Mitralinsuffizienz
Synonym: Mitralklappeninsuffizienz
Abk.: MI
Englisch: mitral regurgitation
Definition
Die Mitralinsuffizienz ist ein Herzklappenfehler mit einer Insuffizienz der Mitralklappe während der Systole.
Pathophysiologie
Die Mitralklappe verliert bei einer Mitralklappeninsuffizienz ihre physiologische Funktion. In der Systole strömt Blut aus dem linken Ventrikel in den linken Vorhof zurück (Regurgitation). Werden pro Herzschlag mehr als 15 % des Schlagvolumens in den linken Vorhof zurückbefördert besteht eine relevante Mitralinsuffizienz.
Das zwischen Vorhof und Kammer pendelnde Volumen führt zur Volumenbelastung des linken Ventrikels und im weiteren Verlauf zur Dilatation des linken Ventrikels und des linken Vorhofes. Der Blutdruck in den Pulmonalvenen steigt, die entstehende pulmonale Hypertonie führt zu einer Rechtsherzbelastung. Unbehandelt mündet eine Mitralklappeninsuffizienz in eine globale Herzinsuffizienz.
Die Zunahme einer Mitralinsuffizienz wird begünstigt durch:
- fortschreitende Dilatation des Klappenringes
- erhöhten peripheren Widerstand (Hypertonie, Aortenstenose)
- Verlängerung der Systole (z.B. bei Tachykardien)
Ätiologie
Ursachen der Mitralinsuffizienz sind unter anderem:
- angeborene Fehlbildungen der Mitralklappe
- Zustand nach Myokardinfarkt (Fibrose oder Ruptur eines Papillarmuskels, Kontraktionsstörungen)
- Kalzifikation des Klappenringes
- Riss der Sehnenfäden (Trauma, spontan)
- Endokarditis
- Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie
- Dilatative Kardiomyopathie
- Mitralklappenprolaps
- Rheumatisches Fieber
Einteilung
Eine primäre Mitralklappeninsuffizienz resultiert aus Anomalien der Mitralklappe. Sekundäre Mitralklappeninsuffizienzen entstehen auf dem Boden vorbestehender Erkrankungen des Herzens.
Akute Mitralinsuffizienzen treten plötzlich auf, chronische Mitralklappeninsuffizienzen entwickeln sich über einen längeren Zeitraum.
Nach Carpentier kann eine Mitralinsuffizienz morphologisch in 3 Stadien eingeteilt werden:
- Grad 1: Es besteht eine Dilatation des Klappenapparats
- Grad 2: Es kommt in der Systole zum Prolaps der Mitralklappensegel
- Grad 3: Die Klappensegel sind stets in den linken Vorhof vorgewölbt und kehren nicht wieder in ihre Ausgangslage zurück (Restriktion)
Bei der invasiven Diagnostik durch eine Herzkatheteruntersuchung kann nach Einbringen von Kontrastmittel in den linken Ventrikel das Füllungsverhalten des linken Vorhofes analysiert und so das Ausmaß der Mitralklappeninsuffizienz in vier Schweregrade eingeteilt werden:
- Grad I: Es besteht eine minimale Mitralinsuffizienz, keine komplette Kontrastierung des linken Vorhofes
- Grad II: Die Regurgitationsfraktion beträgt etwa 20-40 %. Nach Gabe von Kontrastmittel kommt es nach einigen Herzaktionen zur kompletten Kontrastierung des linken Vorhofes. Die Kontrastintensität ist jedoch zu keiner Zeit genauso intensiv wie im linken Ventrikel.
- Grad III: Es kommt nach wenigen Herzaktionen zur gleich starken Kontrastierung von linkem Ventrikel und linkem Vorhof. Die Regurgitationsfraktion beträgt zwischen 40-60 %.
- Grad IV: Es kommt mit der ersten Herzaktion zur sofortigen vollständigen Kontrastierung des linken Vorhofs, die Kontrastmitteldichte ist im Vorhof höher als im Ventrikel. Die Lungenvenen füllen sich mit Kontrastmittel an. Die Regurgitation beträgt bis zu 80 %.
Klinik
Die Mitralklappeninsuffizienz führt zu einer Abnahme der Leistungsfähigkeit des Patienten. Bei Belastung kommt es zur Dyspnoe, oft tritt ein nächtlicher Husten ("Herzhusten") auf. Bei Dekompensation kommt es zur Ausbildung eines Lungenödems und einer zusätzlichen Rechtsherzinsuffizienz, die sich wiederum in Form einer Stauungsleber, Stauungsniere und Halsvenenstauung bemerkbar machen kann.
Vorhofflimmern und eine Tachyarrhythmia absoluta können begleitende Rhythmusstörungen sein. Im linken Vorhof ist die Ausbildung eines Thrombus begünstigt (arterielle Embolie).
Diagnostik
Klinische Untersuchung
Die Anamnese sollte die Symptomatik gezielt erfragen und Art und Umstände der Beschwerden aufdecken. Wegweisend für die Diagnose ist der Auskultationsbefund.
Eine Mitralklappeninsuffizienz imponiert durch ein holosystolisches Herzgeräusch mit Punctum maximum im 4. oder 5. ICR links in der Medioclavicularlinie. Das Herzgeräusch wird in die linke Axilla fortgeleitet. Eventuell wird ein 3. Herzton hörbar. Bei der körperlichen Untersuchung kann manchmal ein nach links unten verbreiterter Herzspitzenstoß getastet werden.
Audiodatei freundlicherweise zur Verfügung gestellt von 3M Littmann
Apparative Diagnostik
Die apparative Diagnostik umfasst:
- EKG (P mitrale. eventuell Vorhofflimmern, Zeichen der Linksherzhypertrophie, bei fortgeschrittenen Stadien Zeichen der Rechtsherzbelastung)
- Röntgen-Thorax (Vergrößerung des linken Vorhofs und Ventrikels, Stauungszeichen der Lunge)
- Echokardiographie (veränderte Mitralklappe, Bestimmung der Öffnungsweite, Nachweis der Insuffizienz durch Doppler-Echokardiographie, vergrößerter linker Vorhof und Ventrikel, evtl. Papillarmuskelabriß, Thrombusnachweis)
- Herzkatheteruntersuchung (Quantifizierung und Gradeinteilung der Insuffizienz durch Kontrastmitteluntersuchung)
- Transösophageale Echokardiographie
Therapie
Die Therapie der Herzinsuffizienz kann in den initialen Stadien und fehlenden Komplikationen medikamentös erfolgen. Effektiv ist dabei eine Senkung der Nachlast z.B. durch ACE-Hemmer. Grunderkrankungen, die eine Progression begünstigen (KHK, arterielle Hypertonie, Endokarditis) sollten konsequent medikamentös behandelt werden.
Die chirurgische Therapie ist bei primären Mitralinsuffizienzen zu erwägen. Auch wenn primäre Mitralinsuffizienzen noch asymptomatisch und komplikationsfrei sind, sollte präventiv eingegriffen werden. Eine hochgradige Herzinsuffizienz, Verschlechterung der linksventrikulären Funktion und eine Dilatation stärken die Indikation für eine Operation.
Gängige operative Verfahren sind dabei:
Die Mitralklappenrekonstruktion, bei der das Klappengerüst erhalten wird, zeigt langfristig bessere Ergebnisse.
Basierend auf den Guidelines der American Heart Association aus dem Jahr 2007 hat die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie den Indikationsbereich für die Endokarditisprophylaxe bei Mitralinsuffizienz vor zahnärztlichen Eingriffen eingegrenzt. Laut diesen Leitlinien soll die Endokarditisprophylaxe nur noch bei Hochrisikopatienten erfolgen. Näheres dazu im Hauptartikel Endokarditisprophylaxe.
Bildquelle
- Bildquelle Auskultationsgeräusch: ©Pavel Danilyuk/Pexels
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