Promyelozytenleukämie
Synonyme: Akute Promyelozytenleukämie, APML, PML, Leukämie FAB-M3
Englisch: acute promyelocytic leukemia, APML, APL
Definition
Die Promyelozytenleukämie, kurz APL, ist eine Unterform der akuten myeloischen Leukämie (AML), die sich durch einige morphologische Besonderheiten auzeichnet. Unbehandelt weist die APL eine hohe Mortalität auf – daher gilt sie als hämatologischer Notfall, der eine umgehende Therapie erfordert.
Epidemiologie
Bei der APL handelt es sich um ein eher seltenes Krankheitsbild. Sie macht rund 5 % der neu diagnostizierten akuten myeloischen Leukämien aus. Es findet sich eine erhöhte Inzidenz in Südeuropa sowie in Nord-, Mittel- und Südamerika.
Pathogenese
Typisch für die akute Promyelozytenleukämie ist eine chromosomale Translokation, die das Gen für den Retinsäure-Rezeptor-alpha (RARα) auf Chromosom 17 betrifft. In 95% der Fälle besteht eine reziproke Translokation zwischen den Chromosomen 15 und 17, die zu einer Fusion von RARα mit dem Gen für den Transkriptionsfaktor PML führt. Sie wird mit "t(15;17)(q24;q21)" abgekürzt.
Die Fusion von RAR und PML erzeugt ein hybrides Protein mit veränderten Eigenschaften: Es bindet mit hoher Affinität an bestimmte DNA-Abschnitte, was zu einer blockierten Transkription und in der Folge zu einer gestörten Differenzierung der Granulozyten führt.
Die Translokation von RARα ist jedoch kein alleiniger Auslöser einer PML. Für die Entwicklung einer klinisch manifesten Leukämie sind weitere Mutationen notwendig.
Morphologie
Im Differentialblutbild finden sich Promyelozyten von unterschiedlicher Größe und Form. Man unterscheidet zytomorphologisch eine hypergranuläre und eine hypogranuläre Variante. Bei der hypergranulären Variante ist das Zytoplasma dicht mit großen Granula besetzt. Ferner weisen die Zellen Bündel sogenannter Auer-Stäbchen auf. Diese Zellen werden auch Faggot-Zellen genannt.[1]
Klinik
Im Rahmen der PML treten bei über der Hälfte der Patienten schwere Thrombozytopenien und Gerinnungsstörungen mit einem hohen Risiko für zerebrale, pulmonale, gastrointestinale oder kutane Blutungen auf. Dies müssen initial therapiert werden, da sie zur Frühmortalität beitragen. Weiterhin sind Leukämie-typische Symptome wie Anämie und Infektneigung zu beobachten. Daneben steigt das Risiko für ein Leukostasesyndrom mit steigenden Leukozyten- bzw. Blastenzahlen.
Diagnose
- Pathohistologische Begutachtung des Blutausstrichs und/oder Knochenmarkpunktats
- Immunphänotypisierung
- Genanalyse zum Nachweis der Translokation und des Fusionsgens PML::RARA
Risikostratifizierung
Die Einteilung der Risiko-Gruppen erfolgt nach dem Sanz-Score. In den Therapieregimen wird die Niedrig-Risikogruppe sowie die Intermediär-Risikogruppe zur Nicht-Hochrisikogruppe zusammengefasst.
| Risikogruppe | niedrig | intermediär | hoch |
|---|---|---|---|
| Leukozyten/μl | ≤ 10.000 | ≤ 10.000 | > 10.000 |
| Thrombozyten/μl | > 40.000 | ≤ 40.000 |
Therapie
Supportive Therapie
Initial steht die supportive Therapie zur Vermeidung von Blutungskomplikationen im Vordergrund. Dabei kann in Einzelfällen Tranexamsäure gegeben werden oder Faktor XIII sowie Antithrombin substituiert werden.
Zytoreduktive Therapie
Bereits bei Verdacht auf eine APL, d.h. noch vor der genetischen Diagnosesicherung, sollte unverzüglich mit der Gabe von all-trans-Retinsäure (ATRA) die antileukämische Therapie begonnen werden, um das Risiko von Blutungen rasch zu verringern. Bei hohen Leukozytenzahlen (> 10.000/μl) wird um Hydroxyurea und Idarubicin ergänzt.
Induktion und Konsolidierung
Die aktuelle Therapie (Stand 2025) basiert auf 3 Hauptsubstanzen:
- Arsen(III)-oxid (ATO) - Abbau des pathologischen Genkomplexes
- all-trans-Retinsäure (ATRA) - Aufhebung der Differenzierungsblockade durch Bindung an den Komplex
- Anthrazykline (meist Idarubicin)
Während die Hochrisiko-Gruppe mit ATRA und Idarubicin ggf. in Kombi mit Cytarabin behandelt wird, erhält die Nicht-Hochrisiko-Gruppe ein chemotherapiefreies Therapieprotokoll mit ATRA und ATO.
Eine allogene Stammzelltransplantation wird nur bei therapierefraktärer APL oder in der Rezidivsituation angewandt.
Erhaltungstherapie und Nachsorge
Beide Risikogruppen sollten über mind. 2 Jahre Blutbildkontrollen sowie Knochenmarksdiagnostik im Abstand von 3 Monaten erhalten. Darüber hinaus scheinen jährliche Blutbildkontrollen ausreichend zu sein.
Bei der Hochrisiko-Gruppe erfolgt meist eine 2-jährige Erhaltungstherapie mit MTX, Mercaptopurin und ATRA.
Prognose
Die Promyelozytenleukämie besitzt insgesamt eine gute Heilungsprognose sowie die beste Prognose unter allen Formen der AML. Durch neuere Therapieregime (ATRA und ATO) liegen die Heilungschancen bei über 90 %. Die meisten Rezidive treten innerhalb der ersten 2 Jahre nach abgeschlossener Primärtherapie auf. Dabei sind im ZNS lokalisierte Rezidive neben medullären Rezidiven am häufigsten.
Die typischen Nebenwirkungen und Langzeitfolgen einer Chemotherapie können auftreten. Dazu gehören auch Zweit- bzw. therapieassoziierte Neoplasien wie die (t)AML oder ein MDS.
Weblinks
- Akute Promyelozyten-Leukämie (Onkopedia)
- Winkler C. Acute Promyelocytic Leukemia. N Engl J Med. 2024 - Fallbericht mit Abb.
Quellen
- ↑ Amoth H, Perry AM.: APL with PML::RARA PathologyOutlines.com Website, abgerufen am 13.3.2025