Erdheim-Chester-Erkrankung
Englisch: Erdheim-Chester disease
Definition
Die Erdheim-Chester-Erkrankung, kurz ECD, ist eine sehr seltene Form der Histiozytose mit mono- und polyklonaler Proliferation der Makrophagen. Sie wird innerhalb der Histiozytosen der Langerhans-Gruppe (L-Gruppe) zugerechnet.
Geschichte
Entdeckt wurde die Erkrankung Anfang des 20. Jahrhunderts vom österreichischen Pathologen Jakob Erdheim während eines Forschungsaufenthalts in Wien. Die Erstpublikation erfolgte 1930 durch seinen britischen Kollegen William Chester (ein Kardiologe) am Falle einer 44-jährigen Frau, wobei er die Erkrankung als "Lipoidgranulomatose" bezeichnete.[1]
Epidemiologie
Ätiologie
Die Ätiologie ist weitgehend unklar. Familiäre Häufungen der Krankheit konnten bisher nicht festgestellt werden, was gegen eine Erblichkeit spricht. In etwa 10 % der Fälle findet sich eine Assoziation mit myeloproliferativen oder myelodysplastischen Erkrankungen[4], insbesondere der CMML.
Pathogenese
Der ECD kann sowohl eine monoklonale als auch eine polyklonale Makrophagenproliferation zugrunde liegen. Es wird daher angenommen, dass es sich um eine Mischung aus einer entzündlich-reaktiven und monoklonal-neoplastischen Erkrankung handeln könnte.
Die proliferierenden Makrophagen weisen einen schaumzellartigen Phänotyp auf. Sie infiltrieren verschiedenste Gewebe, wo sie entweder Granulome (teils mit Touton-Riesenzellen) oder diffuse Infiltrate bilden. Durch Freisetzung von Zyto- und Chemokinen kommt es zur Entzündungsreaktion und Gewebsfibrose.
Ein Teil der Erkrankungen ist mit aktivierenden Mutationen der RAS/RAF/MEK/ERK-Signalkaskade assoziiert, vornehmlich (ca. 50 % d.F.) mit einer BRAF-V600E-Mutation.[2][4] Derartige Mutationen werden häufiger bei Hautbeteiligung beschrieben.[3]
In etwa 20 % der Fälle besteht ein Overlap mit der Langerhanszell-Histiozytose.
Klinik
Die ECD ist eine chronisch verlaufende Multisystemerkrankung, die nahezu jedes Organ einbeziehen kann. Hierdurch ist das klinische Bild äußerst variabel. Durch Infiltration verschiedener Organe kommt es vor allem zu:[4]
- Sklerosierung langer Röhrenknochen (Leitsymptom, 80-95 %), asymptomatisch oder mit milden Knochenschmerzen
- ZNS- (ca. 40 %) bzw. Durainfiltration (ca. 20 %) mit
- Diabetes insipidus centralis (33 % der ECD-Patienten), häufig als Erstsymptom
- anderen hypothalamisch-hypophysären Hormonstörungen
- zerebellärer Ataxie
- pyramidalmotorischen Defiziten
- Hirnnervenausfällen
- neuropsychiatrischen Syndromen
- kognitiven Defiziten
- Kopfschmerzen
- epileptischen Anfällen
- Exophthalmus durch retrobulbäre Infiltrate (ca. 25 %)
- Befall der Sinus paranasales mit chronischer Sinusitis, z.T. Übergriff nach intrakraniell
- Periaortale Verdickung (meist asymptomatisch), auch "beschichtete Aorta" genannt
- koronarer Herzerkrankung durch Infiltration und Stenosierung der Koronararterien
- Perikardinfiltration, teils mit Tamponade
- rechtsatrialen Pseudotumoren (40 %)
- Retroperitonealfibrose (60 %), teils mit Ureterkompression und Hydronephrose
- Xanthelasma-ähnliche Läsionen der Haut (25-30 %)
- interstitieller Lungenerkrankung (30-50 %)
- Pleuraverdickung
- sehr selten Nebenniereninsuffizienz (nicht-relevante Infiltrate sind dort jedoch häufig)
Begleitend können Fieber und Gewichtsverlust auftreten.
Diagnose
Die Diagnose wird anhand der klinischen Symptome sowie einer radiologischen, histologischen und immunhistologischen Untersuchung gestellt. Darüber hinaus wird eine Biopsie betroffener Organe entnommen und der BRAF-Mutationsstatus bestimmt. Das Biopsatgewebe ist typischerweise von schaumigen oder lipidbeladenen Histiozyten infiltriert und von einer Fibrose umgeben. Es können Granulome mit Touton-Riesenzellen vorkommen.
Radiologisch (inklusive Szintigraphie) ist nahezu immer eine symmetrische diaphysäre und metaphysäre Osteosklerose in den Beinen nachweisbar. In einer abdominellen CT findet sich manchmal eine sogenannte "haarige Niere" durch retroperitoneale Infiltrate sowie eine Einscheidung der Aorta.
Immunhistochemie
Immunhistochemisch ergeben sich charakteristischerweise folgende Befunde:[4]
Differentialdiagnosen
Zu den Differentialdiagnosen gehören unter anderem:
Therapie
Unter anderem folgende Therapien werden eingesetzt:
- Chemotherapie
- Radiotherapie
- Glukokortikoide
- Zytokin-Inhibitoren
- Knochenmarktransplantation
- Bisphosphonate zur Reduktion von Knochenschmerzen
- Interferon-α
- BRAF-Inhibitoren, z.B. Vemurafenib
Prognose
Aufgrund der extremen Seltenheit der Erdheim-Chester-Erkrankung ist eine Aussage über die Prognose schwierig. Die Lebenserwartung hängt vom Schädigungsgrad der Organe ab.
Quellen
- ↑ Chester, Über Lipoidgranulomatose, Virchows Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medizin, 1930, Seite 577
- ↑ 2,0 2,1 Cives et al., Erdheim-Chester disease: a systematic review. Crit Rev Oncol Hematol; 2015
- ↑ 3,0 3,1 Ratzinger et al., Histiozytosen in Braun-Falco's Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Kapitel 113, Springer Medizin, 2018
- ↑ 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 Papo et al., Erdheim-Chester Disease: a Concise Review, Current Rheumatology Reports, 2019
Literatur
- Ranvindran et al. Bone & joints, Pathology Outlines, 2021
- Diamon et al. Consensus guidelines for the diagnosis and clinical management of Erdheim-Chester disease, Blood, 2014
- orpha.net – Erdheim-Chester-Krankheit, abgerufen am 11.07.2023
- Emile et al., Revised classification of histiocytoses and neoplasms of the macrophage-dendritic cell lineages, Blood, 2016
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