Lebertransplantation
Synonyme: LTX, Leberverpflanzung
Englisch: liver transplant
Definition
Unter einer Lebertransplantation, kurz LTX oder OLT, versteht man die Verpflanzung (Transplantation) der Leber von einem Organspender auf einen Organempfänger.
Klinischer Hintergrund
Eine terminale Leberinsuffizienz ist mit dem Leben unvereinbar. Ein Leberersatzverfahren, das mit der Dialyse für niereninsuffiziente Patienten vergleichbar ist, existiert im klinischen Alltag noch nicht.
Indikationen
Indikationen zur LTX sind ein akutes, chronisches bzw. akut-auf-chronisches Leberversagen, das z.B. durch folgende Erkrankungen ausgelöst wurde:
Leberparenchymerkrankungen
- posthepatitisch: Hepatitis B, C, D, autoimmun, alkoholisch, kryptogen
Cholestatische Lebererkrankungen
- Primär biliäre Zirrhose (PBC), Sekundär biliäre Zirrhose
- Primär sklerosierende Cholangitis (PSC), Sekundär sklerosierende Cholangitis (SSC)
- Extrahepatische Gallengangsatresie
- Progressive familäre intrahepatische Cholestase (Morbus Byler)
- Alagille-Syndrom
- Kongenitale Fibrosen
- Graft-versus-Host-Disease (GvHD)
- Chronische Abstoßungsreaktion
- Cholestatisch verlaufende Sarkoidose
- Medikamentös-toxische Cholestase
- Caroli-Syndrom
Primäre Stoffwechselerkrankungen
- a1-Antitrypsinmangel
- Morbus Wilson
- Hämochromatose
- Tyrosinämie
- Galaktosämie
- Glykogenspeicherkrankheiten
- Lysosomale Speicherkrankheiten
- Crigler-Najjar-Syndrom Typ I
- Primäre Hyperoxalurie Typ I
- Erythropoetische Protoporphyrie
- Primäre Blutungsstörungen (ggf. mit Budd-Chiari-Syndrom)
- Störungen des Harnstoffzyklus (z.B. Citrullinämie)
- familiäre Amyloidose
Sekundäre Stoffwechselerkrankungen
Vaskuläre Erkrankungen
- Fulminante Virushepatitis (Hepatitis A, B, C, D, E)
- Intoxikationen (Knollenblätterpilz, Paracetamol, Halothan, Tetrachlorkohlenstoff, Ecstasy u.a.)
- Akute Schwangerschaftsfettleber
- HELLP-Syndrom
- Budd-Chiari-Syndrom
- HHT mit kardialen Komplikationen
Maligne Erkrankungen
- Hepatozelluläres Karzinom (Indikationsstellung anhand der Milan-Kriterien)
- Neuroendokrine Tumore (strenge Indikationsstellung)
- Hepatoblastom
- Cholangiozelluläres Karzinom
Andere Ursachen
Kontraindikationen
Gründe, die gegen eine Lebertransplantation sprechen, sind vor allem lebenslimitierende Begleiterkrankungen, die eine Heilung des Patienten durch die Transplantation ausschließen, wie zum Beispiel:[1]
- Pfortaderthrombose
- psychiatrische und psychische Erkrankungen, v.a.
- Alkoholabusus
- i.v.-Drogenabusus
- fortgeschrittene hepatische Enzephalopathie
- unkontrollierte bzw. durch Immunsuppression wahrscheinlich schwer verlaufende extrahepatische Infektion, die nicht durch die Transplantation saniert wird
- schwerwiegende kardiovaskuläre und pulmonale Erkrankungen, insbesondere bei begleitend hohem BMI oder hohem Alter
- nicht-kurativ behandelte extrahepatische Malignome
Voraussetzungen
- Physische und psychische Stabilisierung des Patienten
- Senkung des portalen Hypertonus ggf. durch die Einlage eines Shunts zwischen Vena portae und Vena cava inferior (TIPSS)
- Rückbildung der meist ausgeprägten Kollateralkreisläufe
- Erkennen von Kontraindikationen
Statistik
Die Anzahl der jährlich durchgeführten Lebertransplantationen beträgt etwa:
- Europa: 12,5 bis 15 Transplantationen pro eine Million Einwohner
- Deutschland: 1.000 Transplantationen im gesamten Bundesgebiet
Die Überlebensrate hängt unter anderem vom Allgemeinzustand des Empfängers, von der Histokompatibilität des Spenderorgans und der adäquaten Nachsorge ab. Sie beträgt:
- nach 1 Jahr: 60-80 %
- bei Patienten mit fulminantem Leberversagen: 60 %
- nach 5 Jahren: ca. 50 %
Bei Kindern ist die Überlebensrate höher als bei Erwachsenen, bei Malignompatienten und Patienten mit Virushepatitis ist sie aufgrund von Rezidiven geringer.
Arten der Transplantation
Lebertransplantationen finden fast ausschließlich orthotop statt, d.h. das Spenderorgan wird wieder am Platz des ursprünglichen Organs eingesetzt. Man unterscheidet verschiedene Verfahren:
- Lebendspende: Vor allem bei Kindern, z.B. durch ein Elternteil
- Postmortale Spende: Übertragung von einem Verstorbenen auf einen Lebenden, entweder als ganzes Organ oder als Split-Lebertransplantation (Aufteilung der Spenderleber auf 2 Organempfänger)
- auxiliäre partielle orthotope Lebertransplantation (APOLT): Ein Teil der Spenderleber wird transplantiert, während ein Teil der erkrankten Leber im Empfänger verbleibt, mit der Möglichkeit einer Erholung der eigenen Leberfunktion.
Bei Patienten mit Indikation zur Lebertransplantation und gleichzeitiger Notwendigkeit einer Nierentransplantation kann diese simultan durchgeführt werden.[1]
Komplikationen
Primäres Transplantatversagen
- Vaskulär
- Nachblutung
- Verschluss
- Biliär
Transplantatabstoßung
Akute Transplantatabstoßung
- Formen
- periportale Hepatitis
- nichteitrige Cholangitis
- venöse Endothelitis
- Diagnoseparameter
- Anstieg der Cholestaseparameter > Anstieg der Transaminasen
- Leberbiopsie
- Therapie
- Kortikosteroide
- monoklonale Antikörper gegen T-Lymphozyten
- IL-2-Rezeptorantagonisten
Chronische Transplantatabstoßung
- Formen
- Vanishing Bile Duct Syndrome (VBDS)
- Diagnoseparameter
- Anstieg der Cholestaseparameter
- Leberbiopsie
- Therapie
- Kortikosteroide
- monoklonale Antikörper gegen T-Lymphozyten
- IL-2-Rezeptorantagonisten
- bei Versagen: erneute Lebertransplantation
Nachsorge
Die Nachsorge umfasst eine lebenslange Immunsuppression, das Überwachen der Transplantatfunktion, die Prophylaxe opportunistischer Infektionen sowie das Screening extrahepatischer Komplikationen. Typische Maßnahmen sind z.B.:
- Medikamenteneinstellung
- Immunsuppression mit z.B. Tacrolimus, Everolimus, Ciclosporin oder Mycophenolat-Mofetil sowie Prednisolon (Dosisanpassung im Verlauf)
- Infektionsprophylaxe mit z.B. Cotrimoxazol, Valganciclovir und Hepatitis-B-Immunglobulinen
- Laborkontrollen
- Transplantatfunktion: z.B. Transaminasen, Glutamatdehydrogenase, Cholestaseparameter, Gesamteiweiß, Cholinesterase, Ammoniak
- Unerwünschte Arzneimittelwirkungen: Talspiegel, Blutbild (Agranulozytose), Kreatinin
- Komplikationen: Elektrolyte, CRP, Glukose
- Sonographie zur Kontrolle der Leberstruktur, der arteriellen Flussprofile und von freier abdomineller Flüssigkeit bzw. Aszites
- Weitere Maßnahmen
- jährliche Influenzaimpfungen, keine Lebendimpfungen
- regelmäßige Screeninguntersuchungen (z.B. Dermatologie, Gastroenterologie, Gynäkologie, Urologie, Kardiologie)
- perioperative Antibiotikaprophylaxe
- Meiden von z.B. NSAID oder potenziell toxischen Substanzen