Chemotherapie
Englisch: chemotherapy
Definition
Als Chemotherapie, kurz CTx oder vulgo Chemo, bezeichnet man die Behandlung von Krebserkrankungen mit antineoplastischen Arzneistoffen, im engeren Sinn mit Zytostatika (Zytostatikatherapie).
Nomenklatur
Im weiteren Sinne versteht man unter Chemotherapie die Verwendung von toxisch wirkenden Substanzen, um möglichst gezielt bestimmte Mikroorganismen (Bakterien) oder entartete Zellen auszuschalten. Die bei der Chemotherapie angestrebte "selektive Toxizität" wurde erstmals von Paul Ehrlich, dem "Erfinder der Chemotherapie", postuliert.
Abgrenzung
Von der klassischen Chemotherapie wird die Krebsimmuntherapie abgegrenzt, bei welcher die Krebserkrankung u.a. mit mononklonalen Antikörpern, Zytokinen und Vakzinen behandelt wird. Beide Ansätze werden häufig parallel eingesetzt. In diesem Fall spricht man von einer Chemoimmuntherapie.
Einteilung
Die Chemotherapie lässt sich nach verschiedenen Kriterien systematisieren:
...nach der therapeutischen Zielsetzung
- Kurative Chemotherapie: Heilung des Tumors
- Adjuvante Chemotherapie: Vernichtung klinisch nicht erfassbarer Tumoranteile nach vollständiger chirurgischer Tumorentfernung
- Additive Chemotherapie: Verkleinerung der Tumors nach unvollständiger chirurgischer Tumorentfernung
- Neoadjuvante Chemotherapie: Verkleinerung des Tumors vor der chirurgischen Tumorentfernung
- Palliative Chemotherapie: Verbesserung der Lebenssituation bei inoperablen bzw. nicht kurativ therapierbaren Tumoren
- Konversionschemotherapie: Chemotherapie zur Herstellung der Operationsfähigkeit primär nicht resektabler Metastasen
...nach der Therapiephase
...nach der Applikationsform
...nach Anzahl der eingesetzten Wirkstoffe
Therapieschemata
Chemotherapeutika werden häufig in Form von Wirkstoffkombinationen eingesetzt, um Synergieeffekte der eingesetzten Substanzen zu nutzen oder Nebenwirkungen und Resistenzentwicklungen zu reduzieren. Die kontrollierte Gabe dieser Wirkstoffe in bestimmten Zeitablauf bezeichnet man als Therapieschema.
Dosierung
Die Dosierung einer Chemotherpaie ist komplex. Die Standardmethode ist die Berechnung der Dosis auf der Grundlage der Körperoberfläche (BSA). Sie wird mithilfe von Nomogrammen oder Computerprogrammen aus der Körpergröße und dem Körpergewicht berechnet.
Ein Nachteil dieser Methode ist, dass sie viele wichtige Faktoren außer Acht lässt, u.a. Alter, Geschlecht, genetische Einflüsse, individuelle Metabolisierung, Leberfunktion, Nierenfunktion, Krankheitsstadium oder Wechselwirkungen. Als Resultat kann es aufgrund der individuellen Pharmakokinetik zu erheblich voneinander abweichenden Wirkstoffspiegeln kommen. In pharmakologischen Studien unterschieden sich die Plasmaspiegel der Arzneistoffe bei verschiedenen Patienten teilweise um den Faktor 10.[1] Durch die Über- oder Unterdosierung kann es im Einzelfall zu einer insuffizienten Therapiewirkung oder zu erhöhten Nebenwirkungen und frühzeitigem Therapieabbruch kommen.
Eine Lösung für dieses Problem stellt das therapeutische Drug Monitoring dar, bei dem man die Wirkstoffspiegel im Blut bestimmt und die Dosis entsprechend anpasst.
Applikation
Eine Chemotherapie erfolgt in der Regel systemisch und wird dabei in den meisten Fällen intravenös verabreicht. Bei einigen Arzneistoffen ist auch eine oral Gabe möglich (z.B. Melphalan, Busulfan und Capecitabin). Sonderfälle sind:
- die intraarterielle Chemotherapie, bei welcher der Arzneistoff über die versorgende Arterie in ein einzelnes Organ oder eine Extremität angeflutet wird
- die intrathekale Chemotherapie bei ZNS-Tumoren
In der Dermatologie ist darüber hinaus bei bestimmten Hauttumoren auch eine topische Chemotherapie möglich.
Wegen der hohen Toxizität von Chemotherapeutika werden die Wirkstoffe bei der systemischen Therapie oft über einen zentralen Venenkatheter oder einen PICC-Katheter gegeben. Bei längerer Therapiedauer mit mehreren Zyklen sind Portsysteme oder Hickman-Katheter üblich, da man durch sie wiederholte Punktionen vermeidet.
Nebenwirkungen
Die Nebenwirkung von Chemotherapeutika betreffen vor allem Gewebe mit hohem Zellumsatz. Das ergibt sich aus dem Wirkprofil dieser Substanzen, die sich meist gegen teilende Zellen richten. Typische Nebenwirkungen sind zum Beispiel:
Pharmakoökonomie
Im Arzneimittelbereich sind Onkologika die mit Abstand größte finanzielle Belastung für das Gesundheitssystem. Im Jahr 2021 haben die gesetzlichen Krankenkassen 10,6 Milliarden Euro für Medikamente zur Chemotherapie ausgegeben, was einem Anstieg von 12,4 % gegenüber dem Vorjahr gleichkommt. Dies entspricht 21,1 % der gesamten Arzneimittelausgaben der Krankenkassen, obwohl Onkologika nur 1,2 % aller verordneten Medikamente ausmachen.[2]
Literatur
- Possinger K. / Regierer, Anne C.: Mammakarzinome: Neoadjuvante Situation. In: Der Bayerische Internist 29 (2009). H.3, S.118-122. Volltext abrufen
- Possinger, K. / Eucker, J.: Mammakarzinome: Metastasierte Situation. In: Der Bayerische Internist 29 (2009). H.3, 131-140. Volltext abrufen
Quellen
- ↑ Baker SD et al.: "Role of body surface area in dosing of investigational anticancer agents in adults, 1991-2001". Journal of the National Cancer Institute. 94 (24): 1883–8 (2002) doi:10.1093/jnci/94.24.1883. PMID 12488482.
- ↑ Wolf-Dieter Ludwig, Bernd Mühlbauer, Roland Seifert (2023): Arzneiverordnungs-Report 2022, Springer-Verlag GmbH, Berlin