Knochenmark
Synonym: Medulla ossium
Abkürzung: KM
Englisch: bone marrow, BM
Definition
Als Knochenmark bezeichnet man das im Zentrum der großen Knochen befindliche, spezialisierte Binde- und Stammzellgewebe, das u.a. der Bildung von Blutzellen dient.
Anatomie und Histologie
Das Knochenmark befindet sich in den von Spongiosabälkchen durchzogenen Markräumen der meisten Knochen, vor allem der langen Röhrenknochen und der platten Knochen von Schädeldach, Rippen oder Sternum. Es macht ca. 5% des Körpergewichts aus.
Dabei unterscheidet man nach makroskopischen Gesichtspunkten zwischen zwei verschiedenen Formen von Knochenmark:
- Rotes Knochenmark (Medulla ossium rubra)
- Gelbes Knochenmark (Medulla ossium flava)
Eine pathologische Variante des Knochenmarks ist das u.a. bei Kachexie auftretende gräulich-glasige Gallertmark.
Rotes Knochenmark
Im roten Knochenmark findet man Stammzellen und Precursorzellen von Monozyten, Erythrozyten, Granulozyten und Thrombozyten (Zellen der "myeloischen Reihe") verschiedener Reifungsstufen, die in retikuläres Bindegewebe eingelagert sind. Die fibroblastischen Retikulumzellen produzieren retikuläre Fasern und Wachstumsfaktoren, welche die Blutzellbildung beeinflussen. Sie können Fett einlagern und ähneln dann den Adipozyten des Bindegewebes. Darüber hinaus enthält das Knochenmark mesenchymale Stammzellen, die sich zu Bindegewebe und Muskelzellen differenzieren können.
Das Grundgewebe des Knochenmarks wird von zahlreichen dünnwandigen Blutgefäßen durchzogen, die man als Knochenmarksinus bezeichnet. Dabei handelt es sich um Blutkapillaren mit einem sehr weiten Lumen, das einen Durchmesser von 30-70 µm oder mehr aufweisen kann. Die Wand der Sinusoide wird von einem zarten, unregelmäßig durchbrochenen Endothel gebildet, das keine durchgängige Basallamina besitzt. Es ist Teil der Knochenmark-Blut-Schranke, die verhindert, dass hämatopoetische Stammzellen in das Blutgefäßsystem gelangen. Wenn die ausgereiften Blutzellen in das Lumen der Sinusoide auswandern, bildet das Endothel passagere Durchtrittsstellen, die man als Migrationsporen bezeichnet.
Beim Erwachsenen kommt das rote Knochenmark vor allem in den platten und kurzen Knochen vor (z.B. Sternum, Os ilium, Rippen, Wirbelkörper, proximaler Femur). Bei Säuglingen findet man das rote Knochenmark hingegen in allen Knochen. In der Diaphyse der Röhrenknochen wird das rote Knochenmark mit zunehmendem Alter durch fettreiches gelbes Knochenmark ersetzt.
Gelbes Knochenmark
Das gelbe Knochenmark wird auch Fettmark genannt. Es befindet sich hauptsächlich in den Diaphysen der Röhrenknochen. Die Farbe kommt durch Retikulumzellen zustande, in die große Mengen Fett eingelagert sind. Gelbes Knochenmark ist nicht mehr an der Blutbildung beteiligt, da es keine pluripotenten Stammzellen mehr enthält.
Physiologie
Das rote Knochenmark ist unter physiologischen Bedingungen der ausschließliche Ort für die Bildung der meisten Blutzellen. Diesen Prozess bezeichnet man als Hämatopoese. Er wird weiter unterteilt in:
Die Vorläuferzellen der Blutzellen sind im Knochenmark in ein Netz aus Bindegewebe eingebunden und teilen sich kontinuierlich sowie verstärkt auf hormonelle Reize hin. Das Bindegewebe stellt dabei das Environment zur Verfügung, das die Vorläuferzellen zur Differenzierung benötigen. Die reifen Zellen werden im Anschluss in die das Mark durchziehenden Gefäße abgegeben und erreichen so das periphere Blut.
Die Differenzierung der T-Zellen aus ihren Vorläuferzellen im Rahmen der Lymphopoese vollzieht sich außerhalb des Knochenmarks (v.a. im Thymus).
Pathophysiologie
Defekte des Knochenmarks resultieren üblicherweise in Störungen der Zusammensetzung des Hämatokrit. Die Ursachen für solche Erkrankungen sind vielfältig und reichen von medikamentösen Schädigungen des Marks bis hin zu Tumoren (Myelome).
Klinik
Erkrankungen
Wichtige Erkrankungen des Knochenmarks sind:
- Primäre Myelofibrose (Osteomyelofibrose)
- Myeloproliferative Erkrankungen
- Aplastische Anämie
Diagnostik
Bei vielen Erkrankungen des Blutes muss eine Beteiligung des blutbildenden Systems untersucht werden. Methode der Wahl hierfür ist eine Knochenmarkpunktion zur Untersuchung der Struktur und Zellzusammensetzung. Diese Punktion erfolgt heute üblicherweise im Bereich des Beckenkammes. Eine Entnahme aus dem Sternum ist aufgrund der Gefahr einer Perikard- oder Herzpunktion heute obsolet.
Neben der genauen Zellzusammensetzung ist auch die Gesamtzahl der hämatopoetischen Stammzellen im Knochenmark im Vergleich zum Normalbefund relevant. Bei einer verminderten Zellzahl spricht man von einer Hypozellularität. Sie kommt z.B. bei einer aplastischen Anämie vor. Ist die Zellzahl vermehrt, wird das als Hyperzellularität charakterisiert. Eine mögliche Ursache ist die Polycythaemia vera.
Therapeutische Bedeutung
Im Bedarfsfall kann bei Erkrankungen des Knochenmarkes Spendermark transplantiert werden (siehe Knochenmarktransplantation). Daneben kann man mit Hormonen (beispielsweise Erythropoetin) die Bildung neuer Blutzellen stimulieren. In der präklinischen Notfallmedizin können mit Hilfe eines intraossären Zugangs Medikamente in den Markraum appliziert werden.
Quiz
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