Glatte Muskulatur
Englisch: smooth muscle
Definition
Die glatte Muskulatur ist ein kontraktiler Gewebetyp. Es handelt sich um eine nicht willkürlich steuerbare Art von Muskulatur, die durch ihr Wirken unter anderem die Funktion, Anspannung und Form der inneren Organe beeinflusst.
Eigenschaften
Charakteristisch für die glatte Muskulatur ist die langgestreckte, dünne Muskelzelle (Myozyt), die keine Querstreifung aufweist. Glatte Muskulatur ist vornehmlich in den Wänden aller Hohlorgane anzutreffen (z.B. Darm, Atemwege, Blutgefäße, Harnwege und Geschlechtsorgane).
Im Vergleich zur quergestreiften Skelettmuskulatur verkürzt sich glatte Muskulatur wesentlich langsamer, aber dafür stärker (bis ein Drittel der Ausgangslänge). Sie ist im Allgemeinen nicht durch den Willen steuerbar und kann lange Zeit ohne großen Energieaufwand, Ermüdung oder Aktionsströme im kontrahierten Zustand verharren (echter Muskeltonus).
Histologie
Morphologie
Glatte Muskelzellen (SMCs) haben eine spindelförmige Grundform, die dadurch zustande kommt, dass sich ihr Zellleib an beiden Polen verjüngt. Ihre Länge variiert je nach Verwendungsort und Grad der Kontraktion. In Blutgefäßen besitzen die glatten Muskelzellen eine Länge von 15-20 µm. Im Uterus von schwangeren Frauen kann die Länge einer Muskelzelle durch funktionelle Anpassung am Ende der Schwangerschaft auf bis zu 800 µm angewachsen sein. Ihr Durchmesser liegt durchschnittlich bei 5-8 µm, wobei aber auch hier der Grad der Kontraktion entscheidend ist. Zellen im kontrahierten Zustand sind dicker als Zellen im erschlafften Zustand.
Der längliche, stabförmige Zellkern liegt, wie die meisten anderen Zellorganellen auch, zentral im Zytoplasma. Er besitzt einen runden Querschnitt und weist relativ wenig Chromatin auf. Der Kern ändert sich mit dem Funktionszustand der Muskulatur und nimmt während der Kontraktion ein leicht gefaltetes Aussehen an. Die Relation zum Volumen des Zytoplasmas bleibt dagegen weitgehend erhalten.
Jede Zelle ist von einer Basallamina umgeben, die im Bereich der Zellkontaktstellen allerdings ausbleibt. Ferner überzieht ein Strumpf aus retikulären Fasergittern die Zelle.
Glatte Muskelzellen kommen meist in Gruppen vor - dicht gepackt oder in Form kleiner Bündel. Aufgrund ihrer Spindelform zeigen die Zellverbände in histologischen Schnitten ein charakteristisches Bild mit runden bis ellipsoiden, stark variierenden Zellquerschnitten. Dabei sieht man nebeneinander kleine, mittelgroße und große Zellanschnitte.
Einteilung
...nach Innervationsmuster
Glattes Muskelgewebe kann aufgrund seines Innervations- bzw. Funktionsmusters in zwei Typen differenziert werden:
- Single-Unit-Typ
- Multi-Unit-Typ
Beide Typen können auch in Mischformen vorkommen, z.B. in der Gefäßmuskulatur.
Single-Unit-Typ
Der Single-Unit-Typ kommt vor allem in der Darmwand, im Uterus und in den Harnleitern vor. Bei diesem Typ werden die glatten Muskelzellen durch so genannte gap junctions elektrisch gekoppelt. Diese Zellverbindungen ermöglichen den schnellen Austausch von Ionen und Second Messenger-Molekülen, was eine schnelle Erregungsausbreitung zur Folge hat. Der Zellverband kontrahiert dadurch sozusagen synchron. Die Auslösung der Erregung erfolgt durch Schrittmacherzellen, deren Aktivität durch Fasern des vegetativen Nervensystems modifiziert wird.
Multi-Unit-Typ
Der Multi-Unit-Typ begegnet einem unter anderem in den Haarmuskeln (Musculus arrector pili), in den inneren vegetativen Augenmuskeln, im Ductus deferens sowie in den Atemwegen und Blutgefäßen. Bei diesem Typ ist die Kontraktion nur begrenzt oder gar nicht von den Nachbarzellen abhängig. Die Zellen werden stattdessen durch Nervenfasern des vegetativen Nervensystems innerviert. Sie geben über spezielle Nervenendigungen, die so genannte "Synapse par distance", Transmittersubstanzen an die glatte Muskelzelle ab.
...nach Kontraktionstyp
Basierend auf ihrem Kontraktionsverhalten kann man die glatte Muskulatur in zwei Typen einteilen:
Im Gastrointestinaltrakt kommen beide Kontraktionstypen vor. Die phasische Kontraktion ist Basis der Peristaltik. Tonische kontrahierende Sphinkter sind Grundlage für den gerichteten Transport des Speisebreis von oral nach aboral. Zudem findet man tonisch kontrahierende Muskeln vor allem in den Wänden von Blutgefäßen und des Bronchialbaums.
Kontraktion
Bei stärkster Vergrößerung kann noch lichtmikroskopisch im Längsschnitt eine sehr feine, zarte Streifung gesehen werden. Diese Myofibrillen sind als Fäden ins Sarkoplasma eingebettet. Im Polarisationsmikroskop sind sie im Gegensatz zu den quergestreiften Fibrillen der Herz- und Skelettmuskulatur anisotrop (aufleuchtend).
Die Kontraktion der glatten Muskelzellen ist wie bei der quergestreiften Muskelzelle auf das Gleiten der Myofilamente (Gleitfilamenttheorie) zurückzuführen. Myofilamente, bestehend aus Actin und Myosin, bilden eine Komponente der Myofibrillen aus. Die zweite Komponente ist das Zytoskelett, das sich aus Intermediärfilamenten und nicht-muskulärem Actin zusammensetzt und sich wie ein Netz durch die Zelle zieht. Es dient bei Kontraktion den Aktin- und Myosinfilamenten als Ansatz. Glatte Muskelzellen finden sich in Bündeln fest im Bindegewebe zusammen. Zugkräfte können so problemlos übertragen werden.
Innervation
Glatte Muskelzellen werden durch das vegetative Nervensystem gesteuert. Noradrenalin ist dabei der Neurotransmitter des Sympathikus, Acetylcholin der des Parasympathikus.
Klinische Aspekte
Glatter Muskulatur und ihren Funktionsstörungen begegnet man in der ärztlichen Praxis häufiger als Skelett- oder Herzmuskulatur. Sie regeneriert sich sehr schlecht, meist über Bildung einer Bindegewebsnarbe. Fehlerhafte glatte Muskulatur ist ursächlich für viele Krankheitsbilder (z.B. Wehenschwäche des Uterusses oder Asthma bronchiale).
Podcast
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: © James Barr / Unsplash