Harnsäure
Synonym: Urica, Acidum uricum
Englisch: uric acid
Definition
Harnsäure entsteht im Organismus von Primaten als Abbauprodukt der Purinbasen und wird über den Urin ausgeschieden.
Struktur
Harnsäure ist als 2,6,8-Trihydroxypurin aus einem heterozyklischen aromatischen Sechserring (Pyrimidin) aufgebaut, an den sich ein ebenfalls heterozyklischer Fünferring (Imidazol) anschließt. In der Ringstruktur substituieren vier Stickstoff-Atome die Kohlenstoff-Atome 1,3,7 und 9.
An die Kohlenstoff-Atome C2, C6 und C8 sind Hydroxygruppen beziehungsweise Oxogruppen gebunden.
Physiologie
Harnsäure entsteht durch Oxidation aus Hypoxanthin oder Xanthin durch das Enzym Xanthinoxidase. Sie ist das endgültige Abbauprodukt der Purinnukleotide und wird zu etwa 75 % renal ausgeschieden. Daneben erfolgt auch eine Elimination über Speichel, Schweiß oder die intestinale Sekretion. Die tägliche Ausscheidung beträgt bis zu 1 g.
Harnsäure ist eine schwache Säure und daher nur schlecht in Wasser löslich, da der protonierte Zustand ungeladen ist. In basischen Medien löst es sich gut, da der deprotonierte Stickstoff polar ist.
Pathophysiologie
Unter bestimmten Bedingungen kommt es zu einer erhöhten Produktion von Harnsäure. Wird dabei im Rahmen der Ausscheidung das Löslichkeitsprodukt überschritten, kann die Harnsäure in den ableitenden Harnwegen, in der Blutbahn oder in bradytrophen Geweben ausfallen und abgelagert werden. Diese Überschreitung des Löslichkeitsproduktes findet außerdem bevorzugt im saureren Milieu, wie z.B. in entzündetem Gewebe, statt. Folge dieser Hyperurikämie können Urolithen, Gicht oder Harnsäureinfarkte sein. Das Gegenteil der Hyperurikämie ist die Hypourikämie.
Labormedizin
Material
Für die Untersuchung werden 0,5 ml Serum, 10 ml Urin (24-h-Sammelurin*, Spontanurin) oder 0,5 ml eines Gelenkpunktats benötigt.
* muss mit einer Kaliumhydroxidlösung neutralisiert werden (pH = 7) um die Bildung von Harnsäurekristallen zu verhindern.
Methoden
Der Harnsäuregehalt lässt sich im Enzymtest durch Photometrie unter Verwendung der Uratoxidase und einer Absorption im Bereich von 290 nm messen. Ein weiterer gebräuchlicher Nachweis erfolgt über das Eindampfen der Harnsäure mit konzentrierter Salpetersäure und Versetzen mit Ammoniaklösung in der Murexid-Probe.
Indikation
Die Bestimmung der Harnsäure im Serum erfolgt zur Diagnose und Verlaufskontrolle von Nierenerkrankungen und Stoffwechselstörungen, z.B. bei Niereninsuffizienz, Gicht, Leukämie, Psoriasis oder Ernährungsstörungen. Ferner ist die Harnsäure bei Patienten unter zytostatischer Therapie ein wichtiger Laborparameter, da sie proportional zum Zellzerfall ansteigt.
Die Bestimmung der Harnsäure im Urin erfolgt zur weiteren Differenzierung zwischen einer renalen Eliminationsstörung und einer vermehrten Harnsäureproduktion. Weiterhin kann eine vermehrte Harnsäureausscheidung im Urin mit einem erhöhten Harnsteinrisiko einhergehen und die Konzentrationsbestimmung von Harnsäure im Urin kann zur Klärung der Ätiologie von Harnsteinen herangezogen werden.
Die Bestimmung der Harnsäure im Gelenkpunktat erfolgt zur weiteren Diagnostik bei Verdacht auf Arthritis urica (Gicht).
Referenzbereiche
...im Serum
- Frauen: 2,3 bis 6,1 mg/dl bzw. 137 bis 363 µmol/l
- Männer: 3,6 bis 8,2 mg/dl bzw. 214 bis 488 µmol/l
Ausschlaggebend ist der vom jeweiligen Labor angegebene Wert.
...im Urin
- Spontanurin 37 bis 92 mg/dl
- 24-h-Sammelurin: 250 bis 750 mg/Tag
- erhöhtes Steinrisiko: über 500 mg/Tag
Zur Differenzierung zwischen einer renalen Eliminationsstörung und einer vermehrten Harnsäuresynthese wird zusätzlich der Harnsäure/Kreatininquotient im 24-h-Sammelurin bestimmt.
- unter 1: Verdacht auf renale Eliminationsstörung
- über 1: Verdacht auf erhöhte Harnsäuresynthese (Katabolismus)
- über 2 (im 1. Lebensjahr über 3): Verdacht auf Lesch-Nyhan-Syndrom
...im Gelenkpunktat
Der Referenzbereich im Gelenkpunktat liegt unter 7 mg/dl.
Harnsäure kann die Synovialmembran auf Grund seiner Größe ungehindert passieren, daher ist die Konzentration von Harnsäure in der Synovia mit der im Serum gleichzusetzen.
Umrechnung
Interpretation
Erhöhte Harnsäurespiegel
Die Konzentration von Harnsäure ist erhöht bei:
- Primärer Hyperurikämie
- Störung der renalen Elimination von Harnsäure
- Enzymdefekte (z.B. Lesch-Nyhan-Syndrom)
- Sekundärer Hyperurikämie
- Niereninsuffizienz
- Myeloproliferative Erkrankungen und Malignomen
- Glykogenosen (insb. Morbus von Gierke)
- Chemotherapie (Tumorlyse-Syndrom)
- Strahlentherapie
- Hypothyreose
- Hyperparathyreoidismus
- Idiopathischer Hyperkalzämie
- Hypertriglyceridämie
- Akromegalie
- Fasten
- Hohe Aufnahme von Zuckeraustausstoffen (Fructose, Sorbit, Xylit)
- Purinreicher Erhnährung
- Medikamenten (z.B. Furosemid, Hydrochlorothiazid, Propranolol)
- Intoxikationen (z.B. Bleivergiftung)
Erniedrigte Harnsäurespiegel
Die Konzentration von Harnsäure ist erniedrigt bei:
- Hepatopathien
- Tubulusdefekten
- Einnahme von bestimmten Medikamenten (z.B. Allopurinol, Phenylbutazon, Röntgenkontrastmittel, Salicylate)
- Defekten der Xanthinoxidase
Anmerkung
Die meisten Säugetiere sind in der Lage, Harnsäure in leichter lösliche Verbindungen, beispielsweise Allantoin, abzubauen. Es gibt heute verschiedene Theorien über den Verlust dieses Stoffwechselweges bei Primaten im Laufe der Evolution: Vermutlich fungiert die Harnsäure im Blut als Antioxidans und bietet einen gewissen Schutz gegen freie Radikale.
Literatur
- Laborlexikon.de; abgerufen am 09.03.2021
- Labor Lademannbogen, Harnsäure im Urin; abgerufen am 09.03.2021
- MLM Medical Labs: Harnsäure im Gelenkpunktat; abgerufen am 09.03.2021