Abkürzungen: VHF, AF, AFib
Englisch: atrial fibrillation
Das Vorhofflimmern, kurz VHF, ist die häufigste tachykarde Herzrhythmusstörung, bei der die Störung der geregelten Vorhoferregung über einen von verschiedenen Zentren im Vorhof ausgehenden Erregungen ausgelösten Reentry-Mechanismus ausgeht.
Nach Zeitpunkt und Dauer des Auftretens kann man das Vorhofflimmern unterteilen in
Bezüglich der Pathogenese des Vorhofflimmerns werden multiple Reentry-Kreisläufe der Erregungsleitungssystems auf Vorhofebene verantwortlich gemacht. Die unkoordinierten Vorhofaktionen werden bei normaler Leitfähigkeit des AV-Knotens tachykard auf die Kammern übergeleitet. Gleichzeitig besteht eine absolute Arrhythmie, sodass zusammenfassend meistens eine Tachyarrhythmia absoluta festzustellen ist.
Die Hämodynamik ist durch das Vorhofflimmern beeinträchtigt. Durch die Tachykardie der Kammern, die bei körperlicher Belastung noch weiter zunimmt, ist die Auswurfleistung beeinträchtigt. Bei dauerhaft tachykarder Überleitung kann es zur Schädigung des Myokards kommen. Weiterhin ist das Ausbleiben der mechanischen Vorhofaktion dafür verantwortlich, dass die diastolische Füllung des Ventrikels um etwa ein Fünftel vermindert ist. Dies wirkt sich ebenfalls negativ auf das Schlagvolumen aus.
Durch die uneffektive Kontraktion der Vorhöfe kommt es zu einer Stase von Blut, die zur Bildung eines Thrombus führen kann. Das Thromboserisiko ist nach 48 Stunden bestehendem Vorhofflimmern stets als erhöht zu betrachten.
Im EKG kommt es zu einem typischen Bild mit:
In der Regel liegen schmale QRS-Komplexe vor. Bei aberranter Weiterleitung können auch breite QRS-Komplexe auftreten, z.B. als Ausdruck des Ashman-Phänomens.
Häufige Ursachen für ein Vorhofflimmern sind:
Bei ungefähr der Hälfte der Fälle ist die Ätiologie unklar, man bezeichnet diese Fälle daher als idiopathisch.
Abhängig von der auf die Kammern übergeleiteten Frequenz kommt es vor allem bei Tachykardie zu Palpitationen und Wahrnehmen einer unregelmäßigen Herzaktion. Die körperliche Belastbarkeit ist vermindert, beim Versuch kommt es zu Dyspnoe. Bei der Auskultation und dem Tasten des Pulses kann neben der Arrhythmie auch ein Pulsdefizit offenbar werden. Durch erhöhte ANP-Sekretion kommt es gehäuft zu einer Polyurie. Auch weitere vegetative Symptome werden beschrieben, wie z.B. Schweißausbruch, Zittern, Übelkeit und Erbrechen.
Angelehnt an die NYHA-Klassifikation bei Herzinsuffizienz kann die Schwere der Symptomatik des Vorhofflimmerns nach dem EHRA-Score der European Heart Rhythm Association (EHRA) eingeteilt werden. Dieser Score wird als Entscheidungshilfe für die Indikation zur rhythmuserhaltenden Therapie herangezogen.[1]
Stadium | Schwere der Symptome | Alltagskompetenz |
---|---|---|
EHRA I | Keine Beschwerden | Normale tägliche Aktivität ist nicht eingeschränkt |
EHRA II | Milde Beschwerden | |
EHRA III | Schwere Beschwerden | Normale tägliche Aktivität ist eingeschränkt |
EHRA IV | Massive Beschwerden | Normale tägliche Aktivität ist unmöglich |
Selten kann ein Vorhofflimmern in ein Kammerflimmern übergehen. Eine häufigere Komplikation ist die intrakardiale Ausbildung von Thromben mit dem Resultat einer Thrombembolie.
Die Komplikationsrate hängt maßgeblich von der Ursache des Vorhofflimmerns ab. So ist z.B. das Risiko einer Thrombembolie bei Patienten mit Mitralklappenfehlern oder Zustand nach Mitralklappenersatz besonders hoch. Das Risiko für die Entwicklung eines Kammerflimmerns ist bei vorliegender koronarer Herzkrankheit und Kardiomyopathien erhöht.
Das Schlaganfallrisiko eines Patienten lässt sich mit Hife des CHADS2-Scores abschätzen.
Als akute Erstmaßnahme sollte nach Diagnosestellung eine ausreichende Antikoagulation zunächst mit Heparin, später bzw. parallel einsetzend Umstellung auf orale Antikoagulation (Cumarin-Derivate oder direkte orale Antikoagulantien) erfolgen. Bei Patienten mit niedrigem CHA2DS2-VASc-Score (Männer 0, Frauen 1) besteht nach derzeitigen Wissensstand keine Indikation zur dauerhaften Antikoagulation.
Anschliessend ist eine Senkung (Normalisierung) der Herzfrequenz anzustreben. Zu diesem Zweck werden bevorzugt Calciumantagonisten, Digitalisglykoside und Betablocker eingesetzt, zur Konversion eines kürzlich aufgetretenen Vorhofflimmerns ist Vernakalant zugelassen. Die Serumspiegel von Kalium und Magnesium sollten im hochnormalen Bereich eingestellt werden.
Mit dem Vorhofflimmern in Zusammenhang stehende oder die Komplikationsrate erhöhende Grunderkrankungen (Herzinsuffizienz, Hyperthyreose, hypertensive Krise) sollten möglichst optimal eingestellt werden.
Falls die Auswurfleistung des linken Ventrikels hochgradig eingeschränkt ist und das Vorhofflimmern akut eingetreten ist, ist eine sofortige elektrische Kardioversion indiziert.
Bei der Dauertherapie des Vorhofflimmerns ist zwischen einer Rhythmuskontrolle und einer Frequenzkontrolle zu entscheiden.
Die Rhythmuskontrolle bietet den Vorteil der Wiederherstellung des Sinusrhythmus und der damit verbundenen vollständigen Besserung des Allgemeinbefindens. Sie ist dann anzustreben, wenn das Vorhofflimmern erstmalig oder im Rahmen eines akuten Zustandes (z.B. thyreotoxische Krise) auftritt und zum Zeitpunkt der Diagnose keine Dilatation des linken Vorhofs nachzuweisen ist.
Eine Frequenzkontrolle ist demgegenüber bei chronischem Vorhofflimmern (> 6 Monate), Rezidiven nach vorheriger Kardioversion und subjektiv nicht stark empfundener Beeinträchtigung des Patienten anzustreben.
Zur Rhythmuskontrolle stehen zwei Verfahren zur Verfügung: Die externe elektrische Kardioversion mit EKG-gesteuertem Setzen eines Gleichstromimpulses auf den Brustkorb bietet bei Erstanwendung die höchsten Erfolgsraten. Nachteil ist eine höhere Komplikationsrate (Thrombembolie, Narkose). Vor der elektrischen Kardioversion muss der Patient über einen Zeitraum von vier Wochen vor und vier Wochen nach der Therapie mit Cumarinen antikoaguliert werden (INR 2-3). Alternativ kann eine elektrische Kardioversion auch nach Ausschluss eines Thrombus mittels TEE unter Heparinisierung stattfinden.
Zur medikamentösen Rhythmuskontrolle ist das Antiarrhythmikum Amiodaron erste Wahl. Prinzipiell sind alle Antiarrhythmika der Klasse I (z.B. Propafenon) und III (z.B. Sotalol) zur medikamentösen Rhythmuskontrolle geeignet, sind nach derzeitiger (2014) Kenntnis jedoch aufgrund ihrer proarryhthmogenen Wirkung zurückhaltend anzuwenden.
Die Rezidivrate nach Wiederherstellung des Sinusrhytmus beträgt im ersten Jahr über 70%. Eine Rezidivprophylaxe mit Amiodaron kann die Rezidivrate auf 50% senken, ist jedoch bei Dauertherapie mit unangenehmen Nebenwirkungen verbunden. Daher werden zur Rezidivprophylaxe häufiger Betablocker angeordnet, die nicht gleich effektiv wirken, bei Patienten mit Herzinsuffizienz, KHK und Hypertonus aber zusätzlich die Prognose bezüglich der Mortalität bessern.
Zur Frequenzkontrolle eignen sich prinzipiell die in der Akuttherapie zur Frequenznormalisierung eingesetzten Medikamente.
Meistens wird ein Betablocker verwendet, da mit ihnen die Herzfrequenz auch unter Belastung zufriedenstellend eingestellt ist.
Bei Nichtansprechen auf eine der genannten Therapieformen besteht als ultima ratio die Möglichkeit einer AV-Knotenablation per Herzkatheter. Dieses Vorgehen impliziert jedoch die Anlage eines permanenten Herzschrittmachers, da durch die Intervention die Überleitung von Vorhof auf Ventrikel zerstört wird. Ein neueres Verfahren stellt die Pulmonalvenenisolation (PVI) dar, deren Ziel es ist die vollständige elektrische Diskonnektion aller Pulmonalvenen, die elektrische Potentiale zeigen zu erreichen.
Tags: Herzrhythmusstörung, Thrombus, Vorhof, Vorhofflimmern
Fachgebiete: Kardiologie
Diese Seite wurde zuletzt am 4. Dezember 2020 um 09:57 Uhr bearbeitet.
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