Hämochromatose
Synonyme: Hämosiderose, Eisenspeicherkrankheit
Englisch: h(a)emosiderosis, h(a)emochromatosis
Definition
Als Hämochromatose bezeichnet man eine abnormale, vermehrte Ablagerung von Eisen (bzw. eisenhaltigen Verbindungen wie Hämosiderin) im Organismus als Folge einer erhöhten Eisenkonzentration im Blut.
Nomenklatur
Die Hämosiderose wird von manchen Autoren auch als Eisenüberladung ohne Gewebeschaden definiert und damit gewissermaßen als Vorstadium der Hämochromatose. Weiterhin wird die Bezeichnung Hämosiderose in der Dermatologie als Überbegriff für alle Zustände mit Hämosiderinablagerungen verwendet.
siehe auch: Siderose
Einteilung
Man unterscheidet:
- Angeborene oder Hereditäre Hämochromatosen (HH)
- Erworbene Hämochromatosen
- Weitere Formen der Eisenüberladung
Hereditäre Hämochromatosen
Die hereditäre Hämochromatose ist eine vererbte Stoffwechselerkrankung, die durch verschiedene Gendefekte verursacht wird. Der am häufigsten auftretende Typ 1 ist durch eine stark erhöhte Eisenaufnahme im Darm gekennzeichnet.
Klassische (adulte) Hämochromatose Typ 1
Epidemiologie
Die klassische Hämochromatose ist die häufigste autosomal-rezessiv vererbte Krankheit. Die Prävalenz der klinischen manifesten Form liegt bei etwa 1/1.000 Einwohner in Europa. Dabei sind Frauen aufgrund des physiologischen Eisenverlusts im Rahmen der Menstruation deutlich seltener betroffen als Männer.
Genetik
Betroffen ist das HFE-Gen auf Chromosom 6 an Genlocus 6p22.2. In Nordeuropa liegt in über 80 % der Fälle von hereditärer Hämochromatose eine homozygote C282Y-Mutation (Cys282Tyr) vor. Die Penetranz beträgt bei Männern ca. 25 %, das heißt nur ein Viertel der Homozygoten entwickeln eine manifeste Hämochromatose. Frauen entwickeln eine manifeste Hämochromatose nur in einem Prozent der Fälle.
In ungefähr 5 % der Fälle sind Patienten compound-heterozygot mit der C282Y-Mutation auf einem und der H63D-Mutation (His63Asp) auf dem anderen Allel. Seltener kommt die S65C-Mutation auf dem anderen Genallel vor. Hierbei entwickelt sich eine leicht bis mäßig erhöhte Eisenspeicherung, die erst durch Kofaktoren (z.B. Alkoholkonsum) klinisch manifest werden kann.
Eine heterozygote H63D-Mutation alleine führt nicht zu einer Hämochromatose, die homozygote Variante kann jedoch bisweilen den Eisenstoffwechsel geringfügig beeinflussen.
Eine heterozygote C282Y-Mutation alleine kommt mit einer Prävalenz von rund 10 % relativ häufig vor, führt jedoch nicht zu einer Hämochromatose. Sie kann jedoch andere Krankheiten hervorrufen – zum Beispiel eine Porphyria cutanea tarda oder eine nicht-alkoholische Steatohepatitis. C282Y-Homozygotie wird außerdem mit einem erhöhten Risiko für das Mammakarzinom und das kolorektale Karzinom in Zusammenhang gebracht.
Pathophysiologie
Normalerweise liegt der Eisengehalt des Körpers relativ konstant bei drei bis vier Gramm. Dabei entspricht die Resorption im Dünndarm ungefähr der Höhe der Verluste. Bei Männern liegt der Verlust bei ca. 1 mg pro Tag, bei Frauen bei 1,5 mg pro Tag. Das in der Leber gebildete Hepcidin hemmt den basolateralen Eisentransport in die Enterozyten und erhöht den Eisenefflux aus Makrophagen und anderen Zellen durch Bindung an Ferroportin. Die Regulation von Hepcidin wird unter anderem durch das HFE-Protein, Transferrinrezeptor 2 (TfR2) und Hämojuvelin beeinflusst.
Das HFE-Gen kodiert für das hereditäre-Hämochromatose-Protein, das einen Komplex mit β2-Mikroglobulin und Transferrinrezeptor 1 (TfR1) bildet. Eine C282Y-Mutation verhindert diese Interaktion, sodass das Protein intrazellulär verbleibt. Die Folge ist eine reduzierte Transferrinrezeptor-vermittelte Eisenaufnahme in den Enterozyten. Dadurch wird der divalente Metalltransporter (DMT1) im intestinalen Bürstensaum hochreguliert und mehr Eisen resorbiert. Im Verlauf kann der Eisengehalt der Leber und des Pankreas um das 50- bis 100-fache, der des Herzens um das 5- bis 25-fache erhöht sein. Eisen führt zur Gewebezerstörung vermutlich durch Lipidperoxidation von Zellorganellen und über eine gesteigerte Kollagensynthese durch aktivierte Fibroblasten und Ito-Zellen.
Das typische Manifestationsalter ist das 40. bis 60. Lebensjahr. Organmanifestationen betreffen insbesondere die Leber (Leberzirrhose), das Pankreas (Diabetes mellitus), das Herz (Herzinsuffizienz) sowie die Gelenke (Arthralgien) und die Hypophyse (Hypogonadismus). Die Symptome sind jedoch variabel und werden von verschiedenen exogenen Faktoren beeinflusst, insbesondere vom Alkoholkonsum, Nahrung, Blutverlusten durch Menstruation, Schwangerschaft und Blutspenden.
Juvenile Hämochromatose Typ 2
Diese seltene Form der Hämochromatose wird je nach ursächlich betroffenem Gen eingeteilt in zwei Typen:
- Typ 2A: Mutation im Hämojuvelin-Gen auf Chromosom 1 an Genlocus 1q21. Typisches Manifestationsalter ist das 10. bis 20. Lebensjahr. Die Prävalenz wird mit 1/1.000.000 angegeben.
- Typ 2B: Mutation im HAMP-Gen (Genprodukt: Hepcidin) an Genlocus 19q13. Klinisch manifest wird diese Form meist schon im 5. bis 15. Lebensjahr. Es handelt sich jedoch um eine Rarität.
Beide Formen der juvenilen Hämochromatose betreffen insbesondere das Herz, die Hypophyse und die Leber.
Hämochromatose Typ 3
Bei dieser als Rarität vorkommenden Form ist das Transferrinrezeptor-2-Gen auf Genlocus 7q22 mutiert. Typisches Manifestationsalter ist das 10. bis 50. Lebensjahr.
Hämochromatose Typ 4
Bei der Hämochromatose Typ 4 kodiert das mutierte SLC11A3-Gen für Ferroportin-1 (IREG1). Die Prävalenz wird auf 1/1.000.000 geschätzt. Hauptmanifestationsalter ist das 10. bis 50. Lebesjahr. Betroffen sind insbesondere die Leber sowie das Knochenmark (Anämie).
Erworbene Hämochromatosen
Erworbene Hämochromatosen werden auch als erworbene Eisenüberladung (Siderose) bezeichnet. Dabei wird hauptsächlich zwischen einer Anämie-assoziierten Eisenüberladung und einer Eisenüberladung durch chronische Lebererkrankungen unterschieden.
Anämie-assoziierte Eisenüberladung
Bei bestimmten hämatologischen Erkrankungen ist die Eisenaufnahme im Darm erhöht (iron loading anemia). Dazu zählen insbesondere:
- Thalassämia major
- Sichelzellanämie
- Diamond-Blackfan-Anämie
- Weitere Anämien: Pyruvatkinasemangel, kongenitale sideroblastische Anämien, Fanconi-Anämie, erworbene schwere aplastische Anämie, kongenitale dyserythropoetische Anämie (CDA)
- Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie
- Myelodysplastisches Syndrom
Bei diesen Erkrankungen führen wiederholte Transfusionen zusätzlich zur parenteralen Eisenzufuhr.[1] Erythrozytenkonzentrate enthalten etwa 200 bis 250 mg Eisen. Eine Hämochromatose durch isolierte Überdosierung von oralen Eisenpräparaten ist eine Rarität.
Typische Manifestationen sind Herzinsuffizienz und Hypogonadismus.
Eisenüberladung bei chronischer Lebererkrankung
Praktisch jede fortgeschrittene Lebererkrankung kann mit einer sekundären Eisenablagerung einhergehen. Dazu zählen insbesondere Hepatitis C, alkoholische Leberzirrhose und nicht alkoholische Steatohepatitis. Auch bei der Porphyria cutanea tarda (PCT) kommen ausgedehnte Eisendepots im Gewebe vor, jedoch entstehen meist keine Gewebeschäden. Viele PCT-Patienten zeigen Mutationen im HFE-Gen und einige haben eine assoziierte Hepatitis C. Die genaue Beziehung zwischen diesen Erkrankung ist unklar, jedoch verstärkt die Eisenüberladung die Symptomatik bei PCT, sodass Alkohol und Östrogene gemieden werden.
Weitere Ursachen einer Eisenüberladung
Exzessive Eisenaufnahme
Eine exzessive Eisenaufnahme über viele Jahre führt nur selten zu einer Hämochromatose. Ein Beispiel ist die sogenannte Bantu-Siderose, die durch den Konsum von alkoholischen Getränken entsteht, die in Eisengefäßen gären.
Neonatale Hämochromatose
Die neonatale Hämochromatose ist eine Rarität, ist jedoch die häufigste Indikation zur Lebertransplantation innerhalb der ersten drei Lebensmonate. Symptome treten bereits 48 Stunden nach Geburt auf: Ein schweres Leberversagen mit Hyperbilirubinämie, Blutungen, Ödeme, Aszites, Hypoglykämie und Laktatazidose bei normalen Transaminasen. Die Pathogenese ist unbekannt, eine erbliche Ursache wird angezweifelt. Vermutet wird ein abnormer Eisentransport der Plazenta.
Aceruloplasminämie
Die Aceruloplasminämie (hereditärer Ceruloplasmin-Mangel) ist eine autosomal-rezessive, neurodegenerative Erkrankung mit Eisenspeicherung vor allem im Gehirn. Sie ist gekennzeichnet durch vielfältige neurologische Symptome sowie Anämie, Retinopathie und Diabetes mellitus.
Kongenitale Atransferrinämie
Die kongenitale Atransferrinämie ist eine seltene autosomal-rezessive Erkrankung mit angeborenem Transferrin-Mangel. Es kommt zu einer mikrozytären hypochromen Anämie mit Wachstumsretardierung sowie einer Eisenüberladung mit Leberzirrhose, Herzinsuffizienz und Arthropathie.
Symptome
Die initialen Symptome sind meist unspezifisch: Schwäche, Müdigkeit, Gewichtsverlust, Bauchschmerzen und Libidoverlust.
Hepatische Manifestationen
Meist ist die Leber das erste betroffene Organ. Die Ablagerung von Eisen in Form von Ferritin und Hämosiderin führt anfangs zu Depots in den periportalen Hepatozyten. Dieses Stadium geht in eine perilobuläre Fibrose über und führt dann zur Eisenspeicherung im Gallenepithel und in den Kupffer-Zellen sowie durch Aktivierung der Ito-Zellen zur Bildung bindegewebiger Septen. Später entsteht eine makronoduläre oder gemischt makro- und mikronoduläre Leberzirrhose. Über 95 % der symptomatischen Patienten haben eine Hepatomegalie. Häufig kommen der Verlust der Körperbehaarung, Palmarerytheme, Hodenatrophie und Gynäkomastie vor. Die Gefahr des hepatozellulären Karzinoms steigt auch schon ohne Leberzirrhose signifikant an. Es entwickelt sich bei ungefähr 30 % der Patienten und ist die häufigste Todesursache.
Kutane Manifestationen
Durch Hautablagerungen von Melanin und Hämosiderin entsteht die sogenannte Bronzefärbung. Diese schiefergraue Hyperpigmentierung findet sich diffus am Körper verteilt, kann aber im Gesicht und im Nacken sowie an anderen Körperstellen (Axillen, Unterarme, Handrücken, Genitalregion und Narben) ausgeprägter sein.
Diabetes mellitus
Ein Diabetes mellitus tritt bei ungefähr 65 % der Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung auf. Ursächlich sind vermutlich eine Schädigung der Inselzellen durch die Eisenspeicherung. Im Vergleich zu anderen Diabetesformen tritt häufiger eine Insulinresistenz auf. Aufgrund der meist gleichzeitig bestehenden Hyperpigmentierung spricht man auch von einem Bronzediabetes.
Gelenkmanifestationen
Eine Arthropathie entwickelt sich bei ca. 25 bis 50 % der symptomatischen Patienten, meist relativ früh. Betroffen sind initial insbesondere die Fingergrundgelenke (MCP) der Digiti II und III. Im Verlauf können auch die anderen Fingergrundgelenke, das Radiokarpalgelenk sowie selten Schultergelenk, Ellenbogengelenk, Hüftgelenk oder Kniegelenk betroffen sein. Schübe akuter Synovitiden entstehen durch Ablagerung von Calciumpyrophosphat (Chondrokalzinose, Pseudogicht). Die Arthropathie schreitet auch fort, wenn eine Therapie der Hämochromatose erfolgt. Der Kausalzusammenhang ist ungeklärt; vermutet wird, dass Eisen den Ascorbinsäureabbau beschleunigt und es zu einem Vitamin C-Mangel kommt.
siehe Hauptartikel: Hämochromatose-Arthropathie
Kardiale Manifestationen
Eine Herzbeteiligung betrifft ungefähr 15 % der Patienten. Dabei kommt es meist zur Herzinsuffizienz (sekundäre Kardiomyopathie), insbesondere bei juveniler Hämochromatose. Eine globale Kardiomegalie kann unbehandelt rasch zum Tod führen. Weitere Manifestationen sind Herzrhythmusstörungen wie supraventrikuläre Extrasystolen, paroxysmale Tachykardien, Vorhofflimmern und atrioventrikuläre Überleitungsstörungen.
Weitere endokrine Manifestationen
Bei beiden Geschlechtern kann ein Hypogonadismus entstehen. Symptome sind Libidoverlust, Impotenz, Amenorrhö, testikuläre Atrophie, Gynäkomastie und Verlust der Körperbehaarung. Ursächlich ist meist Beteiligung der Hypophyse mit verminderter Gonadotropinsekretion (hypophysärer Hypogonadismus). Selten kann auch eine primäre testikuläre Dysfunktion vorliegen.
Weitere, seltene endokrine Manifestationen sind eine Nebenniereninsuffizienz, eine Hypothyreose und ein Hypoparathyreoidismus.
Histopathologie
Diagnostik
Anamnese
Bei der Anamnese muss insbesondere auf Erkrankungen in der Familie, Alkoholkonsum, assoziierte Erkrankungen (z.B. Porphyria cutanea tarda) und Einnahme großer Mengen von Eisen oder Ascorbinsäure geachtet werden.
Körperliche Untersuchung
Die körperliche Untersuchung dient hauptsächlich der Prüfung auf Vorliegen einer Hyperpigmentierung, Hepatomegalie oder Hodenatrophie.
Labordiagnostik
- Erhöhtes Serumeisen
- Keine diagnostische Bedeutung, da es nicht ausreichend mit dem Speichereisen korreliert
- Erhöhtes Ferritin im Plasma:
- Bei Frauen über 200 µg/ml, bei Männern über 300 µg/ml, meistens über 500 µg/ml
- Erhöhte Ferritinwerte finden sich jedoch auch bei Entzündungen (Akute-Phase-Protein) und akutem Leberzellschaden
- Erhöhte Transferrinsättigung
- Bei Frauen > 45 %, bei Männern über 50 %
- Ein normaler Wert schließt eine Hämochromatose weitgehend aus
- Ergänzend kann ein Desferrioxamin-Test durchgeführt werden.
Die weiterführende Diagnostik umfasst den molekulargenetischen Nachweis der HFE-Mutationen C282Y und gegebenenfalls H63D. Ein normaler Genotyp schließt eine Hämochromatose jedoch nicht sicher aus (Non-HFE-Hämochromatose). Das Ergebnis muss man unter Einbeziehung der Symptomatik und der übrigen Laborparameter interpretieren.
Der Nachweis einer Anämie-assoziierten Hämochromatose kann mit einer Hämoglobinelektrophorese gelingen.
Zur Früherkennung eines hepatozellulären Karzinoms kann im Rahmen der weiteren Verlaufkontrollen der Tumormarker Alpha-1-Fetoprotein bestimmt werden.
Bildgebung
Mittels CT und MRT kann eine semiquantitative Abschätzung der Lebereisenkonzentration erfolgen. Eine weitere nichtinvasive Methode ist die Biomagnetometrie. Ergänzend wird zur Verlaufskontrolle eine regelmäßige Kontrastsonographie des Abdomens zur Kontrolle der Leber durchgeführt.
Die Chondrokalzinose zeigt sich im Röntgenbild mit zystischer subchondraler Sklerose, Verlust des Gelenkknorpels und Verengung des Gelenkspaltes sowie durch diffuse Demineralisation, hypertrophe Proliferation des Knochens und Kalzifizierung der Synovia.
Leberbiopsie
Bei erhöhten Eisenparametern und positivem Gentest wird auf die Leberbiopsie meist verzichtet. Sie ermöglicht jedoch eine Quantifizierung des Gewebeeisens (Berliner-Blau-Reaktion) und eine Messung der hepatischen Eisenkonzentration. Die Leberbiopsie ist die einzig zuverlässige Methode zum Nachweis einer Leberzirrhose. Daher stellt sich die Indikation bei Patienten mit positivem Gentest bei:
- Serumferritin > 1000 µg/l
- Erhöhter Alanin-Aminotransferase
- Hepatomegalie
- Alkoholabusus
Hämochromatose-Screening
Wenn die Diagnose einer Hämochromatose gesichert ist, sollten andere Familienmitglieder untersucht werden und eine genetische Beratung erhalten. Meist fallen bei Familienangehörigen auch eine erhöhte Transferrinsättigung und ein erhöhtes Serumferritin auf. Bei allen Verwandten ersten Grades sollte eine Genotypisierung im HFE-Gen durchgeführt werden. Bei Betroffenen muss außerdem eine Leberzirrhose ausgeschlossen werden. Bei nicht betroffenem Partner, ist das Kind obligat heterozygot und nicht betroffen. Aus praktischen Gründen werden Kinder und Jungendliche vor dem 18. Lebensjahr meist nicht untersucht.
Ein allgemeines Hämochromatose-Screening zum Beispiel als Neugeborenenscreening wird kontrovers diskutiert und aktuell nicht empfohlen.
Therapie
Übersicht
Die Therapie ist abhängig von der Art der Hämochromatose:
- Bei der primären Hämochromatose besteht die Therapie primär aus der Entleerung der Eisenspeicher durch Entnahme von Erythrozyten, vornehmlich mittels Aderlass. Zusätzlich erfolgt die Gabe von Chelatoren (z.B. Deferoxamin). Zudem sollte auf fleischreiche Kost sowie Vitamin C-haltige Nahrungsmittel verzichtet werden.
- Bei der sekundären Hämochromatose sind Aderlässe aufgrund der bestehenden Anämie im Allgemeinen nicht durchführbar. Hier beruht die Behandlung im Wesentlichen auf der medikamentösen Eisenreduktion durch Gabe von Chelatoren.
Erythrozytenreduktion
Da 500 ml Blut rund 200–250 mg Eisen enthält und ungefähr 25 g Eisen entfernt werden müssen, wird initial 1-2x wöchentlich 500 ml Blut als Aderlass abgenommen. Ein initialer Hämatokritabfall auf 35 mg/dl stabilisiert sich wieder im Verlauf. Sobald eine normale Transferrinsättigung und ein Ferritinspiegel unter 50 μg/l erreicht ist, erfolgen die Aderlässe in der Regel in Abständen von zwei bis drei Monaten. Dabei sollte der Ferritinspiegel im Bereich von 50 und 100 μg/l verbleiben.
Alternativ kann man eine Erythrozytapherese durchführen. Da hier mehr Erythrozyten pro Behandlung eliminiert werden können, reduziert sich die Anzahl der notwendigen Interventionen. Die Behandlung erfordert einen höheren apparativen Aufwand und ist daher deutlich teurer als der Aderlass.
Eine Aderlasstherapie bei sekundärer Hämosiderose wird angewendet bei besonderen Krankheitsbildern (z.B. bei kongenitaler dyserythropoetischer Anämie) oder in besonderen Situationen (z.B. nach einer Stammzelltransplantation bei Thalassämia major).
Chelatbildner
Chelatbildner sind indiziert bei Kontraindikationen für eine Aderlasstherapie, das heißt bei Anämie, Herzinsuffizienz oder Hypoproteinämie. Sie entfernen bei parenteraler Applikation ungefähr 10 bis 20 mg Eisen pro Tag und damit deutlich weniger als die Aderlasstherapie. Chelatbildner erzielen eine negative Eisenbilanz und tolerable Eisenkonzentrationen im Gewebe. Darüber hinaus neutralisieren sie das schädliche NTBI. Da nur ein kleiner Teil des Eisens für Chelatormoleküle zugänglich ist, muss der Chelator einen kontinuierlichen Wirkspiegel aufweisen. Eine intermittierende Gabe hoher Dosen ist nicht sinnvoll.[1]
Deferoxamin wird parenteral verabreicht und ist das einzige für die Primärtherapie der transfusionsbedingten Hämosiderose zugelassene Medikament. Die häufigste Nebenwirkung der subkutanen Behandlung sind Hautreaktionen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen, Fieber, Übelkeit, Arthralgien und Myalgien. Gefürchtete Nebenwirkungen sind Innenohrschwerhörigkeit und Tinnitus sowie Visusverlust durch Retinaschädigung.
Deferasirox ist ein oraler Chelatbildner, der insbesondere für die Thalassämia major und Sichelzellanämie zugelassen ist. Nebenwirkungen umfassen eine Erhöhung der Serumkreatininkonzentration und der Transaminasen sowie gastrointestinale Symptome und Exantheme. In seltenen Fällen sind Sehstörungen und Hörstörungen aufgetreten.
Deferipron ist ebenfalls ein oraler Chelatbildner, der aktuell (2022) nur bei Patienten mit Thalassämia major zugelassen ist, bei denen eine Behandlung mit Deferoxamin kontraindiziert oder inadäquat ist. Die bedeutendste Nebenwirkung ist eine schwere Neutropenie, sodass wöchentliche Differenzialblutbildkontrollen empfohlen werden. Andere häufige Nebenwirkungen sind Arthralgien, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Transaminasenerhöhung.
Bei schwerer Eisenüberladung kann eine intensivierte Eiseneliminationstherapie mittels kontinuierlicher, intravenöser Infusionstherapie notwendig sein. Auch eine Kombination von Deferoxamin und Deferipron sowie Deferasirox und Deferipron zeigt synergistische Wirkungen. Absolute Indikationen bei sekundärer Hämosiderose sind neue Herzrhythmusstörungen oder Herzinsuffizienz sowie kardiale MRT-T2*-Werte unter 10 ms.
Diät
Der Alkoholkonsum sollte deutlich eingeschränkt werden, da er das Leberzirrhoserisiko bei hereditärer Hämochromatose fast verzehnfacht. Vitamin C kann die intestinale Resorption von Eisen steigern und sollte entsprechend vermieden werden. Weitere Änderungen der Ernährung sind meist nicht nötig, jedoch kann eine angepasste Ernährung die Eisenbelastung leicht reduzieren: So sollten zum Beispiel stark eisenhaltige Nahrungsmittel wie Fleisch zurückhaltender konsumiert werden. Nahrungsmittel wie schwarzer Tee oder Milch vermindern die Eisenresorption.
Weitere Therapie
Protonenpumpenhemmer reduzieren die intestinale Eisenresorption und können dadurch die Frequenz der Aderlässe vermindern. Als zusätzliche symptomatische Medikation (z.B. gegen Gelenkbeschwerden) werden NSAR eingesetzt. Die Therapie der Leber- und Herzinsuffizienz sowie des Diabetes mellitus entspricht dem konventionellen Vorgehen. Der Libidoverlust kann zum Teil durch parenterale Gabe von Testosteron und Gonadotropinen gebessert werden. Bei fortgeschrittener Leberzirrhose oder hepatozellulärem Karzinom kann innerhalb der Milano-Kriterien eine Indikation zur Lebertransplantation gestellt werden. Der metabolische Defekt bei hereditärer Hämochromatose scheint nach Lebertransplantation aufgehoben zu sein.
Prognose
Unbehandelt ist die Hämochromatose letal. Vorherrschende Todesursachen sind Herzinsuffizienz, Leberversagen und Pfortaderhochdruck sowie das hepatozelluläres Karzinom. Unter Therapie steigt die 5-Jahres-Überlebensrate von 33 auf fast 90 %. Wiederholte Aderlässe führen zur Reduktion der Hepatomegalie und Hyperpgimentierung sowie Besserung der Leber- und Herzfunktion. Der Diabetes bessert sich bei ungefähr 40 % der Patienten. Jedoch hat die Therapie nur wenig Einfluss auf den Hypogonadismus und die Arthropathie. Wird die Erkrankung im präzirrhotischen Stadium behandelt, ist die Lebenserwartung normal.
Literatur
- Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der sekundären Eisenüberladung bei Patienten mit angeborenen Anämien, Stand 06/2015, abgerufen am 09.07.2019
- BVDH, GfH Leitlinie Molekulargenetische Diagnostik der hereditären Hämochromatose, abgerufen am 09.07.2019
- EASL Clinical Practice Guidelines HFE Hemochromatosis, abgerufen am 09.07.2019
- EASL Klinische Praxis Leitlinien für HFE Deutsche Version, abgerufen am 09.07.2019
- Suttorp N. et al., Harrisons Innere Medizin, Hrsg. 19. Auflage. Berlin: ABW Wissenschaftsverlag; 2016
- Herold, G.: Innere Medizin 2019. Köln: Gerd Herold, 2018
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Gattermann, N. Therapie der sekundären Hämochromatose, Dtsch Arztebl Int 2009; 106(30): 499-504, abgerufen am 09.07.2019
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