Chronisch nicht-bakterielle Osteomyelitis
Synonym: CNO, chronisch-rekurrierende multifokale Osteomyelitis (multifokale Form)
Englisch: chronic nonbacterial osteomyelitis
Definition
Die chronisch nicht-bakterielle Osteomyelitis, kurz CNO, ist eine autoinflammatorische Erkrankung. Sie geht mit einer aseptischen Entzündung des Knochenmarks einher und manifestiert sich im Kindes- und Jugendalter. Bei multifokalen Verlaufsformen spricht man auch von einer chronisch rekurrierenden multifokalen Osteomyelitis (CRMO).
Abgrenzung
Das SAPHO-Syndrom bei Erwachsenen hat ein sehr ähnliches klinisches Erscheinungsbild. Es ist jedoch bislang (2024) unklar, ob es sich um die gleiche Krankheitsentität oder ein eigenständiges Krankheitsbild handelt.[1]
Epidemiologie
Weltweit wird die Inzidenz auf 4 von 1 Million Kindern geschätzt, wobei die tatsächliche Inzidenz vermutlich höher liegt. Eine landesweite Studie schätzte die jährliche Inzidenz in Deutschland z.B. auf etwa 4 von 100.000 Kindern.[2] Das mittlere Erkrankungsalter lag bei etwa 11 Jahren. Mädchen waren häufiger betroffen (etwa 2:1).
Ätiopathogenese
CNO wird als autoinflammatorisches Syndrom klassifiziert, die genaue Ätiologie ist dabei bislang (2024) unklar. Die Entzündung tritt spontan auf. Autoantikörper oder autoreaktive Lymphozyten sind nicht nachweisbar. Bei der CNO kommt es zu einer gesteigerten Expression der proinflammatorischen Zytokine IL-1, IL-6 und TNF-α bei gleichzeitig reduzierter Produktion des antiinflammatorischen IL-10.
Im Gegensatz zu den meisten anderen autoinflammatorischen Erkrankungen kann nur selten ein monogener Defekt als Auslöser der CNO gefunden werden. Bei folgenden Genen wurden Defekte identifiziert:
- FBLIM1: kodiert für das Filamin-bindende LIM Protein 1[3][4]
- IL1RN: kodiert für ein Protein aus der Interleukin-1-Familie, das u.a. die Aktivität von IL-1 hemmt[5]
- FGR: kodiert für eine Tyrosinkinase[6]
- MEFV: kodiert für Pyrin, ein Protein, das eine wichtige Rolle als Modulator der angeborenen Immunität spielt[7]
Da eine familiäre Häufung der CNO beobachtet wurde, wird eine genetische Disposition bei der Entstehung der Erkrankung vermutet.
Bei der syndromalen Form der CNO kann häufiger ein ursächlicher Gendefekt gefunden werden. Dazu gehören:[8]
- Majeed-Syndrom: CNO, Erythropoesestörungen und neutrophile Dermatosen
- Defizienzsyndrom des IL1-Rezeptor-Antagonisten (DIRA): CNO, Periostitis und Pustulose
Klinik
Leitsymptom ist ein lokaler, teils multifokaler Knochenschmerz. Dieser kann von Schwellung und eingeschränkter Beweglichkeit begleitet werden.
Prädilektionsstellen sind:
- Tibia und Femur (insbesondere Meta- und Epiphysen der langen Röhrenknochen)
- Beckenknochen
Prinzipiell kann fast jeder Teil des Skeletts betroffen sein. Bei multifokalem Befall sind die Läsionen teilweise symmetrisch. Häufig finden sich z.B. Läsionen der Clavicula, der Wirbelsäule und der Mandibula. Das Neurocranium ist i.d.R. nicht betroffen. Bei seinem Befall ist das Vorliegen einer Langerhanszell-Histiozytose wahrscheinlicher.
Die Beschwerden können einen intermittierenden Charakter haben, was auch als "waxing and waning" bezeichnet wird.
Mögliche unspezifische Begleitsymptome sind:[2][9][1]
- Fieber
- Nachtschweiß
- Gewichtsverlust
- Appetitverlust
- selten Lymphknotenvergrößerung und Hepatosplenomegalie
Folgende Komplikationen können u.a. auftreten:
- Wirbelfrakturen und andere pathologische Frakturen
- Hyperostose
- Arthritiden mit Bewegungseinschränkungen
- Gelenkdeformitäten
- lokale Wachstumsstörung durch Beteiligung der Epiphysenfugen
- Kyphose oder Skoliose nach Wirbelsäulenbeteiligung
Bei Patienten mit CNO wurden gehäuft Komorbiditäten beschrieben. Dazu gehören:
Diagnostik
Bei der CNO handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose, da bislang keine spezifischen diagnostischen Marker bekannt sind.
Labordiagnostik
Eine Laboruntersuchung dient v.a. dem Ausschluss anderer Erkrankungen. Die Blutuntersuchung sollte ein Differenzialblutbild enthalten. Weiterhin können folgende Werte bei der Einordnung der Beschwerden helfen:
- LDH, Harnsäure
- Entzündungsmarker (CRP, BSG)
- alkalische Phosphatase, Serumcalcium, Serumphosphat
- Screening auf Tuberkulose oder atypische Mykobakterien
- antinukleäre Antikörper, HLA-B27-Status
Je nach Symptomatik kommen weitere Parameter infrage, die sich nach den differenzialdiagnostischen Überlegungen richten.
Bildgebung
Initial können Ultraschall- und Röntgenbilder zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen eingesetzt werden. Bei V.a. CNO wird eine regionale und eine Ganzkörper-MRT-Aufnahme empfohlen, damit alle Läsionen erfasst und spezifische Muster erkannt werden können. Dabei kommen v.a. fettsupprimierte MRT-Sequenzen (z.B. STIR oder TIRM) zum Einsatz. Nach 6 bis 12 Monaten wird i.d.R. eine Verlaufsbildgebung angefertigt, bei Wirbelkörperbeteiligung bereits nach 4 bis 12 Wochen.
Die Skelettszintigraphie wird aufgrund der Strahlenbelastung und mangelnder Sensitivität nicht mehr eingesetzt.
Knochenbiopsie
Knochenbiopsien dienen eher der Ausschlussdiagnostik (v.a. von Malignomen oder Infektionen). Hier finden sich histopathologisch anfangs Neutrophile und Monozyten, während bei der chronischen Entzündung auch Lymphozyten, Plasmazellinfiltrate oder eine Knochenmarkfibrose sichtbar sein können. Keiner dieser Befunde ist jedoch für eine CNO spezifisch.
Differenzialdiagnostik
Zu den Differenzialdiagnosen zählen:[8][9]
- septische Osteomyelitis
- aseptische Knochennekrosen
- gutartige Knochentumore (Osteoidosteom)
- maligne Knochentumoren, z.B.:
- Ewing-Sarkom
- Osteosarkom
- Metastasen
- leukämische/lymphomatöse Infiltrate
- Knochenmanifestation bei Neuroblastom
- Abszesse des Knochens
- Infektion mit Mycobakterium tuberculosis
- Langerhanszell-Histiozytosen mit Knochenbefall (insb. eosinophiles Granulom, Hand-Schüller-Christian-Krankheit), insbesondere bei Befall des Neurocraniums
- Erdheim-Chester-Erkrankung
- Skorbut
- Hypophosphatasie
- fibröse Dysplasie
Therapie
Primär wird mit NSAR therapiert. Sekundär sind möglich:
- Glukokortikoide (überbrückend)
- MTX
- Sulfasalazin
- TNFα-Inhibitoren
- Bisphosphonate
Die Therapie kann sich über einen Zeitraum von Monaten bis Jahren erstrecken. Es gibt bisher (2024) keine allgemeinen Empfehlungen, wie lange eine Therapie nach Remission weitergeführt werden soll. Häufig wird die Medikation bei klinischer Remission noch für weitere 3 bis 6 Monate fortgeführt, sofern auch bildmorphologisch eine Regression bzw. Remission nachweisbar ist.
Neben der medikamentösen Therapie werden physiotherapeutische und physikalische Therapien angewendet.
Prognose
Meist verläuft die Erkrankung chronisch-rezidivierend über Jahre, es wurden jedoch auch monophasische Verläufe beschrieben. In einigen Fällen kommt es zu einer relevanten Beeinträchtigung der Lebensqualität infolge der Schmerzen sowie durch auftretende Komplikationen.
Leitlinie
- S1-Leitlinie „Chronisch nicht bakterielle Osteomyelitis im Kindesalter“ der GKJR im AWMF-Register. Stand: April 2023.
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 S1-Leitlinie „Chronisch nicht bakterielle Osteomyelitis im Kindesalter“ der GKJR im AWMF-Register. Stand: April 2023.
- ↑ 2,0 2,1 Jansson et al. Nonbacterial osteitis in children: data of a German Incidence Surveillance Study. Acta Paediatrica, 2011.
- ↑ GeneCards – FBLIM1, abgerufen am 03.06.2024
- ↑ Cox et al., Recessive coding and regulatory mutations in FBLIM1 underlie the pathogenesis of chronic recurrent multifocal osteomyelitis (CRMO), PLoS One, 2017
- ↑ Kuemmerle-Deschner, New variant in the IL1RN-gene (DIRA) associated with late-onset, CRMO-like presentation, Rheumatology (Oxford), 2020
- ↑ Abe et al., Gain-of-function mutations in a member of the Src family kinases cause autoinflammatory bone disease in mice and humans, Proc Natl Acad Sci U S A, 2019
- ↑ Salehzadeh et al., Idiopathic CRMO and MEFV Gene Variant Alleles: Is There Any Relationship?, Case Rep Rheumatol, 2019
- ↑ 8,0 8,1 Zhao et al. Chronic nonbacterial osteomyelitis (CNO) and chronic recurrent multifocal osteomyelitis (CRMO). Journal of Translational Autoimmunity, 2021.
- ↑ 9,0 9,1 Gortner und Meyer (Hrsg.). Duale Reihe Pädiatrie. 5., vollständig überarbeitete Auflage. Thieme Verlag Stuttgart, 2018.