Allopurinol
Handelsnamen: Zyloric®, Allobeta®, Uripurinol®, Allowieb® u.v.a.
IUPAC: 1H-Pyrazolo[3,4-d]pyrimidin-4-ol
Definition
Allopurinol ist ein Urikostatikum, das durch Beeinflussung des Purin-Abbaus zu Harnsäure u.a. die Symptome der Gicht lindern kann und zur Dauerbehandlung dieser Erkrankung eingesetzt wird.
Chemie
Allopurinol besitzt folgende Strukturformeln, die miteinander im tautomeren Gleichgewicht stehen:
Der Schmelzpunkt liegt bei etwa 350 °C (es schmilzt unter Zersetzung). Allopurinol ist ein weißes, kristallines Pulver, das sehr schwer löslich in Wasser und Ethanol und unlöslich in Chloroform und Ether ist. Es löst sich jedoch in Dimethylformamid (DMF) und verdünnten Basen.
Allopurinol hat die Summenformel C5H4N4O und eine molare Masse von 136,11 g/mol.
Wirkmechanismus
Die Xanthinoxidase ist das Schlüsselenzym des Purinabbaus und oxidiert Hypoxanthin und Xanthin zu Harnsäure, welche anschließend mit dem Urin ausgeschieden wird.
Allopurinol ist ein Strukturanalogon des Hypoxanthins und somit Substrat der Xanthinoxidase. Es wird enzymatisch in Oxipurinol (Alloxanthin) umgewandelt. Der Enzym-Oxipurinol-Komplex ist sehr stabil, sodass Allopurinol in der Literatur häufig als Selbstmordsubstrat bezeichnet wird. Jedoch wird der Komplex langsam abgebaut, sodass korrekterweise eine pseudoirreversible Hemmung vorliegt.
Da dies zu einer dosisabhängigen Autoinhibition des Enzyms führen würde und aus anderen Gründen wird inzwischen ein anderer Hauptwirkungsmechanismus vermutet: Allopurinol wird durch die Aldehydoxidoreduktase sowie durch Cytochrom P450-Enzyme zu Oxipurinol umgewandelt, welches anschließend die Xanthinoxidase hemmt.[1][2]
Folglich steigt die Plasmakonzentration der wasserlöslichen Vorstufen Hypoxanthin und Xanthin, welche dann renal ausgeschieden werden. Außerdem wird Hypoxanthin unter anderem zu Inosin und Inosinmonophosphat umgewandelt. Dies führt zur Hemmung der Amidophosphoribosyltransferase und der Purinbiosynthese. Ingesamt kommt es somit zu einer Abnahme des Harnsäure-Spiegels im Blut.
Indikationen
Allopurinol ist indiziert bei einer Hyperurikämie, definiert durch einen Harnsäure-Spiegel über 6 mg/dl (Frauen) bzw. 6,8 mg/dl (Männer). Man unterscheidet eine primäre von einer sekundären Hyperurikämie:
- Primäre Hyperurikämie: meist idiopathisch, selten aufgrund eines Enzymmangels (z.B. Lesch-Nyhan-Syndrom)
- Sekundäre Hyperurikämie im Rahmen einer anderen Grunderkrankung, unter anderem bei
- Gabe von Schleifendiuretika und Thiazide
- Niereninsuffizienz
- Ketoazidose, Laktatazidose
- Dehydratation
- Tumorlysesyndrom (z.B. bei Leukämien oder nach Therapie mit Zytostatika oder Bestrahlung)
- hämolytischer Anämie
- Morbus von Gierke
Entsprechend wird Allopurinol auch bei durch Hyperurikämie verursachten Erkrankungen eingesetzt, z.B. bei Gicht oder Uratnephropathie.
Allopurinol kann auch prophylaktisch angewendet werden:
- Prophylaxe von Calciumoxalatsteinen bei Hyperurikämie
- Prophylaxe einer Hyperurikämie bei Tumoren bzw. Zytostatikatherapie
Nebenwirkungen
Mögliche Nebenwirkungen sind:
- Störungen des Magen-Darm-Trakts
- Leukopenie
- Polyneuropathie
- allergische Hautreaktionen bis hin zu schweren Überempfindlichkeitsreaktionen (idiosynkratische Allopurinol-Hypersensitivitätsreaktion)
- Erhöhte Leber- und Nierenwerte, Exanthem, Vaskulitis, Eosinophilie, Myelosuppression
- bei 2 % der Patienten, meist mild und reversibel
- vereinzelt bis hin zur toxischen epidermalen Nekrolyse
- bei Hautreaktionen sofort Therapiepause, bei leichten Beschwerden nach Abklingen niedrigdosierte Fortführung möglich, bei erneutem Auftreten Therapieabbruch
Beim Gichterkrankten ist die renale Ausscheidung der Harnsäure bereits überlastet. Durch die Gabe von Allopurinol fällt Alloharnsäure an. Die renale Sekretion wird noch weiter belastet. Ein akuter Harnsäurerückstau kann somit zunächst einen akuten Gichtanfall zu Therapiebeginn auslösen, bevor die hemmende Wirkung einsetzt. Entsprechend sollte auf eine ausreichende Diurese geachtet und ggf. prophylaktisch Colchicin verabreicht werden.
Wechselwirkungen
- orale Antikoagulantien: verstärkte Antikoagulation
- Zytostatika: Additive Knochenmarkstoxizität mit erhöhtem Risiko von Blutbildveränderungen
- Purinanaloga (z.B. Azathioprin, Mercaptopurin): Abbauhemmung mit erhöhter Toxizität der Purinanaloga, daher Dosisreduktion empfohlen
- Theophyllin: Abbauhemmung mit verstärkter Theophyllinwirkung
- Thiaziddiuretika: Verminderte Allopurinolwirkung
Kontraindikationen
- Vorsicht bei Niereninsuffizienz (Dosisanpassung notwendig)
- Schwangerschaft (strenge Indikationsstellung)
Pharmakoökonomie
Quellen
- ↑ Day RO et al. Clinical Pharmacokinetics and Pharmacodynamics of Allopurinol and Oxypurinol, Clin Pharmacokinet (2007) 46: 623, abgerufen am 03.09.2019
- ↑ Mirzaei S et al. [https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2016/ra/c6ra19197e/unauth#!divAbstract Mechanistic study of allopurinol oxidation using aldehyde oxidase, xanthine oxidase and cytochrome P450 enzymes], RSC Adv., 2016,6, 109672-109680, abgerufen am 03.09.2019
- ↑ Wolf-Dieter Ludwig, Bernd Mühlbauer, Roland Seifert (2023): Arzneiverordnungs-Report 2022, Springer-Verlag GmbH, Berlin