Reentry-Mechanismus
Synonym: Wiedereintritt-Mechanismus
Definition
Der Reentry-Mechanismus ist einer der drei Hauptmechanismen tachykarder Herzrhythmusstörungen und beruht auf einer kreisenden Erregung im Myokard. Dabei kehrt ein elektrischer Impuls entlang eines Leitungsweges immer wieder zurück und depolarisiert das Gewebe erneut.
Abgrenzung
Im Gegensatz zu Automatizität oder getriggerter Aktivität entsteht die Erregung nicht spontan, sondern durch die kreisförmige Ausbreitung in Bereichen mit Leitungsverzögerungen und unterschiedlichen Refraktärzeiten.
Pathophysiologie
Der Reentry-Mechanismus wird durch eine inhomogene Erregbarkeit des Myokards ausgelöst. Diese kann funktionell oder anatomisch bedingt sein, etwa durch Infarktnarben, Kardiomyopathie oder Fibrosen. Modellhaft lässt sich der Mechanismus über zwei Leitungsbahnen darstellen: Leitungsbahn A weist eine langsame Reizleitung und kurze Refraktärzeit auf, Leitungsbahn B eine schnelle Reizleitung und lange Refraktärzeit. Die beiden Bahnen verhalten sich komplementär zueinander, sodass die Depolarisationswelle immer auf erregbares Gewebe trifft und die Erregung kreisen kann. Ein Reentry entsteht insbesondere dann, wenn ein unidirektionaler Block in einer der Bahnen (z.B. Bahn B) die normale anterograde Depolarisation verhindert.
Für die Ausbildung eines Reentry-Kreises sind also ein heterogenes Leitungsnetz, unterschiedliche Refraktärzeiten und eine Leitungsverzögerung erforderlich, die es dem Impuls ermöglichen, nach einem Umlauf erneut in zuvor erregtes Gewebe einzudringen und die Depolarisation fortzusetzen.
Klinische Manifestationen
Reentry ist eine häufige Ursache für paroxysmale Tachykardien. Je nach Lokalisation kann es sich um Vorhoftachykardien (z.B. AV-Knoten-Reentrytachykardie, Vorhofflattern, Vorhofflimmern) oder ventrikuläre Tachykardien (Faszikuläre ventrikuläre Tachykardie, Bundle-Branch-Reentry-VT) handeln. Die Rhythmusstörung kann episodisch auftreten und ist oft durch einen plötzlichen Beginn und ein ebensolches Ende gekennzeichnet.
Diagnostik
Die Diagnostik erfolgt primär über das Elektrokardiogramm (EKG), das typische Muster der jeweiligen Reentry-Tachykardie zeigt, wie z.B. Saw-tooth-Muster beim Vorhofflattern oder regelmäßige, monomorphe QRS-Komplexe bei ventrikulärer Tachykardie. In speziellen Fällen kann eine elektrophysiologische Untersuchung (EPU) durchgeführt werden, um den kreisenden Erregungsweg zu identifizieren.
Therapie
Therapeutisch zielt man auf eine Unterbrechung des Erregungskreises ab. Akut können Antiarrhythmika oder eine elektrische Kardioversion eingesetzt werden. Bei persistierenden oder therapieresistenten Reentry-Tachykardien ist die Katheterablation die Methode der Wahl, um den arrhythmogenen Leitungsweg gezielt zu zerstören.
Literatur
- Zipes DP, Jalife J (Hrsg.): Cardiac Electrophysiology – From Cell to Bedside. 7. Auflage. Elsevier, 2018.
- Erdmann, E. (Hrsg.). (2011). Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße (8. Aufl.). Springer
- Lindner, U. K., & Dubin, D. B. (2004). Schnellinterpretation des EKG: Ein programmierter Kurs (8. Aufl.). Springer. ISBN: 978-3540202172.
- Iden, L., Borlich, M., & Sommer, P. (Hrsg.). (2025). Invasive Electrophysiology for Beginners. Springer