Fanconi-Anämie
nach dem Schweizer Kinderarzt Guido Fanconi (1892-1979)
Definition
Die Fanconi-Anämie ist ein seltenes, meist autosomal-rezessiv vererbtes Fehlbildungssyndrom, das zu den sogenannten Chromosomenbruch-Syndromen gehört.
nicht verwechseln mit: Fanconi-Syndrom
Epidemiologie
Die Fanconi-Anämie tritt mit einer geschätzten Prävalenz von 1/130.000 Geburten auf. In einigen Populationen ist die Allelfrequenz aufgrund eines Gründereffekts erhöht (z.B. bei Aschkenasim).
Ätiopathogenese
Ursächlich für die Fanconi-Anämie sind Mutationen in Genen, die für die DNA-Reparatur und genomische Stabilität verantwortlich sind. In erster Linie wird die Erkrankung autosomal-rezessiv, selten auch X-chromosomal-rezessiv vererbt.
Aktuell (2024) sind 22 ursächliche Gene bekannt.[1] Sie werden als FANC-Gene bezeichnet. Die häufigste Form (Typ A) entsteht durch eine Mutation des FANCA-Gens. Das FANCS-Gen entspricht dem BRCA1, das FANCD1-Gen dem BRCA2.
Die Genprodukte, die bisher wenig charakterisiert sind, spielen eine Rolle in der Reparatur von sogenannten Interstrand Crosslinks (ICLs) mittels des Fanconi-Anämie-Pathways. Bestimmte Substanzen, wie z.B. Cisplatin oder Mitomycin, induzieren eine Quervernetzung von komplementären DNA-Strängen, was zu Störungen in der DNA-Replikation führt. Mutationen in den FANC-Genen inhibieren die Reparatur der ICLs.[2]
Symptome
Falls keine offensichtlichen angeborenen Fehlbildungen vorliegen, ist eine makrozytäre Anämie häufig das erste klinische Zeichen. Das mittlere Erkrankungsalter beträgt 7 Jahre. Innerhalb der nächsten 10 Jahre entwickelt über die Hälfte der Patienten eine Knochenmarkinsuffizienz mit resultierender aplastischer Anämie und Panzytopenie. Entsprechende Symptome sind Blässe, Müdigkeit, Tachykardie und Belastungsdyspnoe sowie Blutungen und erhöhte Infektanfälligkeit.
Weiterhin zählen zu den klassischen Merkmalen:
- intrauteriner Minderwuchs
- kraniofaziale Dysmorphien, Mikrozephalie, Fehlbildungen der Ohren
- Hypoplasien des Daumens, z.T. auch dreigliedrig entwickelt (dreigliedriger Daumen-Polysyndaktylie-Syndrom)
- bräunliche Hautpigmentierung, Café-au-lait-Flecken
- Kryptorchismus mit sekundärem Kleinwuchs
- Männliche Patienten sind fast vollständig infertil, bei der Hälfte der Frauen ist die Fertilität stark gestört
- verschiedene Fehlbildungen, besonders der Nieren.
Die Erkrankung ist durch eine erhöhte Chromosomenbruchrate charakterisiert, welche die Entwicklung von malignen Tumoren begünstigt. Besonders häufig erkranken Patienten an einem myelodysplastischen Syndrom und an einer akuten myeloischen Leukämie (AML). Bei letzterer können alle Subtypen mit Ausnahme der Promyelozytenleukämie auftreten. Am häufigsten werden myelomonozytäre und monozytäre Subtypen beobachtet. Das Risiko eine MDS oder AML zu entwickeln steigt bis zum 30. Lebensjahr auf über 40 %. Ältere Patienten entwickeln meist Kopf-Hals-, Ösophagus-, Vulva- oder Analkarzinome.
Therapie
Initial wird eine Fanconi-Anämie mit Androgenen, Bluttransfusionen und hämatopoetischen Wachstumsfaktoren therapiert. Eine kurative Therapie der hämatologischen Problematik kann nur durch eine Stammzelltransplantation erreicht werden. Das erhöhte Risiko von soliden Tumoren bleibt jedoch bestehen.
Prognose
Viele Patienten mit Fanconi-Anämie entwickeln eine AML oder weitere Malignome. Die Lebenserwartung ist deutlich reduziert.
Quellen
- ↑ Universität Würzburg – Fanconi Anämie, abgerufen am 04.07.2024
- ↑ Walden H. et al. The Fanconi anemia DNA repair pathway: structural and functional insights into a complex disorder. Annu Rev Biophys; 2014