Thyreotoxische Krise
Synonym: Thyreotoxikose
Englisch: thyrotoxicosis, thyroid storm
Definition
Die thyreotoxische Krise ist eine akute und lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung, die meist auf dem Boden einer vorbestehenden Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) entsteht.
ICD10-Code: E05.5
Pathogenese
Im Normalfall kommt nur ein kleiner Anteil der Schilddrüsenhormone T3 und T4 in freier Form im Blut vor, da sie zu 99% an Plasmaproteine gebunden sind, vor allem an Thyroxinbindendes Globulin (TBG). Bei der thyreotoxischen Krise kommt es zu einer plötzlichen Freisetzung von Schilddrüsenhormonen durch eine verminderte Bindung an TBG. Als mögliche Auslöser kommen in Frage:
- Jodexposition (Kontrastmittel) bei vorbestehender funktioneller Autonomie
- Stressereignisse bei Patienten mit unerkannter Hyperthyreose: Myokardinfarkt, Operationen, Unfälle, Sepsis, Verbrennung
- Exazerbation einer bereits bestehenden, schweren Hyperthyreose
- Exogen zugeführtes Thyroxin, z.B. durch Dosierungsfehler (Thyreotoxicosis factitia)
Der Entwicklung einer thyreotoxischen Krise liegt ein Circulus vitiosus zugrunde, in dem eine Hyperthyreose durch ihre Organkomplikationen verstärkt wird.[1]
Klinik
Bei der thyreotoxischen Krise kommt es zur maximalen Ausprägung der Symptome einer Hyperthyreose. Die Schwere der Symptomatik ist abhängig von der Konzentration der freien Schilddrüsenhormone.
Anhand des klinischen Bildes kann die thyreotoxische Krise nach Herrmann in drei Stadien eingeteilt werden:
Stadium 1 (Letalität unter 10%)
- Extreme Sinustachykardie (>150/min) oder Tachyarrhythmie bei bestehendem Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz
- Hyperthermie (38-41°C) mit Schwitzen
- Flush-Symptomatik
- Gastrointestinale Symptome
- Neurologische Symptome:
- Tremor, Unruhe, Agitiertheit
- Muskelschwäche vor allem der proximalen Muskulatur und des Schultergürtels und/oder Bulbärparalyse
- Exsikkose, Dehydration
Stadium 2
- Bewusstseinstrübung: Zusätzliche ZNS-Symptome mit Delirium, Stupor, Sopor und psychotische Zeichen (z.B. Halluzinationen) mit einhergehender zeitlicher und örtlicher Desorientierung
Stadium 3 (Letalität über 30%)
Im Stadium 3 liegt eine Bewusstlosigkeit vor, der Patient tritt ins Koma ein. Das Stadium kann weiter unterteilt werden in:
- Stadium 3a: Patient < 50 Lj.
- Stadium 3b: Patient > 50 Lj.
Diagnostik
Da die Symptome der thyreotoxischen Krise mehrdeutig sind, und das Krankheitsbild bei prädisponierten Patienten bereits im Falle einer latenten Hyperthyreose auftreten kann, wurden Score-Systeme zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer thyreotoxischen Krise entwickelt.
Hierzu zählen:
Therapie
Oberstes Therapieziel ist die Stabilisierung des Patienten und die sofortige Senkung des erhöhten Schilddrüsenhormonspiegels, d.h. das Erreichen eines euthyreoten Zustandes.
Medikamentöse Therapie
- Thyreostatika (Thiamazol) hochdosiert: sofortige Blockade der Hormonproduktion (Thiamazol 40-80mg i.v. alle 8 Stunden)
- Natrium-Perchlorat
- Beta-1-selektive Betablocker (Metoprolol, Bisoprolol): Verminderung der Sensitivität für Katecholamine und Herzfrequenzsenkung. Die früher empfohlenen unselektiven Betablocker sollten wegen erhöhter Sterblichkeit möglichst nicht mehr zum Einsatz kommen[4]
- Digitalis: bei Tachyarrhythmia absoluta
- Paracetamol: Fiebersenkung
- Sedativa (z.B. Diazepam): Ruhigstellung
- evtl. Glukokortikoide (Prednisolon/Dexamethason): Hemmung der Umwandlung von T4 in T3, Kompensation der begleitenden Nebenniereninsuffizienz
- Gallensäurebinder: Hemmen den enterohepatischen Kreislauf von Schilddrüsenhormonen.[1]
Plasmapherese
Bei lebensbedrohlicher jodinduzierter thyreotoxischer Krise kann eine Plasmapherese zur Elimination des zirkulierenden T3/T4 versucht werden. Allerdings ist die Wirksamkeit dieser Maßnahme umstritten.[1]
Operation
In extremen Fälle kann eine totale Schilddrüsenresektion in Erwägung gezogen werden.
Weitere Maßnahmen
- Volumensubstitution: Therapie der Exsikkose mit parenteraler Gabe von Glukose- und Elektrolytlösungen
- parenterale Ernährung
- Physikalische Temperatursenkung (Wadenwickel)
- Thromboembolieprophylaxe
Literatur
- ↑ 1,0 1,1 1,2 Dietrich, J. W. (2012). Thyreotoxische Krise [Thyroid Storm.]. Med Klin Intensivmed Notfmed 107: 448-53. PMID 22878518
- ↑ Burch, H. B. und L. Wartofsky (1993). "Life-Threatening Thyrotoxicosis. Thyrotoxic storm. " Endocrinology and Metabolism Clinics of North America 22(2): 263-77. (>> Abstract)
- ↑ Akamizu T, Satoh T, Isozaki O, Suzuki A, Wakino S, Iburi T, Tsuboi K, Monden T, Kouki T, Otani H, Teramukai S, Uehara R, Nakamura Y, Nagai M, Mori M; Japan Thyroid Association. Diagnostic criteria, clinical features, and incidence of thyroid storm based on nationwide surveys. Thyroid. 2012 Jul;22(7):661-79. Epub 2012 Jun 12. PMID 22690898.
- ↑ Isozaki O, Satoh T, Wakino S, Suzuki A, Iburi T, Tsuboi K, Kanamoto N, Otani H, Furukawa Y, Teramukai S, Akamizu T. Treatment and management of thyroid storm: analysis of the nationwide surveys: The taskforce committee of the Japan Thyroid Association and Japan Endocrine Society for the establishment of diagnostic criteria and nationwide surveys for thyroid storm. Clin Endocrinol (Oxf). 2016 Jun;84(6):912-8. doi: 10.1111/cen.12949. PMID 26387649
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