Selektiver IgA-Mangel
Englisch: selective IgA deficiency, sIgAD
Definition
Der selektive IgA-Mangel ist eine Form der primären Immundefizienz, bei der die Produktion von IgA gestört ist.
Epidemiologie
Der selektive IgA-Mangel ist die weltweit häufigste genetisch bedingte Immundefizienz. Die Prävalenz variiert je nach ethnischem Hintergrund und wird z.B. in England mit 1:875 und in Spanien mit 1:163 angegeben. In asiatischen und afrikanischen Ländern ist der selektive IgA-Mangel vergleichsweise selten.[1]
Ätiologie
Die genaue Ursache des selektiven IgA-Mangels ist noch (2023) unbekannt. Da es sich um eine heterogene Erkrankung handelt, wird davon ausgegangen, dass mehrere Ursachen verantwortlich sind.
Pathogenese
Pathogenetisch liegt ein Störung der Differenzierung von B-Lymphozyten zu IgA-produzierenden Plasmazellen vor. Es ist noch (2023) unklar, ob dieser Störung ein Defekt der B-Zellen, der TH2-Zellen oder der Treg-Zellen zugrunde liegt. Außerdem werden Störungen der Zytokinproduktion (u.a. IL-4, IL-6, IL-7, IL-10, IL-21 und TGF-β) nicht ausgeschlossen.[1][2]
Klinik
Bei 85 bis 90 % der Patienten zeigen sich keine oder nur geringe Krankheitssymptome (asymptomatischer Verlauf).[2]
Der symptomatische selektive IgA-Mangel ist gekennzeichnet durch:[2][3]
- Chronisch-rezidivierende, teils schwer verlaufende Atemwegsinfekte (Hauptsymptom), insbesondere Rhinosinusitis oder Pneumonie. Sie werden meist durch bekapselte Erreger wie Haemophilus influenzae oder Streptococcus pneumoniae ausgelöst.
- Anfälligkeit für eine Atopien, vermutlich durch vermehrten Anfall von Allergenen, die über die Schleimhaut ins Blut aufgenommen werden
- Intestinale Barrierestörung mit erhöhtem Risiko für
- Erhöhtes Risiko für Autoimmunerkrankungen, z.B.:
Ferner können Personen mit selektivem IgA-Mangel aufgrund der Atopie auf die Gabe von Blut oder Blutprodukten mit schwersten anaphylaktischen Reaktionen reagieren, sodass sie nur bei vitaler Indikation verabreicht werden dürfen. Dies liegt daran, dass IgA für Patienten mit IgA-Mangel ein Fremdeiweiß ist. Sie können durch Transfusion von IgA-haltigen Blutprodukten immunisiert werden und Anti-IgA-Antikörper der Klasse IgE bilden. Bei späteren Transfusionen lösen diese Antikörper Typ-I-Reaktionen aus.[1] Werden Erythrozytenkonzentrate transfundiert, sollten diese daher vorher gewaschen und weitgehend plasmafrei gemacht werden. Wenn Plasma zur Transfusion benötigt wird, besteht die Möglichkeit, Produkte von Spendern zu verwenden, die ebenfalls einen IgA-Mangel haben.[4]
Diagnostik
Die Diagnose wird bei einem IgA-Serumspiegel < 7 mg/dl bei regelrechtem IgG und IgM ab dem 4. Lebensjahr gestellt, sofern sekundäre Ursachen eines IgA-Mangels ausgeschlossen wurden.[5] Vor dem 4. Lebensjahr sind niedrige IgA-Werte physiologisch. Das IgE ist häufig erhöht.
Um einen transienten IgA-Mangel auszuschließen, empfiehlt sich eine Nachkontrolle nach etwa einem Monat.
Bei der Durchführung einer Zöliakie-Diagnostik sollte aufgrund der Möglichkeit eines (assoziierten) IgA-Mangels auch das Gesamt-IgA bestimmt werden, da die Diagnostik ansonsten falsch-negativ ausfallen könnte.
Hinweis: Referenzwerte sind häufig vom Messverfahren abhängig und können von den o.a. Werten abweichen. Ausschlaggebend sind die Referenzwerte, die vom Labor angegeben werden, das die Untersuchung durchführt.
Differentialdiagnosen
Wichtigste Differentialdiagnose ist ein medikamentös induzierter IgA-Mangel, z.B. durch:
Therapie
Eine Substitution von IgA ist nicht möglich. Einerseits ist der Anteil an IgA in den erhältlichen pharmakologischen Produkten nur minimal und für eine Substitution unzureichend. Andererseits existieren zwei IgA-Subtypen. Der vorwiegend im Serum befindliche Subtyp kann das schleimhautassoziierte IgA des Darms nicht ersetzen. Auch bei parenteraler Applikation wird er nicht an die Oberfläche der Darmschleimhaut transportiert.
Die Behandlung muss sich in der Regel auf eine rein symptomatische Therapie der Atemwegsinfekte (mittels Antibiotika) oder der gastrointestinalen Symptome beschränken. Sie umfasst Analgetika, Spasmolytika, Antidiarrhoika und die Vermeidung von Nahrungsmitteln, gegen die eine Allergie oder Unverträglichkeit besteht.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 1,2 R. Yazdani, et al.: "Selective IgA Deficiency: Epidemiology, Pathogenesis, Clinical Phenotype, Diagnosis, Prognosis and Management" Scandinavian Journal of Immunology, 2016.
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Yel L.: "Selective IgA deficiency" Journal of Clinical Immunology, 2010
- ↑ Zielen S, Bauer C.: "Primäre B-Zell-Defekte" in: Gortner L, Meyer S (Hrsg).: "Duale Reihe Pädiatrie" 5., vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2018.
- ↑ Vassallo RR. IgA anaphylactic transfusion reactions. Part I. Laboratory diagnosis, incidence, and supply of IgA-deficient products. Immunohematology 2004; 20: 226-33
- ↑ European Society for Immunodeficiencies: "IgA deficiency diagnostic criteria".
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