Hypothyreose
Synonyme: Schilddrüsenunterfunktion, Hypothyreoidismus
Englisch: hypothyroidism
Definition
Hypothyreose ist der medizinische Fachausdruck für eine Unterfunktion der Schilddrüse.
Das Gegenteil der Hypothyreose ist die Thyreotoxikose bzw. die Hyperthyreose.
Einteilung
...nach Ort der Störung
Man unterscheidet
- primäre Hypothyreosen: "echte" Schilddrüsenunterfunktionen, bei denen die Funktion der Schilddrüse selbst gestört ist, und
- sekundäre Hypothyreosen: mangelnde Anregung durch eine reduzierte TSH-Aktivität, z.B. bei Schädigungen der Hypophyse.
Andere Formen der Hypothyreose werden als tertiäre Störungen bezeichnet.
Primäre Hypothyreose
Die primäre Hypothyreose wird wiederum in eine manifeste (Erniedrigung der peripheren Schilddrüsenhormone und darauf zurückgehende TSH-Erhöhung) und eine latente Form (isolierte TSH-Erhöhung bei noch normalen peripheren Schilddrüsenhormonen) unterteilt.
Es ist Gegenstand aktueller Kontroversen, ob die Obergrenze des TSH-Referenzbereichs abgesenkt werden sollte, und ob die so definierten sublatenten Funktionsstörungen einen Krankheitswert besitzen.
Sekundäre Hypothyreose
Bei sekundären Hypothyreosen unterscheidet man eine partielle (erniedrigte oder niedrig normale periphere Schilddrüsenhormone bei inadäquat niedriger, aber noch im Referenzbereich liegender TSH-Aktivität) von einer kompletten thyreotropen Insuffizienz (Hypothyreose bei supprimierter TSH-Aktivität).
Tertiäre Störungen
Seltene Formen der Hypothyreose sind tertiäre Störungen (z.B. bei Schädigungen des Hypothalamus oder beim Pickardt-Syndrom, einer Unterbrechung der Portalgefäße zwischen Hypothalamus und Hypophyse) sowie die Schilddrüsenhormonresistenz, eine angeborene Störung der Rezeptoren für Schilddrüsenhormone.
Die konsumptive Hypothyreose ist eine seltene Sonderform der Hypothyreose, die durch einen gesteigerten Abbau der Schilddrüsenhormone entsteht, z.B. paraneoplastisch bei einem Hämangiom.
...nach Symptomatik
Unabhängig davon ist die Unterscheidung in
- latente Hypothyreose: subklinische bzw. asymptomatische Schilddrüsenunterfunktion
- manifeste Hypothyreose: klinische, mit Symptomen behaftete Hypothyreose
...nach Zeitpunkt des Auftretens
- Angeborene Hypothyreose (kongenitale Hypothyreose)
- Erworbene Hypothyreose
Ätiologie
Meist ist eine Autoimmunthyreopathie die Ursache für eine primäre Hypothyreose. Eine etwas seltenere Ursache ist eine polyzystische Schilddrüsenerkrankung. Darüber hinaus kommen Hypothyreosen auch nach Operationen oder Radiojodtherapien (thyreoprive Hypothyreose) sowie nach Anwendung iodhaltiger Kontrastmittel bei Kleinkindern (transitorische Hypothyreose) vor.[1] Gelegentlich können sie Symptome einer Vergiftung sein. Verhältnismäßig selten sind akute und subakute Thyreoiditiden. Unter dem Begriff der idiopathischen Hypothyreose werden unterschiedliche Ätiologien, u.a. eine abgelaufene Silent-Thyreoiditis und genetische Ursachen zusammengefasst.
Sekundäre und tertiäre Hypothyreosen sind durch Störungen der Hypophyse, des Hypothalamus oder des hypothalamo-hypophysären Portalgefäßsystems bedingt. Ursachen hierfür können Neoplasien (z. B. Hypophysenadenome), Infarkte (z. B. Sheehan-Syndrom), Operationen oder Schädel-Hirn-Traumata sein. Ebenfalls zu den sekundären Hypothyreosen gehört die reversible thyreotrope Adaptation im Rahmen eines Non-Thyroidal-Illness-Syndroms.
Eine Schilddrüsenhormonresistenz gehört ebenso wie Enzymdefekte in der Schilddrüse (dyshormogene Struma) zu den angeborenen erblichen Krankheitsbildern.
Symptome
Typische Allgemeinsymptome der Hypothyreose sind Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Gewichtszunahme. Darüber hinaus sieht man:
- Trockene, raue Haut
- Kälteintoleranz
- Haarausfall
- Bradykardie
- diffuses Myxödem
- Obstipation
- raue Stimme
- Fettstoffwechselstörungen (v.a. Hypertriglyceridämie)
Bei vielen Patienten kommt es zu einer Früharteriosklerose. Bei Patienten mit lange andauernder und ausgeprägter Hypothyreose kann eine Herzinsuffizienz entstehen. Darüber hinaus ist das Auftreten eines proteinreichen Perikardergusses möglich.
Eine schwere Hypothyreose kann in ein lebensbedrohliches Myxödemkoma münden, das auch heute noch trotz intensivmedizinischer Behandlung eine hohe Letalität aufweist.
Diagnostik
Neben der Anamnese und der körperlichen Untersuchung steht bei der Diagnostik der Hypothyreose vor allem die labormedizinische Bestimmung der Schildrüsenhormone, des TSH und spezifischer Antikörper im Vordergrund. Bei palpatorisch auffälligem Befund ist eine Schilddrüsensonographie indiziert.
Labordiagnostik
- Erniedrigte Serumkonzentrationen der Schilddrüsenhormone (fT3 und fT4)
- TSH-Spiegel erhöht (außer bei sekundärer Hypothyreose)
- ggf. Schilddrüsenantikörper nachweisbar (insbesondere TPO-Ak und Tg-Ak)
- Akutdiagnostik:
- Blutzuckerbestimmung: Eine Hypoglykämie kann insbesondere bei insulinpflichtigen Diabetikern auftreten
- Bestimmung der Elektrolyte, insbesondere Natrium
Diagnose | TSH | T3 | fT3 | T4 | fT4 |
---|---|---|---|---|---|
subklinische Hypothyreose Adipositas |
↑ | n | n | n | n |
primäre Hypothyreose | ↑ | ↓ | ↓ | ↓ | ↓ |
sekundäre Hypothyreose | ↓ | ↓ | ↓ | ↓ | ↓ |
Hypothyreose und TBG-Erhöhung | ↑ | n | ↓ | n | ↓ |
Hypothyreose und TBG-Erniedrigung | ↑ | ↓↓ | ↓ | ↓↓ | ↓ |
n: normal; ↑: erhöht; ↑↑: stark erhöht; ↓: erniedrigt; ↓↓: stark erniedrigt
Therapie
Neben der Beseitigung der Ursache bei sekundären und tertiären Hypothyreosen besteht die Therapie in der Hormonsubstitution mit Levothyroxin.
Um die Lebensqualität der Betroffenen und ihre Prognose zu verbessern, können zusätzlich supportive Maßnahmen erforderlich sein. Bei gleichzeitig bestehenden Fettstoffwechselstörungen wird beispielsweise seine dauerhafte lipidsenkende Therapie empfohlen.
Trotz Therapie mit Levothyroxin und normaler TSH-Konzentration unter Substitution verbleiben bei etwa 10 % der Betroffenen dauerhafte Einschränkungen der Lebensqualität.[2] Die Ursache dieses "Syndroms T" ist unbekannt. Diskutiert werden u.a.[2][3][4]
- eine inadäquate Substitutionsdosis - durch mangelnde Adjustierung auf den individuellen Sollwert der Schilddrüsenhomöostase),
- eine verminderte Bildung von T3 und möglicherweise nicht klassischen Schilddrüsenhormonen bei einer reinen Substitutionstherapie mit T4,
- immunologische Phänomene
- psychologische Faktoren
- eine sensomotorische Neuropathie[5]
- eine autonome Neuropathie[5]
Podcast
Quellen
- ↑ Summary Safety Review - Iodinated Contrast Medium - Assessing the Potential Risk of Hypothyroidism in Children Under 3 Years of Age. Health Canada 01.07.2024, abgerufen am 06.07.2024
- ↑ 2,0 2,1 Wiersinga WM. Paradigm shifts in thyroid hormone replacement therapies for hypothyroidism. Nat Rev Endocrinol. 2014 Mar;10(3):164-74. doi: 10.1038/nrendo.2013.258. PMID 24419358.
- ↑ Dietrich JW, Midgley JEM, Hoermann R. Editorial: "Homeostasis and Allostasis of Thyroid Function". Front Endocrinol (Lausanne). 2018 Jun 5;9:287. doi: 10.3389/fendo.2018.00287. PMID 29922229
- ↑ Larisch R, Midgley JEM, Dietrich JW, Hoermann R. Symptomatic Relief is Related to Serum Free Triiodothyronine Concentrations during Follow-up in Levothyroxine-Treated Patients with Differentiated Thyroid Cancer. Exp Clin Endocrinol Diabetes. 2018 Sep;126(9):546-552. doi: 10.1055/s-0043-125064. PMID 29396968
- ↑ 5,0 5,1 Bazika-Gerasch B, Kumowski N, Enax-Krumova E, Kaisler M, Eitner LB, Maier C, Dietrich JW. Impaired autonomic function and somatosensory disturbance in patients with treated autoimmune thyroiditis. Sci Rep. 2024 May 29;14(1):12358. doi 10.1038/s41598-024-63158-w. PMID 38811750
Literatur
- Wartofsky L, Dickey RA. The evidence for a narrower thyrotropin reference range is compelling. J Clin Endocrinol Metab. 2005 Sep;90(9):5483-8. Review. PMID 16148345.
- Surks MI, Goswami G, Daniels GH. The thyrotropin reference range should remain unchanged. J Clin Endocrinol Metab. 2005 Sep;90(9):5489-96. Review. PMID 16148346.
- Hamilton TE, Davis S, Onstad L, Kopecky KJ. Thyrotropin levels in a population with no clinical, autoantibody, or ultrasonographic evidence of thyroid disease: implications for the diagnosis of subclinical hypothyroidism. J Clin Endocrinol Metab. 2008 Apr;93(4):1224-30. Epub 2008 Jan 29. PMID 18230665
- Surks MI. Should the upper limit of the normal reference range for TSH be lowered? Nat Clin Pract Endocrinol Metab. 2008 Jul;4(7):370-1. Epub 2008 May 20. PMID 18493228
- Laborlexikon.de, abgerufen am 12.05.2021
- Feldkamp J. Schilddrüsenerkrankungen: L-Thyroxin sinnvoll einsetzen. Dtsch Arztebl 2024
Bildquelle
- Bildquelle Podcast: © Carly Mackler / Unsplash
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