Friedreich-Ataxie
nach dem deutschen Internisten Nicolaus Friedreich (1825 bis 1882)
Synonyme: spinozerebellare Heredoataxie, spinale Heredoataxie
Englisch: Friedreich's disease, spinocerebellar degeneration
Definition
Die Friedreich-Ataxie, kurz FRDA, ist eine erbliche Erkrankung des zentralen Nervensystems aus der Gruppe der Heredoataxien. Sie ist die häufigste Heredoataxie.
Epidemiologie
Die Friedreich-Ataxie macht mit einer Häufigkeit von 1:50.000 etwa die Hälfte aller erblichen Ataxieformen aus; die Frequenz der heterozygoten Anlageträger liegt bei 1 %, die der Compound-Heterozygotien bei 2–4 %. 95 % der homozygoten Merkmalsträger erkranken.
Die Ataxie manifestiert sich üblicherweise vor dem 25. Lebensjahr. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 10–15 Jahre.
Genetik
Die Friedreich-Ataxie wird autosomal-rezessiv vererbt. Das bei der Erkrankung auf beiden Allelen mutierte Gen heißt FXN und liegt auf dem langen Arm von Chromosom 9 (Genlokus: 9q13-21.1). Auch andere Genloki können bei Mutation die Symptomatik der FRDA imitieren, beispielsweise das Gen FRDA2 (Genlokus: 9p23-p11).
FXN codiert für das in den Mitochondrien vorkommende Protein Frataxin. Im Bereich des Gens findet sich bei Erkrankten meist eine homozygote GAA-Triplettexpansion, selten eine Compound-Heterozygotie mit einer Punktmutation auf dem einen Allel und Repeat-Expansion auf dem anderen Allel. Heterozygote Mutationen bleiben klinisch stumm.
Bei Homozygotie tritt die Krankheit ab 82 Wiederholungen auf beiden Allelen auf. Häufungen zwischen 40 und 82 Kopien werden als Prämutationen bezeichnet und tragen die Gefahr einer Friedreich-Ataxie in folgenden Generationen.
Eine variable Penetranz liegt vor, da mit zunehmender Triplettexpansion die Prä-mRNA weniger effizient gespleißt wird, sodass eine Haploinsuffizienz resultiert. Auch besteht eine Antizipation, da ab 82 Repeats mit steigender Triplettexpansion das Erkrankungsalter reziprok sinkt.
Ätiologie
Die Friedreich-Ataxie ist durch eine progressive Sklerose der Hinterstrangbahnen und der Leitungsbahnen zwischen Rückenmark und Cerebellum (Tractus spinocerebellaris superior und inferior) gekennzeichnet. Daneben können Degenerationen der Pyramidenbahn und der Kleinhirnrinde sowie von Kardiomyozyten vorliegen.
Die Ursache ist noch nicht vollständig erforscht; es wird vermutet, dass es durch die Mutation des Frataxin-Gens zur Atrophie von mitochondrienreichen Neuronen und Herzmuskelzellen kommt.
Symptome
Die Friedreich-Ataxie manifestiert sich üblicherweise sehr früh im Leben. Schon früh treten zunehmende Koordinationsschwierigkeiten (Ataxie) auf, daneben fällt die Sensibilität aus.
Die Symptomatik ist im Folgenden kursorisch dargestellt:
- Neurologische Ausfälle
- Sensible Ataxie u.a. Koordinationsstörungen
- Verlust von Oberflächen- und Tiefensensibilität
- Areflexie der Beine
- Spastik
- Sprechstörungen (z.B. Dysarthrie)
- Störung der Feinmotorik
- Nystagmus
- Psychiatrische Auffälligkeiten
- Wesensveränderungen
- Skelettdeformitäten
- Sonstige Symptome
- Spätsymptome
Einige Autoren zählen auch die präsenile Demenz zu den Symptomen der Friedreich-Ataxie. Diese Ansicht ist jedoch umstritten.
Erste Anzeichen der Erkrankung sind häufig Gang- und Gleichgewichtsstörungen, sowie Koordinationsprobleme der Arme. Der Patient fällt durch langsame, unpräzise Gesten auf.
Verlauf
Die körperlichen Symptome der Friedreich-Ataxie schreiten in der Regel unaufhaltsam voran. Der Verlauf kann interindividuell jedoch sehr unterschiedlich sein. Durch die fortschreitende neurologische Beeinträchtigung kommt es allmählich zum Verlust der Autonomie, die den Patienten rollstuhlpflichtig macht.
Für Patienten mit Friedreich-Ataxie ist häufig die Kardiomyopathie lebenslimitierend.
Diagnostik
Die Diagnose der Erkrankung erfolgt molekulargenetisch durch Nachweis des oben beschriebenen Gendefekts. Das cMRT zeigt eine charakteristische Atrophie des Zervikalmarks, in späten Stadien eine leichte Kleinhirnatrophie. Invasive Eingriffe wie Muskelbiopsie oder Lumbalpunktion sind entbehrlich geworden.
Therapie
Bis heute gibt es keine suffiziente oder kausale Behandlung der Erkrankung. Die Therapie erstreckt sich daher auf die Symptome. Sie umfasst eine regelmäßige Betreuung des Patienten durch Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie.
Als erstes Arzneimittel wurde 2023 Omaveloxolon in den USA zur Behandlung der Friedreich-Ataxie durch die FDA zugelassen.[1][2]
Quellen
- ↑ Lynch DR et al. Safety and Efficacy of Omaveloxolone in Friedreich Ataxia (MOXIe Study). Ann Neurol. 2021
- ↑ Full prescribing Information Skyclarys, FDA, abgerufen am 03.04.2023
Literatur
- Friedreich N. Über degenerative Atrophie der spinalen Hinterstränge. [Virchows] Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medizin, Berlin, 1863, 26: 391-419
- Friedreich N. Über Ataxien mit besonderer Berücksichtigung der hereditären Formen.[Virchows] Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medizin, Berlin, 1876, 68: 145-245