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Langerhanszell-Histiozytose

(Weitergeleitet von Langerhanszellhistiozytose)

Synonyme: Langerhans-Zell-Histiozytose, Histiozytose X, Langerhans-Zell-Granulomatose
Englisch: Langerhans cell histiocytosis

1. Definition

Der Begriff Langerhanszell-Histiozytose, kurz LCH oder LZH, umfasst eine Gruppe von Erkrankungen, die durch die klonale Proliferation von sogenannten Langerhans-Zellen gekennzeichnet sind. Diese Zellen infiltirieren verschiedene Gewebe und bilden dort Granulome. Es handelt sich um den Hauptvertreter der Klasse-L-Histiozytosen.

2. Geschichte

Die LCH wurde erstmals von Louis Lichtenstein beschrieben, der die bis dahin als Einzelerkrankungen angesehenen LCH-Manifestationen – die Hand-Schüller-Christian-Krankheit, die Abt-Letterer-Siwe-Krankheit und das eosinophile Granulom – als Teil eines Krankheitsspektrums erkannte.[1] Aufgrund der unklaren Ätiologie benannte er die Erkrankung als "Histiozytose X". Später erkannten Nezelof und Kollegen den Langerhanszell-Phänotyp der betroffenen Zellen,[2] woraufhin die Bezeichnung Langerhanszell-Histiozytose geprägt wurde.

3. Epidemiologie

Langerhanszell-Histiozytosen treten vor allem im Kindesalter auf und sind selten. Pro 1 Millionen Kinder kommt es schätzungsweise zu 3 bis 5 Erkrankungen. Die pulmonale Verlaufsform manifestiert sich in der Regel im Erwachsenenalter zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr.

Eine Geschlechterpräferenz wird nicht beobachtet. Familiäre Häufungen wurden nur sehr selten beschrieben.

4. Ätiopathogenese

Die Ätiologie ist weitgehend ungeklärt (Stand 2024).

Für die pulmonale Langerhanszell-Histiozytose ist Rauchen der wesentliche Risikofaktor, es sind nahezu ausschließlich jüngere Raucher betroffen.[3]

Zugrunde liegt der Langerhanszell-Histiozytose wahrscheinlich eine klonale Proliferation von Vorläuferzellen myeloider dendritischer Zellen, nicht der eng verwandten Langerhans-Zellen der Epidermis. Geno- und Immunphänotyp (CD1a+, Langerin-CD207+) sowie Histologie (Birbeck-Granula) sind zwar bei beiden Zelltypen ähnlich, jedoch spricht die Ausbildung von Dendriten und die Migrationsfähigkeit der Zellen eher für eine dendritische Abstammung.[4] Die expandierenden Zellen können in nahezu jedes Gewebe einwandern und dort Infiltrate oder Granulome bilden.

Die betreffenden Zellklone weisen aktivierende Mutationen der RAS/RAF/MEK/ERK-Signalkaskade auf, meist (> 50 %) findet sich eine BRAF-V600E-Mutation,[4][5] seltener MEK1- oder andere Mutationen.

5. Verlaufsformen

Es werden mehrere Formen der LCH unterschieden, die verschiedene zeitliche Verläufe und Organpräferenzen aufweisen. Die Verlaufsformen können teils auch ineinander übergehen. Ferner existieren Mischerkrankungen (Overlaps) mit der Erdheim-Chester-Erkrankung.

Nach der Histiocyte Society unterscheidet man:[6]

Die verschiedenen klinischen Verlaufsformen der LCH werden unter folgenden Krankheitsbezeichnungen bzw. Eponymen geführt:[4]

Verlaufsform Manifestationsform Prädilektionsalter klinische Hauptcharakteristika
eosinophiles Granulom unifokal oder single-system Kleinkinder Leitsymptom osteolytische Granulome bei Kleinkindern mit chronischem Verlauf
kongenitale selbstheilende Histiozytose unifokal, lokalisiert kongenital solitäre Papeln oder Knoten (rotbraun bis bläulich), die verschorfen und innerhalb weniger Monate spontan abheilen, selten transiente Organbeteiligung
Abt-Letterer-Siwe-Erkrankung multifokal, multisystemisch Säuglinge/Kleinkinder akut oder subakut verlaufend, Säuglinge oder Kleinkinder betroffen, Leitsymptom Hautmanifestationen
Hand-Schüller-Christian-Erkrankung multifokal, multisystemisch Kleinkinder bis Jugendliche chronisch verlaufend, Leitsymptom Trias aus Diabetes insipidus, Osteolysen undExophthalmus durch granulomatöse Infiltrationen

6. Klinik

Die Klinik der Langerhanszell-Histiozytose ist äußerst vielgestaltig. Prinzipiell kann sie jedes Organ betreffen. Sie kann akut-selbstlimitierend oder chronisch-progredient verlaufen und in der Schwere von asymptomatisch bis letal variieren. Verlauf und Manifestationen hängen dabei wesentlich von der einzelnen Verlaufsform ab.

Prädilektionsorgane für eine LCH sind im Allgemeinen:

6.1. Eosinophiles Granulom

Als eosinophiles Granulom bezeichnet man gutartige, lokalisierte (d.h. unifokale/single-system) Verläufe der LCH, wie sie vor allem bei Kleinkindern auftreten. Sie machen etwa 75% der pädiatrischen LCH-Fälle aus. Mögliche Manifestationen sind:

Der Verlauf ist chronisch, gelegentlich auch selbstlimitierend. Selten kommt ein Übergang in eine Multisystem-LCH vor.

6.2. Abt-Letterer-Siwe-Krankheit

Die Abt-Letterer-Siwe-Krankheit ist eine akute, maligne, multisystemische Verlaufsform der LCH. Sie tritt meist zwischen dem 6.und 24. Lebensmonat auf, kann aber auch Erwachsene betreffen. Ihre Inzidenz liegt etwa zwischen 2 und 5 Fällen pro 1.000.000 Kinder. Es handelt sich um eine schwere Erkrankung mit Fieber und starker Minderung des Allgemeinzustandes, die sich wie folgt manifestiert:

Der Verlauf ist zu etwa 10 % letal. Besonders im frühen Alter ist die Mortalität hoch und erreicht im unbehandelten Zustand fast 50 %.[4] Ansonsten kommt es zu etwa gleichen Teilen entweder zur Spontanremission oder zur Chronifizierung.

6.3. Hand-Schüller-Christian-Krankheit

Die Hand-Schüller-Christian-Krankheit ist eine chronische, multifokale Langerhanszell-Histiozytose, die sich vor allem im Bereich der Schädelknochen und der Schädelweichteile manifestiert. Sie tritt in der Regel im Kleinkind-, seltener im Kindes- und Jugendalter auf. Erwachsene sind sehr selten betroffen.

Die Erkrankung ist sehr variabel, häufig findet sich eine Trias aus:

  • osteolytischen Knochengranulomen mit Knochenschmerzen, Frakturen oder Zahnausfall (Kieferbeteiligung)
  • Exophthalmus durch intraorbitale Granulome
  • Hypothalamus-/Hypophysenbefall mit Diabetes insipidus (50 % d.F.) oder seltener anderen endokrinen Störungen

Des Weiteren sind möglich:

Die Erkrankung verläuft chronisch progredient und endet häufig letal.

6.4. Pulmonale Langerhanszell-Histiozytose

Die pulmonale Form äußert sich durch unspezifische Beschwerden wie Husten und Dyspnoe. Des Weiteren treten Allgemeinsymptome wie Fieber, Gewichtsverlust und Müdigkeit auf. Auch eine Hämoptoe ist möglich.

In fortgeschrittenen Stadien kommt es zum Cor pulmonale.

Extrapulmonale Manifestationen wie zystische Knochenläsionen oder ein Diabetes insipidus finden sich in bis zu 10 % der Fälle.[3]

7. Diagnose

Die Diagnose wird mittels Biopsie anhand der Histopathologie gestellt. Die Bildgebung liefert Hinweise bei einem Befall des Skelettsystems und der Lunge. Bei pulmonaler Manifestation kann zudem eine BAL wegweisend sein. Ein Nachweis eines CD1a+-Zellanteils in der BAL von über 4 % ist hochspezifisch für eine pulmonale LZH, er findet sich aber nur in 50 % der Fälle.[3]

Für die isoliert-pulmonale LZH ist ein CT-Befund mit nodulären Verdichtungen (entsprechend Granulomen) typisch, die im Verlauf zentral einschmelzen und in Ringstrukturen übergehen. Daraus bilden sich Pseudozysten, die unregelmäßig und girlandenförmig angeordnet sind. Selten sind auch andere, unspezifische interstitielle Muster möglich.

7.1. Histopathologie

Histopathologisch finden sich in der Dermis oder anderen Geweben wie der Lunge proliferierende Histiozyten, welche die Oberflächenmarker von Langerhans-Zellen aufweisen. Der immunhistochemische Nachweis von CD1a, S100 und CD207 (Langerin) sichert die Diagnose. In den Histiozyten können elektronenmikroskopisch Langerhans-Granula und Birbeck-Granula nachgewiesen werden.

8. Differentialdiagnose

Differentialdiagnostisch müssen unter anderem folgende Erkrankungen abgegrenzt werden:

9. Therapie

Die Therapie richtet sich nach der Lokalisation und dem Ausmaß der Erkrankung. Zur Lokaltherapie werden Antiseptika und Glukokortikoide genutzt. Die systemische Behandlung erfolgt mit Glukokortikoiden und Zytostatika wie Vinblastin. Eine Radiatio wird bei Veränderungen an den Knochen angewendet, PUVA bei chronischen Formen genutzt. Bei solitären Herden besteht ggf. die Möglichkeit der Exzision.

Bei Nachweis einer BRAF-Mutation kann außerdem Vemurafenib angewendet werden.

Bei pulmonaler LZH mit leichter Symptomatik kann ein Rauchstopp zur Spontanremission führen. Bei schwerer Symptomatik oder weiterer Verschlechterung werden Glukokortikoide verabreicht.[3]

10. Literatur

11. Einzelnachweise

  1. Lichtenstein L: "Histiocytosis X; integration of eosinophilic granuloma of bone, Letterer-Siwe disease, and Schuller-Christian disease as related manifestations of a single nosologic entity." A.M.A. archives of pathology, 1953 Jul.
  2. Nezelof C, Basset F, Rousseau MF. :"Histiocytosis X histogenetic arguments for a Langerhans cell origin". Biomedicine, September 1973.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Costabel, Pulmonale Langerhanszell-Histiozytose. EMedpedia, Springer Verlag, aufgerufen am 31.08.2024.
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Ratzinger et al., Histiozytosen in Braun-Falco's Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Kapitel 113, Springer Medizin, 2018
  5. Frater, The histiocytoses: as easy as ABC (or LCMRH), Blood, 2016
  6. Goyal et al.: "International expert consensus recommendations for the diagnosis and treatment of Langerhans cell histiocytosis in adults". Blood, April 2022.

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