Kardiomyopathie
Synonym: Myokardiopathie, CMP
Englisch: cardiomyopathy
Definition
Kardiomyopathien sind Erkrankungen des Myokards, die mit einer mechanischen oder elektrophysiologischen Funktionsstörung des Herzens einhergehen. In einigen Fällen tritt eine Kardiomyopathie gemeinsam mit einer Hypertrophie des Herzens auf.
ICD10-Codes
- I42.0: Dilatative Kardiomyopathie
- I42.1: Hypertrophische obstruktive Kardiomyopathie
Hintergrund
Kardiomyopathien sind als myokardiale Erkrankungen definiert, bei denen der Herzmuskel ohne Vorliegen einer KHK, einer arteriellen Hypertonie, einer Herzklappenerkrankung oder eines angeborenen Herzfehlers strukturell und funktionell abnorm ist.[1]
Gemäß dieser Definition gibt es eine ischämische Kardiomyopathie bzw. eine Kardiomyopathie als Ausdruck einer KHK definitionsgemäß eigentlich nicht. Der Begriff "ischämische Kardiomyopathie" wird allerdings in der Literatur weiter verwendet und findet sich auch z.B. im ICD-10 (I25.5). Auch Fachgesellschaften verwenden den Begriff weiterhin, so z.B. die American Heart Association, die auf ihrer Webseite die dilatative Kardiomyopathie erklärt und dort die ischämische Kardiomyopathie als mögliche Form einer dilatativen Kardiomyopathie benennt.
Klassifikation
Die Kardiomyopathien wurden für eine lange Zeit nach der im Jahr 1995 von der WHO als Konsensus erarbeiteten Klassifikation eingeteilt. Mit weiterer Erforschung der Ursachen einzelner Kardiomyopathien und neu entdeckten und etablierten Entitäten wurde diese Klassifikation zunehmend unzureichend.
Die aktuelle (2022), im folgenden wiedergegebene Klassifikation geht auf die Arbeiten von Moran et al. für die American Heart Association (AHA) zurück.
Demnach werden Kardiomyopathien grundsätzlich in primäre, vorwiegend das Herz betreffende und sekundäre, im Rahmen systemischer Dispositionen entstehende Kardiomyopathien eingeteilt.
Primäre Kardiomyopathien
Die primären Kardiomyopathien werden weiter in genetisch bedingte und erworbene Kardiomyopathien unterteilt. Schließlich gibt es noch primäre Kardiomyopathien, die ein Mischbild aus erworbenen und genetisch bedingten Störungen sind.
- Genetisch bedingte primäre Kardiomyopathien
- Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM)
- Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC)
- Kardiomyopathien durch Anomalien des Reizleitungssystems (Lenegre-Krankheit)
- Ionenkanalerkrankungen (Long-QT-Syndrom, Short-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom, CPVT)
- Gemischt genetisch-erworbene Kardiomyopathien
- Erworbene Kardiomyopathien
- Kardiomyopathie bei Myokarditis
- Tako-Tsubo-Kardiomyopathie
- Peripartale Kardiomyopathie
Die Bezeichnung als restriktive Kardiomyopathie ist der neuen Klassifikation zufolge seltenen Kardiomyopathien vorenthalten, die ohne Hypertrophie und nur mit Restriktion einhergehen.
Restriktion bedeutet in diesem Sinne, dass die diastolische Füllung des linken Ventrikels eingeschränkt ist und nicht in vollem Umfang stattfindet.
Sekundäre Kardiomyopathien
Sekundäre Kardiomyopathien sind erworbene Kardiomyopathien, die im Gegensatz zu den erworbenen primären Kardiomyopathien, das Herz im Rahmen systemischer Krankheitsprozesse mit betreffen.
Im folgenden wird die Vielzahl an möglichen Ursachen für sekundäre Kardiomyopathien wiedergegeben:
- Infiltrativ (ablagerungsbedingt)
- Speicherkrankheiten
- Hämochromatose
- Morbus Fabry, Morbus Pompe, Morbus Niemann-Pick (unter Umständen primär, wenn das Herz vorwiegend betroffen ist)
- Toxische Ursache
- Drogen (z.B. Kokain)
- Schwermetalle (z.B. Cadmium)
- weitere chemische Noxen
- Entzündlich bedingt
- Endokrinologische Ursachen
- Neurologische Erkrankungen
- Tuberöse Sklerose
- Muskeldystrophie (Becker, Duchenne)
- Neurofibromatose
- Friedreich-Ataxie
- Autoimmunkrankheiten
- Alimentär bedingt
- Andere
- Noonan-Syndrom
- Zustand nach Chemotherapie mit Anthrazyklinen
- Zustand nach Chemotherapie mit Cyclophosphamid
- Zustand nach Strahlentherapie
Klinik
Kardiomyopathien als Ursache einer Herzfunktionsstörung sind schwer zu diagnostizierende Erkrankungen. Im Vordergrund der klinischen Symptomatik steht die Herzinsuffizienz. Weiterhin können eine Angina pectoris, Arrhythmien, Synkopen oder Embolien auf eine Kardiomyopathie aufmerksam machen.
Oft findet sich eine sekundäre Mitralinsuffizienz, Patienten klagen unter Umständen über Palpitationen, Dyspnoe und atypischen Brustschmerz.
Diagnostik
Die Diagnose Kardiomyopathie wird mithilfe umfangreicher Untersuchungen des Herzens gestellt.
Im EKG finden sich häufig unspezifische ST-Senkungen und/oder ein Linksschenkelblock. Weiterhin bestehen häufig ein positiver Sokolow-Index und Vorhofflimmern.
Laborchemisch können ein erhöhtes BNP und NT-proBNP wegweisend sein.
In der Echokardiographie sind meistens alle Herzbinnenräume unter Betonung des linken Herzens vergrößert darstellbar, die Kontraktilität des Ventrikels ist stark eingeschränkt, was sich in einer niedrigen Ejektionsfraktion ausdrücken kann. Die Restvolumina sind gesteigert.
Im Röntgen-Thorax zeigt sich als Leitbefund eine Kardiomegalie mit auffälligem Herz/Thorax-Quotienten.
In einer Linksherzkatheteruntersuchung können die Kontraktionsstörung und die Herzvergrößerung weiter evaluiert und eine pulmonale Hypertonie als Ursache der Hypertrophie ausgeschlossen werden. Bei dieser Gelegenheit kann eine Koronarangiographie mit Beurteilung der Koronararterien erfolgen.
Zur definitiven Abklärung einer Kardiomyopathie erfolgen Myokardbiopsien, die ebenfalls im Rahmen einer Linksherzkatheterisierung entnommen werden. Dabei wird auf eine Vielzahl der bekannten Kardiomyopathien untersucht, um prognostische Aussagen treffen zu können.
Therapie
Im Verlauf der Erkrankung kommt es in der Regel zu einer progressiven Herzinsuffizienz, die unter anderem medikamentös behandelt werden kann.
Liegt eine Dilatation vor und ist die Ejektionsfraktion unter 25 %, wurde früher eine Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten eingeleitet, da angenommen wurde, dass das Risiko von Thrombembolien erhöht ist. Aktuell (2022) gibt es keine ausreichende Datenlage dafür, alle Herzinsuffizienzpatienten mit einer Vollantikoagulation zu behandeln. Individuelle Antikoagulationsentscheidungen sind unter Abwägung des Thromboembolie- und Blutungsrisikos gemeinsam mit dem Patienten zu treffen. Weiterhin sollte eine Antikoagulation bei erhöhtem Thromboserisiko, begleitendem Vorhofflimmern und Zustand nach stattgefundener Embolie erfolgen.
Bei einer Herzinsuffizienz mit einer Ejektionsfraktion < 35 % besteht die Indikation für einen implantierbaren Kardioverter-Defibrillator. Besteht zusätzlich ein Linksschenkelblock, liegt die Indikation für eine kardiale Resynchronisationstherapie vor.
Die hypertrophe Kardiomyopathie kann zudem mit einer chirurgischen Entfernung des überschüssigen Herzmuskels oder durch das Einsetzen eines Herzschrittmachers behandelt werden. Wichtig ist auch die Vermeidung starker körperlicher Belastung.
Die einzige kausale Therapie einer Kardiomyopathie ist die Herztransplantation.
Quellen
- ↑ Elliott P, Andersson B, Arbustini E, Bilinska Z, Cecchi F, Charron P, Dubourg O, Kühl U, Maisch B, McKenna WJ, Monserrat L, Pankuweit S, Rapezzi C, Seferovic P, Tavazzi L, Keren A. Classification of the cardiomyopathies: a position statement from the European Society Of Cardiology Working Group on Myocardial and Pericardial Diseases. Eur Heart J 2008;29:270 – 276.
Literatur
- Deneke et al. DGK - Der tragbare Kardioverter/ Defibrillator (WCD) – Indikationen und Einsatz, 2019
- ESC - 2021 ESC Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy, abgerufen am 17.11.2022