronchiolitis obliterans nach Lungentransplantation
Obstruktionsbronchiektasen
Eine weitere wichtige Ursache für Bronchiektasen ist eine Verengung des Bronchialsystems, die mit der Zeit durch Überblähung vorgeschalteter Bezirke zu Wanddefekten und zu einer Ausweitung führen. Man spricht dann von Obstruktionsbronchiektasen. Ursächlich sind z.B.:
- Fremdkörper
- Tumoren
- Lymphknoten
- Broncholithen
- postinfektiöse bzw. postinflammatorische Stenosen
Traktionsbronchiektasen
Narbig-fibrotische Veränderungen können durch Zug auf die angrenzenden Bronchien von außen zur Bildung von Traktionsbronchiektasen führen. Ursächlich sind z.B.
- idiopathische interstitielle Pneumonien
- Sarkoidose
- fibrotische Hypersensitivitätspneumonitis
- Strahlenfibrose
...nach Form
Nach Morphologie (und Schweregrad) unterscheidet man zwischen:
- zylindrischen Bronchiektasen
- varikösen Bronchiektasen
- sacciformen bzw. zystischen Bronchiektasen
Bei schweren Formen kann es zu einer bronchiektatischen Wabenlunge kommen.
Zylindrische Bronchiektasen
Zylindrische Bronchiektasen stellen die häufigste Form dar. Sie betreffen meist die kleinen peripheren Bronchien bilateral in den dorsobasalen Lungensegmenten. Die Aufweitung ist meist diskret und endet abrupt. Die Anzahl der Bronchialaufzweigungen ist normal. Die Verjüngung zur Peripherie fehlt, sodass sich die Bronchien bis in den Subpleuralraum abgrenzen lassen.
Variköse Bronchiektasen
Variköse Bronchiektasen weisen eine perlschnurartige Form mit abwechselnden Aufweitungen und lokalen Verengungen auf. Die Ektasie ist stärker ausgeprägt als bei den zylindrischen Formen. Der Übergang zum normalen Bronchus ist meist abrupt.
Sacciforme Bronchiektasen
Bei sacciformen Bronchiektasen handelt es sich um die ausgeprägteste Form. Es lassen sich mehrere Zentimeter große, ballonförmig aufgetriebene zystische Strukturen erkennen. Sie können in allen Lungenabschnitten vorkommen, reichen meist von zentral bis subpleural und betreffen ein gesamtes Lungensegment oder einen gesamten Lungenlappen. Die Zahl der Bronchialaufzweigungen ist reduziert. Bei neu aufgetretenen sacciformen Bronchiektasen muss an eine erworbene Bronchusstenose (Fremdkörpergranulom, endobronchialer Tumor) gedacht werden.
...nach Verteilungsmuster
Hinsichtlich des Verteilungsmusters unterscheidet man:
- Fokale Bronchiektasen: meist postinfektiös oder sekundär nach Aspiration. Kann auch sekundär durch zentrale Obstruktion entstehen, z.B. bei langsam wachsenden Tumor, Broncholith oder Fremdkörper.
- Zentrale Bronchiektasen: bei ABPA, Tracheobronchomegalie oder Mukoviszidose.
- Bronchiektasen im Oberlappen: Mukoviszidose, ABPA, Tuberkulose
- Bronchiektasen im Mittellappen, Lingula: Nicht-tuberkulöse Mykobakterien (Lady-Windermere-Syndrom)
- Diffuse Bronchiektasen: Infektionen, rezidivierende Aspirationen oder Kartagener-Syndrom
Pathogenese
Bronchiektasen stellen meist eine gemeinsame Endstrecke von verschiedenen Erkrankungen dar. Der Circulus vitiosus besteht aus verminderter mukoziliärer Clearance, chronischer Infektion und Entzündung, progredienter Zerstörung des bronchialen Gewebes und somit Prädisposition für die Entwicklung von weiteren Bronchiektasen. Bronchiektasen werden häufig von Mikroorganismen wie Haemophilus influenzae, Pseudomonas aeruginosa, Streptokokken, Branhamella catarrhalis und Staphylokokken kolonisiert.
Eine Ausnahme sind Traktionsbronchiektasen, die durch Verziehung des Parenchyms infolge eines schrumpfenden Prozesses entstehen.
Klinik
Milde Bronchiektasen rufen oft keine Symptome hervor. Produktiver, großvolumiger Husten (sog. "maulvolle Expektoration") ist eher ein Spätsymptom. Insbesondere morgens werden größere Mengen übel riechendes Sputum abgehustet. Hämoptysen sind ebenfalls möglich. Das in ein durchsichtiges Gefäß gefüllte Sputum teilt sich von oben nach unten in drei sichtbare Phasen: obere Schaumschicht, mittlere Schleimschicht und eitriger Bodensatz. Blutbeimengungen sind möglich.
Betroffene Patienten leiden an rezidivierenden Bronchitiden und Pneumonien (Sekretstau begünstigt Infektionen). Häufige Keime sind Haemophilus influenzae und Pseudomonas aeruginosa, wobei auch Mischkulturen mit gramnegativen Keimen (Proteus, Klebsiellen, E. coli) und Aspergillen vorkommen. Die chronische Infektion prädisponiert für Pleuraempyeme, Lungenabszesse, bronchopleurale Fisteln und Bakteriämien.
Bei fortschreitender Destruktion des Lungenparenchyms treten Belastungs- und Ruhedyspnoe sowie Zeichen eines Cor pulmonale in den Vordergrund. Unbehandelt entsteht eine Zyanose, es kommt ggf. zur Ausbildung von Trommelschlägelfingern und Uhrglasnägeln.
Diagnostik
Bildgebung
Erweiterungen der Bronchien lassen sich im Röntgen-Thorax und insbesondere in der Computertomographie (CT) erkennen. Sofern die Dauer der Veränderung nicht gesichert ist, sollte man anstelle von Bronchiektasen besser von einer Bronchialdilatation sprechen.
Röntgen-Thorax
Im Röntgen-Thorax sind meist nur ausgeprägte Bronchiektasen sichtbar. Daher funktioniert diese Untersuchung nur bedingt als Suchmethode, ist jedoch gut für Verlaufskontrollen geeignet. Typischerweise finden sich verdickte Bronchialwände in Form von dünnen, einzelnen oder parallel verlaufenden Verschattungslinien. Bei orthograder Projektion finden sich ringförmige Verschattungen mit einem Durchmesser von 5 bis 20 mm. Bei kompletter Mukoidimpaktion entstehen Rundherde. Sind die Bronchiektasen nicht vollständig mit Schleim gefüllt, sieht man Spiegelbildungen. Bandförmige Verschattungen mit einer Breite von 5 bis 10 mm und mehreren cm Länge sind erkennbar, wenn die mit Schleim gefüllten Bronchiektasen im Verlauf dargestellt sind. Sie zeigen in Richtung Hilus und teilen sich zur Peripherie hin V- oder Y-förmig auf. Weitere unspezifische Begleitzeichen sind:
- betonte Lungengefäßzeichnung
- peribronchiale Fibrose, oft mit Dystelektasen und Verziehung der Interlobärspalten oder Gefäßbündelung
- bei generalisierten Bronchiektasen (z.B. bei Mukoviszidose) ist die Lunge überbläht (Air Trapping)
- bei Exazerbation: fleckige und flächige Verschattungen
- bei chronischem Verlauf: Zeichen einer pulmonalen Hypertonie und eines Cor pulmonale
CT-Thorax
Die CT und insbesondere die HR-CT erlauben eine genaue Beurteilung von Bronchiektasen. Zylindrische Bronchiektasen fallen durch ein erweitertes Bronchiallumen auf, wobei der Durchmesser mit der begleitenden Arterie verglichen wird. Dabei ist darauf zu achten, dass der kleinste Bronchusdurchmesser gemessen wird und die Begleitarterie weder pathologisch aufgeweitet (z.B. bei pulmonaler Hypertonie) noch eingeengt (bei Oligämie) ist. Bei einem bronchoarteriellen Verhältnis von > 1 spricht man von einer bronchialen Dilatation. Ein Verhältnis von bis zu 1,5 kann bei asymptomatischen älteren Personen sowie bei Aufenthalt in großer Höhe normal sein. Weitere typische Zeichen sind:
- Siegelringzeichen: Pathologische Aufweitung des Bronchus neben seiner Begleitarterie im Querschnitt
- Tram-Track-Zeichen: Schienenstrangartige Doppelkontur, wenn der erweiterte Bronchus im Verlauf getroffen wird
Da die Aufweitung der Bronchien sehr diskret sein kann, wird die Diagnose oft nur durch ihre fehlende Verjüngung zur Peripherie oder durch den Nachweis von Bronchien in den peripheren Lungenabschnitten (< 1 bis 3 cm subpleural) gestellt. Die bronchiektatischen Aufweitungen enden abrupt. Bewegungsartefakte durch Atmung und Pulsation (v.a. in der parakardialen Lingula) können zu fehlerhaften Befunden führen. Eine häufige, aber weder spezifische noch obligate Begleiterscheinung sind verdickte Bronchialwände. In den distalen Abschnitten können zusätzlich Zeichen einer Bronchiolitis mit mikronodulären zentrilobulären Verdichtungen auffallen (Tree-in-Bud-Muster). Bei assoziierter konstriktiver Bronchiolitis zeigt sich ein Mosaikmuster und in Exspirationsaufnahmen ein Air Trapping.
Variköse Bronchiektasen zeigen eine perlschnurartige Aufweitung der Bronchiallumina (String of Pearls Sign). Sacciforme Bronchiektasen imponieren als multiple zystische Raumforderungen (Cluster of Grapes Sign). Dabei sind die Zysten segmental angeordnet, nehmen zur Peripherie hin zu und reichen vom Hilus bis in den subpleuralen Bereich.
Unabhängig vom morphologischen Typ verändert eine Sekretretention (Mukozele) das radiologische Bild der Bronchiektase: Orthograd getroffen stellen sie sich als Rundherde, im Längsschnitt als Y- oder V-förmige Verschattung dar. Der Inhalt der Mukozele kann unterschiedliche Dichtewerte aufweisen, gelegentlich auch Verkalkungen. Es kommt zu keiner Kontrastmittelanreicherung.
Zeichen einer Exazerbation sind verdickte Bronchialwände, Flüssigkeitsspiegel, peribronchiale Verdichtungen oder flächige Infiltrate.
Bei Traktionsbronchiektasen überwiegen die Zeichen der Lungenfibrose. Aufgrund der narbigen Veränderungen lässt sich eine Bündelung der bronchovaskulären Strukturen erkennen.
Magnetresonanztomographie
Insbesondere bei jüngeren Patienten wird zunehmend eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt. T1w- und T2w-TSE-Sequenzen dienen der Darstellung der großen Atemwege. Dabei können Bronchialwandverdickungen, bronchiale Dilatation und Mukusimpaktion dargestellt werden. Der Einsatz von hyperpolarisiertem Gas (Helium, seltener Xenon) dient der funktionellen Beurteilung von Air Trapping.
Szintigraphie
Zur Beurteilung der funktionellen Situation der gesamten Lunge kann zusätzlich eine Lungenszintigraphie erfolgen.
Labor
- Differentialblutbild
- Serumelektrophorese
- Gesamt-IgE: Bei Verdacht auf allergische bronchopulmonale Aspergillose
Weitere Diagnostik
- Bronchoskopie: Für die gezielte Antibiotikatherapie kann während einer Bronchoskopie mit einer bronchoalveolären Lavage Material für die mikrobiologische Diagnostik gewonnen werden.
- Lungenfunktionsuntersuchung: häufig obstruktive Ventilationsstörung, teils auch gemischt restriktiv-obstruktiv. Je nach Schweregrad ggf. Vorliegen einer respiratorischen Insuffizienz
Differenzialdiagnosen
Radiologisch müssen folgende Differenzialdiagnosen erwogen werden:
- reaktive Dilatation der Bronchien (reversibel): bei Vorliegen einer Atelektase
- chronische Bronchitis (COPD): Bronchialwandverdickungen bei normalem Durchmesser und Morphologie der Bronchien.
- Bronchusatresie: kongenitaler, blind verschlossener Bronchus ohne Anschluss an das zentrale Bronchialsystem mit Mukusimpaktion (Bronchozele), insbesondere im apikoposterioren Segment des linken Unterlappens. Assoziiert mit Hypertransparenz und Hypoperfusion des entsprechenden Lungensegments.
- zystische Lungenerkrankungen (z.B. pulmonale Langerhanszellhistiozytose oder Lymphangioleiomyomatose): keine Verbindung zwischen Zyste und Atemweg.
- Lungenkavität: z.B. bei Metastasen (Sarkom, Plattenepithelkarzinom, Urothelkarzinom) oder rezidivierender respiratorischer Papillomatose
- Lungenabszess: unregelmäßige Wand, Kontrastmittelanreicherung. Bronchialwandverdickung > 1 mm nur selten bei Bronchiektasen.
- thorakale arteriovenöse Malformation: im Gegensatz zur Mukozele massive Kontrastmittelanreicherung und Aufzweigung meist zum Hilus gerichtet.
Therapie
Konservative Therapie
Die Therapie von Bronchiektasen ist meistens konservativ und besteht aus Atemgymnastik, Gabe von notwendigen Impfungen und Verzicht auf Rauchen. Bei Superinfektionen werden gezielt Antibiotika wie z.B. Amoxicillin, Erythromycin oder Doxycyclin verabreicht. Bei Patienten mit häufigen Infekten, progredientem Verlauf und einer chronischen Infektion mit Pseudomonas aeruginosa werden Makrolide als Dauertherapie eingesetzt.
Inhalative Glukokortikoide können die Progression der Erkrankung verlangsamen, Bronchodilatatoren bei einigen Patienten die Symptomatik verbessern. Die Empfehlungen sind jedoch uneinheitlich.
In klinischer Entwicklung befindet sich der DPP-1-Inhibitor Brensocatib.
Operative Therapie
Eine operative Therapie z.B. in Form einer Segment- oder Lappenresektion ist bei jüngeren Patienten, häufig rezidivierenden Hämoptysen und Versagen der konservativen Therapieversuche indiziert.
Fortbildung
Literatur
- McShane PJ et al. Non-cystic fibrosis bronchiectasis. Am J Respir Crit Care Med. 2013
- Milliron B et al. Bronchiectasis: Mechanisms and Imaging Clues of Associated Common and Uncommon Diseases. Radiographics. 2015
- Javidan-Nejad C, Bhalla S. Bronchiectasis. Radiol Clin North Am. 2009