Morbus Hunter
nach dem schottischen Chirurgen John Hunter (1728-1793)
Synonyme: Hunter-Syndrom, Mucopolysaccharidose Typ II
Englisch: Hunter´s syndrome
Definition
Der Morbus Hunter ist eine seltene X-chromosomal-rezessive lysosomale Speicherkrankheit aus der Gruppe der Mukopolysaccharidosen.
Epidemiologie
Aufgrund des X-gonosomalen Erbganges sind überwiegend Jungen und Männer betroffen.
Pathophysiologie
Ursache des Morbus Hunter ist eine mutationsbedingte (Genlokus Xq27.3-28) quantitative oder qualitative Fehlexpression der lysosomale Iduronat-2-Sulfatase, in deren Folge es zu einem gestörten Abbau der Glykosaminoglykane Dermatansulfat und Heparansulfat kommt. Durch die intrazellulären Akkumulation dieser Mukopolysaccharide resultieren progrediente Organschäden, insbesondere der Nieren, Leber, Lunge und des Skelettsystems. Die Schwere der Erkrankung ist hierbei von der Quantität des Enzymmangels abhängig.
Klinik
Die Erstmanifestation der Erkrankung erfolgt in Abhängigkeit des Schweregrades
- im frühen Kindes- und Jugendalter als schwere und komplikationsreiche Verlaufsform (Typ A) mit psychomotorischer Retardierung oder
- im Erwachsenenalter als leichte adulte Verlaufsform (Typ B)
Symptome
Typ A und B
- Hautverdickungen (Peau d´orange)
- Hörverlust
- Hepatomegalie
- Splenomegalie
- kardiale Symptomatik
- Schleimhauthypertrophie mit Hyperkrinie der oberen Atemwege
- neurologische Ausfallssymptome
Typ A zusätzlich
- skelettale Entwicklungsstörungen (Dysostosis multiplex) mit
- Knochenverformungen
- Wachstumsstörungen
- Gesichtsdysmorphien:
- breite ausladende Nase mit antevertierten Nasenlöcher
- breite wulstige Lippen
- Makroglossie
- breite Augenbrauen
Komplikationen
Diagnostik
Die Diagnose wird klinisch sowie über den labordiagnostischen Nachweis sulfatierter Glykosaminglykane (Heparansulfat, Dermatansulfat) im Urin gestellt. Die Quantifizierung des Enzymmangels erfolgt durch die Messung der Iduronat-Sulfatase-Aktivität in Leukozyten oder Fibroblasten.
Desweiteren besteht die Möglichkeit des molekulargenetischem Mutationsnachweises in
- Leukozyten-DNA (2-5ml EDTA-Blut) oder
- Amniozentese-Punktat (Pränataldiagnostik)
Aufgrund der Progredienz der Erkrankung sind regelmäßige internistische (Lungenfunktionsprüfung, Echokardiographie) und orthopädische Verlaufskontrollen obligat.
Prognose und Therapie
Die Prognose ist in Abhängigkeit des Schweregrades individuell unterschiedlich zu stellen. Die Lebenserwartung ist normal bis eingeschränkt (Typ A), wobei die Letalität auf die kardiopulmonalen Komplikationen zurückzuführen ist.
Zur Langzeittherapie des Morbus Hunter erhielt 2007 ein intravenöses Substitutionspräparat der Iduronat-2-Sulfatase (Elaprase®) die europäische Marktzulassung. Die jährlichen Therapiekosten liegen im deutlich sechsstelligen Bereich.
Im November 2017 wurde in den USA am UCSF Benioff Children's Hospital in Oakland der erste Hunter-Patient experimentell mit einer Gentherapie behandelt, bei welcher der Gendefekt mit Hilfe von Hybridviren und CRISPR/Cas9 beseitigt wird.